Mittwoch, 15. Juni 2022

Tierliebe und Menschenliebe: Des Deutschen liebstes Ding[1] – der Hund, die Katze, das Pferd, der Vogel, der Fisch … und das Kind

 

 

Tierliebe und Menschenliebe: Des Deutschen liebstes Ding[1] – der Hund, die Katze, das Pferd, der Vogel, der Fisch … und das Kind

Während mancher Ukrainer seinen Hund aufessen muss, weil er das liebe Vieh nicht mehr ernähren kann, ja, selbst nichts mehr zu essen hat bis auf saure Gurken; während Xi Jinping seinen Chinesen – neben dem Spucken, Schlürfen und Schmatzen – auch das Hundeverzehren abgewöhnen will, steht der Hund des Deutschen immer noch ganz hoch Kurs. Der Hund darf alles, denn der Hund ist alles und steht über allem, was in der Gesellschaft gilt, weil er das Glück des Hundehalters ausmacht.

Der Mensch in Deutschland ist für den Hund da – und ist der Hund, etwa, wenn er sein Geschäft erledigt hat, am Spazierweg oder in der grünen Wiese, glücklich, dann freut sich der Deutsche.

Wer keinen Hund mag, aber auch kein Kind, der leistet sich eine Katze, Katzenstreu und Katzenfutter aus der Dose, damit eine Industrie gut leben kann. Katzen und Kater gehen eigene Wege, wenn man sie denn gehen lässt und nicht an die Leine legt wie den Kampfhund. Sie streunen herum, fangen Vögel, Mäuse und auch Ratten, wenn es sein muss und erfreuen den Deutschen auch abends im Werbefernsehen.

Kosten hin, Steuern her – Tiere machen den Deutschen glücklich, Hunde, Katzen oder Pferde, wenn einer sich das leisten kann, denn Pferde sind anspruchsvoll, pflegeintensiv und kostspielig, etwas für Betuchte, für introvertierte Jungfrauen auf dem Weg ins Leben oder für solche, die sich von Menschen und Menschheit längst losgesagt haben.

Wer sich diese höheren Wesen nicht gönnen kann, den Rassenhund, die edle Katze oder das Pferd mit gutem Stammbaum, begnügt sich mit einem Meerschweinchen, dem Fisch im heimischen Aquarium oder mit dem kleinen Vogel im Käfig, der manchmal spricht, ohne etwas zu sagen, und den man auf die Reise mitnimmt.

An letzter Stelle kommt schließlich das Kind, denn Kinder, so denken viele, machen nicht glücklich!

Oder doch?



[1] Ja, auch Lebendes wird zum Objekt, Rilkes Panther im Ding-Gedicht und manches Wesen in der saturierten Wohlstandsgesellschaft der Egomanen.

 

 

 

 

 


Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker, politischer Essayist,

Naturfotograf, im März 2022



Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/

 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.



Copyright: Carl Gibson 2022.

 

Vgl. auch:

 

 

  Das Jungfernspielzeug unter der Esche im Gras. 

Triebbefriedigung ist kein Liebesersatz 

Oder 

Vom Ding an sich zu einem schmutzigen Ding

Doch der Tag war noch nicht zu Ende. Später, am Nachmittag, als Wolken aufzogen und die ersten schweren Tropfen auf der Erde niedergingen suchte ich spontan Schutz unter einem hohen Baum in der Hoffnung, dass die Blitze der Götter mich nicht gleich hier und heute heimholen würden. Als ich dann die hochgeschossenen Brennnesseln wegtrat, um mir so, begleitet von hundert Verbrennungen auf der Haut, etwas Platz zum Stehen zu schaffen, sah ich ihn, den dritten Fund, nicht weniger makaber als die beiden vorausgegangen – giftig rot und schrill: ein Phallusobjekt aus Kunststoff, ein Instrument zur Triebbefriedigung, eingesetzt vielleicht von einer einsamen Frau fern der Liebe oder von mehreren Frauen oder Männern oder vor wem auch immer, um das zu stillen, was keine Liebe war, um Lust zu schaffen, billige Lust, im Kopf erzeugt und mechanisch herbeigeführt mit einen Instrument, dass in industrielen Mengen hergestellt und, Profite schürfend, in Umlauf gebracht wird, toleriert von einer - von christlichen Parteien regierten - Gesellschaft, die alles toleriert, auch sexuelle Abartigkeiten und Praktiken, die gestern noch gesetzlich verfolgt und in bestimmten Staaten sogar mit Gefängnishaft bestraft wurden.

Sexspiele ganz egal welcher Art werden wahre Liebe nicht ersetzen, noch abmildern. Sie stürzen die Praktizierenden nur noch tiefer in die Krise, in die Vereinsamung, in die Verzweiflung. Sie befreien nicht von großer Last und seelischer Not – ganz im Gegenteil: sie zerstören auch noch die Würde des Menschen, der so seine Selbstbestimmung auch in anderen Dingen einbüßt.

Drei Tage nach dem ekligen Fund, den ich irritiert fotografierte und am Fundort zurückließ, weil ich ihn nicht berühren wollte, trieb es mich, nachzusehen. Also nahm ich einen kleinen Umweg in Kauf – und tatsächlich: das bunte Ding lag noch da, nutzlos geworden, inmitten der Natur wie der Plastikeimer im Bach, wie der zahlreiche Abfall überall am Wegrand und wie der Schlappen im Fluss der nicht verrottet und dem Weltmeer entgegentreibt.

Sollen bestimmte Tabus unangesprochen bleiben? Soll man bei wenig Appetitlichem, bei obszönen Dingen einfach wegsehen, um nur für die schönen Dinge da zu sein in einer Zeit, in welcher die Natur massiv missbraucht wird und das Wort „Umweltschutz“ zur Floskel verkommen, zum billigen Vehikel in dem Gebrauch von Parteien, um das träge Wahlvolk auch in diesem Punkt zu verdummen? Früher, als es in Deutschland noch etwas gesittet zuging, beschäftigten sich die hehren Geister der Deutschen auch außerhalb des akademischen Bereichs mit dem Ding an sich; heute, lange nach dem Aufklärer aus Königsberg, der über Sitte und Moral, über theoretische, praktische und reine Vernunft schrieb, nur noch ein Ding übrig, ein schmutziges Ding, das auf den Geist der Zeit verweist, in der wir leben.

 

 



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