Zur Authentizität, Qualität und zum Aufklärungswert der Securitate- Akten bei der CNSAS in Bukarest.
Furcht und Zittern? Vendetta oder Aufklärung!?
Wie wichtig sind die bei der CNSAS abrufbaren Akten der "Securitate"?
Dienen sie der Vergangenheitsaufarbeitung und Kommunismusbewältigung im EU-Land Rumänien?
Sagen sie etwas zur möglichen Präsenz von "Securitate-Strukturen" in Deutschland aus,
mit Details über Spitzel, alte - und neue - IMs?
Oder sind diese Akten doch nur ein billiges Mittel zur "Abrechnung",
von einzelnen Personen genutzt
und gegen andere eingesetzt als "Instrumente" der
Diskreditierung, Diffamierung und Diversion?
In meinem Werk "Symphonie der Freiheit. Widerstand gegen die Ceausescu- Diktatur"
(es entstand in den Jahren 2005 - 2008, Bd. 1)
war ich noch sehr skeptisch, was die Offenlegung der Aktenbestände aus den Archiven des kommunistischen Geheimdienstes über die CNSAS betraf.
Würde die rumänische Gauck-Behörde CNSAS wirklich alles offen legen,
was in den Archiven der "Securitate" aufgefunden wird?
Wie zuverlässig arbeiten die CNSAS-Mitarbeiter heute?
Wie vollständig und wissenschaftlich korrekt dürfen sie überhaupt arbeiten,
um nicht irgendwo auch "nationale Interessen" des gegenwärtigen Rumänien,
Mitglied der EU und der NATO, zu gefährden?
Bestehen alte Strukturen weiter,
die durch allzu viel Offenheit, "Glasnost" und "Perestroika" enttarnt werden könnten?
Meine Erwartungen waren recht hoch -
Ich wollte "Gewissheit" haben;
trotzdem beherrschten mich "gemischte Gefühle",
da die negativen Erfahrungen während der Ceausescu-Diktatur auch nach drei Jahrzehnten nicht vergessen oder weggewischt werden können.
Wer einmal in einem KZ einsaß,
wer den GULAG aus eigener Erfahrung kennt oder sonst eine Deprivierungseinrichtung totalitärer Systeme ganz egal wo auf der Welt,
wer ein Opfer von Folter, Gewalt, Terror wurde,
der wird nicht vergessen, wo die grobe Menschenrechtsverletzungen aller Art begangen wurden.
Er wird im Rahmen einer umfassenden Vergangenheitsaufarbeitung und
Vergangenheitsbewältigung
nach der ab 1945 erfolgten "Entnazifizierung"
nun auch
eine konsequente "Ent-Stalinisierung" fordern,
doch nicht beliebig via zufälliger "Denunziation",
sondern korrekt auf wissenschaftlicher Grundlage.
Demokratie ist nur möglich, wenn die totalitären Strukturen alter Ordnungen aufgegeben werden.
Das ist eine Sache des Bewusstseins und umfassender Aufklärung.
Der Einzelne muss das für sich selbst leisten - und, wo es möglich ist,
über Wissenschaft auch für die Allgemeinheit.
Es war kurz vor 9 Uhr, als ich am 4.Oktober 2010 auch meine Foto-Dokumentation aufnahm.
Wie offen war Rumänien wirklich?
Die Gegend um mich herum in der Matei Bararab-Straße:
Ein Polizei-Nest seit Jahrzehnten - bis heute.
An verschiedenen Stellen war sie zu sehen: Einrichtungen des Innenministeriums, Stätten, wo ich früher nach spontaner Verhaftung zum Teil brutal verhört worden war.
Das mulmige Gefühl im Bauch von vor 30 Jahren kam wieder auf.
Und trotzdem fotografierte ich die Einrichtung CNSAS, bis der Pförtner in Uniform, der alles beobachtet hatte, aus dem Bau heraus und auf mich zu stürmte:
"Was machen Sie denn da?
Das ist eine Behörde!
Und fotografieren ist hier eigentlich nicht erlaubt".
Das klang fast wie in alten Zeiten!
"Ich schieße nur Erinnerungsfotos",
gab ich zurück und verwies gleich auf meine Anmeldung
als "petent" in "eigener Sache" und
als "akkreditierter externer Forscher" aus dem Ausland.
