Dienstag, 13. Dezember 2011

Nikolaus Lenau: Der Postillion - Perle aus den populären Gedichten der Spätromantik

Nikolaus Lenau: 

Der Postillion - 

Perle aus den populären Gedichten der Spätromantik

 

Nikolaus Lenau


Der Postillion


Lieblich war die Maiennacht,
Silberwölklein flogen,
Ob der holden Frühlingspracht
Freudig hingezogen.


Schlummernd lagen Wies´ und Hain,
Jeder Pfad verlassen;
Niemand als der Mondenschein
Wachte auf der Straßen.

 
Leise nur das Lüftchen sprach,
Und es zog gelinder
Durch das stille Schlafgemach
All der Frühlingskinder,

 
Heimlich nur das Bächlein schlich,
Denn der Blüten Träume
Dufteten gar wonniglich
Durch die stillen Räume.

 
Rauher war mein Postillion,
Ließ die Geißel knallen,
Über Berg und Tal davon
Frisch sein Horn erschallen.

 
Und von flinken Rossen vier
Scholl der Hufe Schlagen,
Die durchs blühende Revier
Trabten mit Behagen.

 
Wald und Flur im schnellen Zug
Kaum gegrüßt - gemieden;
Und vorbei, wie Traumesflug,
Schwand der Dörfer Frieden.

 
Mitten in dem Maienglück
Lag ein Kirchhof innen,
Der den raschen Wanderblick
Hielt zu ernstem Sinnen.

 
Hingelehnt an Bergesrand
War die bleiche Mauer,
Und das Kreuzbild Gottes stand
Hoch, in stummer Trauer.

 
Schwager ritt auf seiner Bahn
Stiller jetzt und trüber;
Und die Rosse hielt er an,
Sah zum Kreuz hinüber:

 
"Halten muß hier Roß und Rad,
Mags euch nicht gefährden;
Drüben liegt mein Kamerad
In der kühlen Erden!

 
Ein gar herzlieber Gesell!
Herr, ´s ist ewig schade!
Keiner blies das Horn so hell
Wie mein Kamerade!

 
Hier ich immer halten muß,
Dem dort unterm Rasen
Zum getreuen Brudergruß
Sein Leiblied zu blasen!"

 
Und dem Kirchhof sandt´ er zu
Frohe Wandersänge,
Daß es in die Grabesruh
Seinem Bruder dränge.

 
Und des Hornes heller Ton
Klang vom Berge wieder,
Ob der tote Postillion
Stimmt´ in seine Lieder.-

 
Weiter ging´s durch Feld und Hag
Mit verhängtem Zügel;
Lang mir noch im Ohre lag
Jener Klang vom Hügel.




Historischer Briefkasten aus der Postkutschenzeit (vor dem Deutschordensschloss in Bad Mergentheim).

 (vor dem Deutschordensschloss in Bad Mergentheim).


Lyriker Nikolaus Lenau war ein eifriger Briefe-Schreiber und begeiterter Reisender mit der Postkutsche - mangels Alternativen.

Für die Strecke Wien -Stuttgart brauchte er Tage, manchmal  Wochen -
Zeit zur Inspiration.

Eine dieser "historischen Postkutschen" aus der guten alten Zeit  rollt gelegentlich noch durch die Straßen von Bad Mergentheim.

Jedermann kann beim Schwager vorn sitzen, wer er sich den Spaß leistet:

http://www.bad-mergentheim.de/bad-mergentheim-stadtfuehrungen/postkutsche




Mehr über

Nikolaus Lenau
unter







Interpretationen zur Dichtung Lenaus in meinem Werk:







Carl Gibson,
Lenau. Leben - Werk - Wirkung.
Heidelberg 1989, 321 Seiten.



Dieses viel zitierte Standardwerk der Lenau-Forschung ist -
laut World Cat Identities und neben einer Studie des Freud Schülers Isidor Sadger über das Liebesleben Nikolaus Lenaus -

das weltweit am meisten verbreitete Werk
über den Spätromantiker und Klassiker der Weltliteratur Nikolaus Lenau .


Der leider viel zu früh verstorbene Germanist und Nietzsche-Forscher Prof. Dr. Theo Meyer erkannte in diesem Werk

"einen Markstein der Lenau-Forschung.

Es ist überhaupt die prägnanteste Lenau-Monographie. es dürfte zum Besten gehören, was über Lenau überhaupt geschrieben worden ist."


Das Werk, das mir, dem Autor bisher noch kein Einkommen generiert hat, wurde in acht Teilauflagen gedruckt.
Die Leinen-Ausgabe ist seit vielen Jahren vergriffen.
Ein Restbestand der kartonierten Ausgabe liegt - ungeachtet anderer Meldungen im Internetbuchhandel - noch vor und kann beim Winter Verlag, Heidelberg bezogen werden.



Trotzdem ist eine grundlegend überarbeitete Neu-Edition dieser Monographie angesagt,

da die Werke und Briefe Lenaus inzwischen in einer historisch-kritischen Ausgabe vorliegen.

Carl Gibson, Werke






Fotos: Carl Gibson



©Carl Gibson









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