Das stimmte die Autoritätsperson an der Pforte dann doch etwas freundlicher.
Als kleines Entgegenkommen durfte mein Begleiter Michael das CNSAS-Gebäude und sogar den Lesesaal mit betreten, solange ich nur in "eigener Sache" tätig war.
Am zweiten Tag, als ich als "Forscher" aktiv wurde und in fremde Akten Einblick nahm, musste mein Begleiter draußen bleiben.
Alles hatte seine Ordnung.
In der Vorhalle des CNSAS-Baus waren einige Ausstellungsstücke aus dem Ausspionierungsarsenal der "Securitate" zu sehen:
Wanzen, Mini- und Observations-Kameras, Objektive etc.
An einem Pfeiler sah man ein prägnantes George Orwell-Zitat über das Verhältnis von Wahrheitskontrolle und Machtausübung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus dem Werk "1984" .
"Big Brother is watching you"?
Damals und heute - hier und dort?
Das Wissenschaftspersonal rief meine Securitate-Opfer-"Akte" ab - sie kam
aber erst gegen 11 Uhr, nachdem die Arbeit im Archiv für fast zwei Stunden unterbrochen worden war.
Ich nutzte die Zeit, um einige Wälzer über das "System der Securitate" durchzublättern, die in einem allen zugänglichen Bücherschrank zur Verfügung standen.
Dort auch sonstige Literatur zur Vergangenheitsaufarbeitung, u. a. Zeitzeugenberichte aus der stalinistischen Zeit bzw. aus der Ceausescu-Ära.
Was fand ich später dann im meiner "Securitate-Opfer-Akte" vor?
Mehr, als ich erhofft hatte!
Gleichzeitig aber auch viel weniger, als in der Akte in zwei Bänden hätte sein müssen.
Einige generelle Aspekte, was ein Akten-Einblick bei der CNSAS bringen kann und wie mit diesen Akten umzugehen ist, habe ich in einem Bericht dargelegt:
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/10563-akteneinsicht-in-bukarest-sichtweise.html
Jede Akte ist individuell.
Deshalb muss sie auch individuell analysiert werden, was nur mit hohem "Sachverstand" möglich ist.
Nur wer die Zeitverhältnisse sehr genau kennt,
wer selbst jahrelang in "Opposition" war,
wer die Securitate über Jahre selbst erlebte,
wer das Instrumentarium von Desinformation, Deviation etc. aus wissenschaftlicher Sicht kennt,
der kann vielen "Verdrehungen" und "Verfälschungen", die in den Protokollen und Berichten mitschwingen,
durchschauen und entsprechend werten.
Das Zitieren aus "Akten" ist gefährlich und kontraproduktiv,
da der Gesamtkontext in der Regel ignoriert wird.
In "Abrechnungsfeldzügen", wie wir sie gerade erleben, wird oft nur zitiert, um anzuprangern, um bestimmte Personen in eine Ecke zu stellen, um zu stigmatisieren und um zu diskreditieren.
Zur "Vollständigkeit" bzw. zum "Umfang" einer Akte:
In meiner Akte fehlt nach meiner Einschätzung sehr viel Material zu Vorladungen,
Verhaftungen,
U-Haft, Verhören, Prozess, Gefängnisaufenthalt etc.
Ebenso fehlt fast die gesamte Dokumentation meiner kommunismuskritischen Aktivitäten im rumänischen Exil von 1979 nach der Ausreise bis zur Revolution 1989.
Die Berichte des "Auslanddienstes" der Securitate sind wohl noch nicht freigegeben
wie die Akten militärischer Ermittlungsbehörden,
die - laut "Raport final zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien (Tismaneanu-Report) -
auch noch hinter verschlossenen Türen lagern.
Westliche Journalisten, die nicht unbedingt viel von der Securitate- Materie verstehen,
stellen oft die Frage:
"Wie umfangreich ist diese oder jene Akte" -
und folgern daraus, je mehr Seiten vorliegen, desto "bedeutender" sei der Fall.
Diese Annahme ist falsch.
In einzelnen Akten ist viel nichtssagender Ballast vorhanden (Rezensionen, Duplikate, irrelevante Beilagen zur Korrespondenz etc.).
Andererseits wurden politisch inaktive Personen nur aufgrund ihrer Vertrauens-Position ( etwa Universitäts-Dozent) observiert, nur um die "Loyalität" zu Partei (RKP) und Staat zu überprüfen.
(Solche Observierungen von "eigenen Leuten" haben nichts mit Widerstand zu tun,
ein Aspekt, der leider manchen Ahnungslosen im Westen a posteriori vorgegaukelt wird.
Das ist gezielte Irreführung und Täuschung, wird aber sogar von Personen mit Wissenschaftsanspruch praktiziert.
"Akten" dürfen bei der CNSAS natürlich nicht fotografiert werden.
Eigene Akten-Dokumente werden jedoch als "Kopien" ausgehändigt oder auf Antrag ins Ausland verschickt.
Kleine Begebenheit am Rande:
Bei der CNSAS traf ich Mircea Dinescu, den Dichter,
der in den Tagen der "blutigen Revolution" 1989 in Bukarest und des Sturzes von Diktator Nicolae Ceausescu weltbekannt wurde -
als Gesicht eines "demokratischen" Rumänien",
dass das "kommunistische Wappen" aus der rot-gelb-blauen Trikolore gerissen hatte.
Mircea Dinescu, vor Jahren noch vom damaligen Präsidenten Ion Iliescu als
eine Art Großgrundbesitzer (mosier) und Kapitalist denunziert,
ist heute in Rumänien ein bekannter Mann mit nahezu täglicher Fernseh-Präsenz,
während sich sein deutscher Übersetzer, der Dichter Werner Söllner, als ehemaliger Securiate-Informant zu erkenn geben musste.
(In meinem Erinnerungswerk "Symphonie der Freiheit" habe ich Mircea Dinescu und seiner damaligen Rolle als Apologet der Freiheit ein ganzes Kapitel gewidmet.)
Jetzt sitzt Dinescu seit Jahren im CNSAS-Ausschuß,
während andere Dichter und Dissidenten bereits unmittelbar nach der Revolution ins Abseits gedrängt wurden - wie Ana Blandiana.
In dem CNSAS-Gremium achtet Mircea Dinescu darauf, dass alte Seilschaften nicht weiter ihre "Spielchen" machen können
bzw. dass de Demokratisierungsprozess im Land über "Aufklärung" weiter geht.
Im Gespräch mit dem Dichter verwies ich u. a. auf die lässige Art bestimmter Belletristen wie Herta Müller,
Gerüchte und Mythen in die Welt zu setzen,
etwa Parolen wie:
"Ohne Haftbefehl gehe ich nicht mit",
wenn die Securitate naht, um eine Verhaftung durchzuführen
bzw. auf die sonderbare Lust,
"Securitate"-Akten aus den Beständen der CNSAS zur persönlichen "Vendetta" einzusetzen, um ehemalige IMs abzuschießen
und andere Personen zu desavouieren und zu diskreditieren,
selbst Leute aus dem Widerstand gegen den Kommunismus.
Da Demagogie und Lügen aller Art zum Alltag in Rumänien gehören,
regte das Mircea Dinescu nicht allzu sehr auf.
"So ist das eben", meinte Micea Dinescu schmunzelnd.
Nach zwei arbeitsreichen Tagen bei der CNSAS von 9 Uhr - 16 Uhr im Lesesaal
blieb noch etwas Zeit für "Sightseeing" - nicht im Sinne von West-Touristen, die Bukarest erkunden,
vielmehr aus der Perspektive des Zeitzeugen, der sich fragt,
was sich alles veränderte nach den Ereignissen der antikommunistischen Revolution von 1989,
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und des kommunistischen Weltreichs überall in Europa
und in der Sowjetunion.
In Rumänien blieben die Kommunisten weitere sieben Jahre an der Macht -
während in Polen und in der Tschechoslowakei ehemalige Bürgerrechtler und antikommunistische Dissidenten zu Staatschefs avancierten,
namentlich
Lech Walesa
und
Vaclav Havel.
Nicolae Ceausescus Königsschloss -
nach dem Zepter kam der Palast - um welchen Preis?
Gigantomanie des "Titans des Titanen" in der "goldenen Epoche", in "Zeitalter des Lichts" und des "Neuen Menschen".
Personenkult und Projekte wie der "Donau-Kanal",
das beabsichtigte "Schleifen deutscher Dörfer im Banat und Siebenbürgen",
der Ausverkauf der Minderheiten und eben solche Wahnbauten ohne Sinn und Zweck führten Rumänien in die politische Isolation und in den wirtschaftlichen Ruin.
Schuld daran war nicht nur Partei- und Staatschef, Diktator Ceausescu, sondern die gesamte Nutznießerschar der Rumänischen Kommunistischen Partei - landesweit.
©Carl Gibson. Alle Rechte vorbehalten.
Furcht und Zittern? Vendetta oder Aufklärung!?
Wie wichtig sind die bei der CNSAS abrufbaren Akten der "Securitate"?
Dienen sie der Vergangenheitsaufarbeitung und Kommunismusbewältigung im EU-Land Rumänien?
Sagen sie etwas zur möglichen Präsenz von "Securitate-Strukturen" in Deutschland aus,
mit Details über Spitzel, alte - und neue - IMs?
Oder sind diese Akten doch nur ein billiges Mittel zur "Abrechnung",
von einzelnen Personen genutzt
und gegen andere eingesetzt als "Instrumente" der
Diskreditierung, Diffamierung und Diversion?
In meinem Werk "Symphonie der Freiheit. Widerstand gegen die Ceausescu- Diktatur"
(es entstand in den Jahren 2005 - 2008, Bd. 1)
war ich noch sehr skeptisch, was die Offenlegung der Aktenbestände aus den Archiven des kommunistischen Geheimdienstes über die CNSAS betraf.
Würde die rumänische Gauck-Behörde CNSAS wirklich alles offen legen,
was in den Archiven der "Securitate" aufgefunden wird?
Wie zuverlässig arbeiten die CNSAS-Mitarbeiter heute?
Wie vollständig und wissenschaftlich korrekt dürfen sie überhaupt arbeiten,
um nicht irgendwo auch "nationale Interessen" des gegenwärtigen Rumänien,
Mitglied der EU und der NATO, zu gefährden?
Bestehen alte Strukturen weiter,
die durch allzu viel Offenheit, "Glasnost" und "Perestroika" enttarnt werden könnten?
Meine Erwartungen waren recht hoch -
Ich wollte "Gewissheit" haben;
trotzdem beherrschten mich "gemischte Gefühle",
da die negativen Erfahrungen während der Ceausescu-Diktatur auch nach drei Jahrzehnten nicht vergessen oder weggewischt werden können.
Wer einmal in einem KZ einsaß,
wer den GULAG aus eigener Erfahrung kennt oder sonst eine Deprivierungseinrichtung totalitärer Systeme ganz egal wo auf der Welt,
wer ein Opfer von Folter, Gewalt, Terror wurde,
der wird nicht vergessen, wo die grobe Menschenrechtsverletzungen aller Art begangen wurden.
Er wird im Rahmen einer umfassenden Vergangenheitsaufarbeitung und
Vergangenheitsbewältigung
nach der ab 1945 erfolgten "Entnazifizierung"
nun auch
eine konsequente "Ent-Stalinisierung" fordern,
doch nicht beliebig via zufälliger "Denunziation",
sondern korrekt auf wissenschaftlicher Grundlage.
Demokratie ist nur möglich, wenn die totalitären Strukturen alter Ordnungen aufgegeben werden.
Das ist eine Sache des Bewusstseins und umfassender Aufklärung.
Der Einzelne muss das für sich selbst leisten - und, wo es möglich ist,
über Wissenschaft auch für die Allgemeinheit.
Die rumänische Gauck-Behörde "CNSAS" in Bukarest
Es war kurz vor 9 Uhr, als ich am 4.Oktober 2010 auch meine Foto-Dokumentation aufnahm.
Wie offen war Rumänien wirklich?
Die Gegend um mich herum in der Matei Bararab-Straße:
Ein Polizei-Nest seit Jahrzehnten - bis heute.
An verschiedenen Stellen war sie zu sehen: Einrichtungen des Innenministeriums, Stätten, wo ich früher nach spontaner Verhaftung zum Teil brutal verhört worden war.
Das mulmige Gefühl im Bauch von vor 30 Jahren kam wieder auf.
Und trotzdem fotografierte ich die Einrichtung CNSAS, bis der Pförtner in Uniform, der alles beobachtet hatte, aus dem Bau heraus und auf mich zu stürmte:
"Was machen Sie denn da?
Das ist eine Behörde!
Und fotografieren ist hier eigentlich nicht erlaubt".
Das klang fast wie in alten Zeiten!
"Ich schieße nur Erinnerungsfotos",
gab ich zurück und verwies gleich auf meine Anmeldung
als "petent" in "eigener Sache" und
als "akkreditierter externer Forscher" aus dem Ausland.
Das stimmte die Autoritätsperson an der Pforte dann doch etwas freundlicher.
Als kleines Entgegenkommen durfte mein Begleiter Michael das CNSAS-Gebäude und sogar den Lesesaal mit betreten, solange ich nur in "eigener Sache" tätig war.
Am zweiten Tag, als ich als "Forscher" aktiv wurde und in fremde Akten Einblick nahm, musste mein Begleiter draußen bleiben.
Alles hatte seine Ordnung.
In der Vorhalle des CNSAS-Baus waren einige Ausstellungsstücke aus dem Ausspionierungsarsenal der "Securitate" zu sehen:
Wanzen, Mini- und Observations-Kameras, Objektive etc.
An einem Pfeiler sah man ein prägnantes George Orwell-Zitat über das Verhältnis von Wahrheitskontrolle und Machtausübung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aus dem Werk "1984" .
"Big Brother is watching you"?
Damals und heute - hier und dort?
Das Wissenschaftspersonal rief meine Securitate-Opfer-"Akte" ab - sie kam
aber erst gegen 11 Uhr, nachdem die Arbeit im Archiv für fast zwei Stunden unterbrochen worden war.
Ich nutzte die Zeit, um einige Wälzer über das "System der Securitate" durchzublättern, die in einem allen zugänglichen Bücherschrank zur Verfügung standen.
Dort auch sonstige Literatur zur Vergangenheitsaufarbeitung, u. a. Zeitzeugenberichte aus der stalinistischen Zeit bzw. aus der Ceausescu-Ära.
Was fand ich später dann im meiner "Securitate-Opfer-Akte" vor?
Mehr, als ich erhofft hatte!
Gleichzeitig aber auch viel weniger, als in der Akte in zwei Bänden hätte sein müssen.
Einige generelle Aspekte, was ein Akten-Einblick bei der CNSAS bringen kann und wie mit diesen Akten umzugehen ist, habe ich in einem Bericht dargelegt:
http://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/10563-akteneinsicht-in-bukarest-sichtweise.html
Jede Akte ist individuell.
Deshalb muss sie auch individuell analysiert werden, was nur mit hohem "Sachverstand" möglich ist.
Nur wer die Zeitverhältnisse sehr genau kennt,
wer selbst jahrelang in "Opposition" war,
wer die Securitate über Jahre selbst erlebte,
wer das Instrumentarium von Desinformation, Deviation etc. aus wissenschaftlicher Sicht kennt,
der kann vielen "Verdrehungen" und "Verfälschungen", die in den Protokollen und Berichten mitschwingen,
durchschauen und entsprechend werten.
Das Zitieren aus "Akten" ist gefährlich und kontraproduktiv,
da der Gesamtkontext in der Regel ignoriert wird.
In "Abrechnungsfeldzügen", wie wir sie gerade erleben, wird oft nur zitiert, um anzuprangern, um bestimmte Personen in eine Ecke zu stellen, um zu stigmatisieren und um zu diskreditieren.
Zur "Vollständigkeit" bzw. zum "Umfang" einer Akte:
In meiner Akte fehlt nach meiner Einschätzung sehr viel Material zu Vorladungen,
Verhaftungen,
U-Haft, Verhören, Prozess, Gefängnisaufenthalt etc.
Ebenso fehlt fast die gesamte Dokumentation meiner kommunismuskritischen Aktivitäten im rumänischen Exil von 1979 nach der Ausreise bis zur Revolution 1989.
Die Berichte des "Auslanddienstes" der Securitate sind wohl noch nicht freigegeben
wie die Akten militärischer Ermittlungsbehörden,
die - laut "Raport final zur Analyse der kommunistischen Diktatur in Rumänien (Tismaneanu-Report) -
auch noch hinter verschlossenen Türen lagern.
Westliche Journalisten, die nicht unbedingt viel von der Securitate- Materie verstehen,
stellen oft die Frage:
"Wie umfangreich ist diese oder jene Akte" -
und folgern daraus, je mehr Seiten vorliegen, desto "bedeutender" sei der Fall.
Diese Annahme ist falsch.
In einzelnen Akten ist viel nichtssagender Ballast vorhanden (Rezensionen, Duplikate, irrelevante Beilagen zur Korrespondenz etc.).
Andererseits wurden politisch inaktive Personen nur aufgrund ihrer Vertrauens-Position ( etwa Universitäts-Dozent) observiert, nur um die "Loyalität" zu Partei (RKP) und Staat zu überprüfen.
(Solche Observierungen von "eigenen Leuten" haben nichts mit Widerstand zu tun,
ein Aspekt, der leider manchen Ahnungslosen im Westen a posteriori vorgegaukelt wird.
Das ist gezielte Irreführung und Täuschung, wird aber sogar von Personen mit Wissenschaftsanspruch praktiziert.
"Akten" dürfen bei der CNSAS natürlich nicht fotografiert werden.
Eigene Akten-Dokumente werden jedoch als "Kopien" ausgehändigt oder auf Antrag ins Ausland verschickt.
Kleine Begebenheit am Rande:
Bei der CNSAS traf ich Mircea Dinescu, den Dichter,
der in den Tagen der "blutigen Revolution" 1989 in Bukarest und des Sturzes von Diktator Nicolae Ceausescu weltbekannt wurde -
als Gesicht eines "demokratischen" Rumänien",
dass das "kommunistische Wappen" aus der rot-gelb-blauen Trikolore gerissen hatte.
Mircea Dinescu, vor Jahren noch vom damaligen Präsidenten Ion Iliescu als
eine Art Großgrundbesitzer (mosier) und Kapitalist denunziert,
ist heute in Rumänien ein bekannter Mann mit nahezu täglicher Fernseh-Präsenz,
während sich sein deutscher Übersetzer, der Dichter Werner Söllner, als ehemaliger Securiate-Informant zu erkenn geben musste.
(In meinem Erinnerungswerk "Symphonie der Freiheit" habe ich Mircea Dinescu und seiner damaligen Rolle als Apologet der Freiheit ein ganzes Kapitel gewidmet.)
Jetzt sitzt Dinescu seit Jahren im CNSAS-Ausschuß,
während andere Dichter und Dissidenten bereits unmittelbar nach der Revolution ins Abseits gedrängt wurden - wie Ana Blandiana.
In dem CNSAS-Gremium achtet Mircea Dinescu darauf, dass alte Seilschaften nicht weiter ihre "Spielchen" machen können
bzw. dass de Demokratisierungsprozess im Land über "Aufklärung" weiter geht.
Im Gespräch mit dem Dichter verwies ich u. a. auf die lässige Art bestimmter Belletristen wie Herta Müller,
Gerüchte und Mythen in die Welt zu setzen,
etwa Parolen wie:
"Ohne Haftbefehl gehe ich nicht mit",
wenn die Securitate naht, um eine Verhaftung durchzuführen
bzw. auf die sonderbare Lust,
"Securitate"-Akten aus den Beständen der CNSAS zur persönlichen "Vendetta" einzusetzen, um ehemalige IMs abzuschießen
und andere Personen zu desavouieren und zu diskreditieren,
selbst Leute aus dem Widerstand gegen den Kommunismus.
Da Demagogie und Lügen aller Art zum Alltag in Rumänien gehören,
regte das Mircea Dinescu nicht allzu sehr auf.
"So ist das eben", meinte Micea Dinescu schmunzelnd.
Nach zwei arbeitsreichen Tagen bei der CNSAS von 9 Uhr - 16 Uhr im Lesesaal
blieb noch etwas Zeit für "Sightseeing" - nicht im Sinne von West-Touristen, die Bukarest erkunden,
vielmehr aus der Perspektive des Zeitzeugen, der sich fragt,
was sich alles veränderte nach den Ereignissen der antikommunistischen Revolution von 1989,
nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und des kommunistischen Weltreichs überall in Europa
und in der Sowjetunion.
In Rumänien blieben die Kommunisten weitere sieben Jahre an der Macht -
während in Polen und in der Tschechoslowakei ehemalige Bürgerrechtler und antikommunistische Dissidenten zu Staatschefs avancierten,
namentlich
Lech Walesa
und
Vaclav Havel.
"Modern Times" auch in Bukarest, Oktober 2010.
Was ich in Prag, Bratislava und Budapest feststellte, gilt uneingeschränkt auch für die rumänische Hauptstadt:
Der Kapitalismus ist angekommen.
Der Glaspalast eines Mobilfunk-Riesen erinnerte mich an die alte Weisheit -
"Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen",
das passt vorzüglich zur Pseudo-CNSAS-Aufklärung der "Guten und Gerechten" - "dopo Nietzsche"!
Nicolae Ceausescus Königsschloss -
nach dem Zepter kam der Palast - um welchen Preis?
Gigantomanie des "Titans des Titanen" in der "goldenen Epoche", in "Zeitalter des Lichts" und des "Neuen Menschen".
Personenkult und Projekte wie der "Donau-Kanal",
das beabsichtigte "Schleifen deutscher Dörfer im Banat und Siebenbürgen",
der Ausverkauf der Minderheiten und eben solche Wahnbauten ohne Sinn und Zweck führten Rumänien in die politische Isolation und in den wirtschaftlichen Ruin.
Schuld daran war nicht nur Partei- und Staatschef, Diktator Ceausescu, sondern die gesamte Nutznießerschar der Rumänischen Kommunistischen Partei - landesweit.
Helden-Denkmal,
das an die mehr als 1 000 Opfer der blutigen, antikommunistischen Revolution von 1989 erinnert.
Erste Verfallsspuren auch hier: Die Marmorplatten bröckeln -
der "Kampf um Freiheit und Demokratie"
ist fast schon vergessen:
Die Rumänen haben Wichtigeres zu tun - sie stehen im Kampf um das Dasein, Tag für Tag.
Das "Intercontinental"-Hotel im Zentrum der Hauptstadt Bukarest
war schon zur Zeit von Diktator Ceausescu ein wichtiger Devisenbringer.
In unmittelbarer Nähe:
Die US-Botschaft - heute ein gegen den internationalen Terrorismus abgesichertes Bollwerk.
Um 1977/78, zur Amtszeit von Präsident Jimmy Carter und seiner weltweit wirkenden Kampagne für "Menschenrechte"
galt die USA als "Leitnation der Freiheit".
Wir Dissidenten hatten seinerzeit große Mühe, um an den Securitate-Aufpassern vorbei in die Botschaft zu gelangen, um dort nach Unterstützung für unsere oppositionellen Aktionen (SLOMR) zu suchen.
Der ehemalige antikommunistische Oppositionelle und Regimekritiker Carl Gibson
vor dem alten ZK-Gebäude der Kommunisten von Diktator Ceausescu,
diesmal ohne "Petition" oder "Hungerstreikerklärung" in der Tasche.
Späte Genugtuung: Der Sieg der Wahrheit über die große Lüge,
der Demokratie über Totalitarismus.
Eine Gedenktafel an der Wand des Zentralkomitees der RKP erinnert an die Kommunistische Diktatur in Rumänien
Künftige "Staatsbibliothek" in Bukarest, wenn wieder Geld zum Weiterbauen da ist?
Gedenken an den verfolgten und Verfemten des rumänischen Kommunismus Coposu,
seine Büste neben der Ienei-Kirche in Bukarest ragt heute richtungsweisend in das Licht des Himmels.
Das "CEC"-Gebäude. Heute ist die CEC-Bank eine unter Tausenden, früher war CEC das einzige Geldinstitut in Rumänien.
Das Gebäude des Rumänischen Fernsehens - heute belebt Konkurrenz das Geschäft - in allen Medienbereichen.
Mit solchen Impressionen ging die Fahrt nach Bukarest ihrem Ende entgegen.
Die "Höhle des Löwen" lag bald hinter uns.
Aufatmen konnten wir beide aber erst, als wir nach dem Passieren der rumänischen Grenze in Richtung Ungarn auch der "Mausefalle" entronnen waren, ohne dass die Katze zugebissen hätte.
Zeit für Hoffnung!?
Mehr zum Thema Kommunismus hier:
zur kommunistischen Diktatur in Rumänien -
über individuellen Widerstand in einem totalitären System.
im Februar 2013 erschienen.
Das Oeuvre ist nunmehr komplett.
Alle Rechte für das Gesamtwerk liegen bei Carl Gibson.
Eine Neuauflage des Gesamtwerks wird angestrebt.
Fotos von Carl Gibson: Monika Nickel
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