Samstag, 13. Mai 2023

Ist die „konstitutionelle Monarchie“ noch zeitgemäß – in Großbritannien, in Spanien, in Schweden?

 

Entwurf, Auszug aus dem Manuskript: Carl Gibson, Quo vadis, Britannia? Nachdenkliches über Großbritanniens Gegenwart und Zukunft. Essays zur internationalen Politik (Arbeitstitel)

     Ist die „konstitutionelle Monarchie“ noch zeitgemäß – in Großbritannien, in Spanien, in Schweden?

Die Frage stellt sich immer wieder, und jetzt erneut, nach dem Tod der Königin und dem Antritt von Charles III. Die Betroffenen werden darauf antworten müssen, auf der grünen Insel der Briten, aber auch in Spanien oder in Schweden, wo die Monarchie nicht ganz ohne Skandale funktionieren musste, wobei das eine oder andere an unbequemen Entwicklungen unter den Teppich gekehrt wurde, gerade dann, wenn strafrechtliche Bereich tangiert wurden wie im Fall des Prinzen Andrew, aber auch bei dem Retter der spanischen Demokratie, Großwildjäger Juan Carlos, der viele Millionen Bestechungsgelder annahm, korrupt wurde, um auf seine alten Tage hin noch etwas hinzuzuverdienen nach all den Diensten für Volk und Staat und sich so auch die teuren Abschussprämien in Afrika leisten zu können.

Überdruss und Langeweile führen in die Dekadenz, ins Milieu, in die Bordelle, in die Niederungen des Sex-Gewerbes und der Prostitution bis hin zum Machtmissbrauch in der Vergewaltigung, einer Schutzlosen, wobei die Völker von ihren Vorbildern mit in den Strudel gezogen wurden und in den Dreck.

Wer will noch zu diesen Vorbildern hochsehen, zu diesen müde gewordenen Amtsmüden, die nicht länger Lügnern und Betrügern die Hände schütteln wollen, weder in Stockholm, nur, weil eine korrupte Jury eine komische Auswahl getroffen hat, noch in Madrid oder London, wo Könige und Prinzen auf Abwegen es auch schon halten wie die die gemeinen Politiker, indem sie, Prinzipien und Moral vergessend, das tun, was sie wollen.

Dem Makel ausgesetzt, als „Hartherzige“ zu gelten und als unmenschlich wahrgenommen zu werden, weil das Volk im Fall Diana anderes erwartete, hat Elisabeth II. – als Ausnahmefrau und echte Führungsgestalt – dagegengehalten. Prinz Andrew, aber auch die Könige Juan Carlos, in Spanien, und Carl Gustav von Schweden waren schwächer als die eiserne Königin, die eigentlich eine gutherzige, empathisch und freundliche Person war, und versagten, als es galt, Prinzipien und Moral über das eigene Wohl zu stellen, die Interessen von Volk und Staat über das persönliche Glück und das Glück der eigenen – mit in die Pflicht genommenen - Familie.

In einer „konstitutionellen Monarchie“ ist die Struktur der Macht doppelt verankert, zweifach abgesichert. Politiker kommen und gehen, Premierminister oder Ministerpräsidenten mit ihren Regierungen – der Monarch bleibt, auch in der Krise, und fängt manches auf, was sich im politischen Alltag an versagen herausstellt. Ein Netz fängt einiges auf, was in der Republik, wenn die Regierung kippt, weitaus kritischer ist und im Chaos enden kann, in politischer Instabilität und weiteren Krisen.

Also nützt die Regierungsform der konstitutionellen Monarchie mehr, als sie schadet, auch, wenn sie etwas kostet und wenn persönliche Schicksale aus dem Königshaus von einem ganzen Volk mitgetragen werden müssen.

Die Schweden haben in ihrem liberalen Staat einen Modus Vivendi mit dem Herrscherhaus gefunden – und Carl Gustav, der lieber Schreiner geworden wäre als ein König, steht immer noch an der Spitze von Staat und Nation, während die Spanier ihren innig geliebten Juan Carlos „in die Wüste“ schickten, nicht viel anders als die Deutschen ihren populären Bundespräsidenten, der nichts verbrochen hatte und bis zuletzt ein Ehrenmann blieb!

  


Defender of the faith – der britische König ist zugleich auch ein Papst – also war Königin Elisabeth II. eine Päpstin!?

Eine überzeugte Christin soll sie gewesen sein. Hatte sie eine andere Wahl, wo doch ihr Platz auf dem Thron durch das Gottesgnadentum begründet wird?

Die Mutter war konservativ, nicht nur in Glaubensfragen. Wird der aufgeklärte, bisweilen sogar liberale Sohn – den Bedürfnissen einer modernen Zeit entsprechend – neue Wege wagen und gehen dürften, um Großbritannien – bei aller Tradition – in eine reine Republik umzuwandeln, so, wie in Österreich erfolgte, vor hundert Jahren, nach dem ersten Weltkrieg, in Russland und eben auch in Deutschland, als in Staaten mit langer dynastischer Geschichte, wo der Volkwille aber durschlug und Könige wie Kaiser auf den Müllhaufen der Geschichte katapultierte?

Christentum und Staatskirche waren immer nur dazu da, die Macht der irdischen Herrscher – als von Gott, dem Allmächtigen, hergeleitet – zu begründen, zu festigen und zu erhalten.

Die Trauerfeierlichkeiten in London und Windsor haben das alles noch einmal vor den Augen der Welt belegt – und das ganze System, die Royals, die Leute hinter dem System und das huldigende Volk, allen voran dessen Repräsentanten, die noch lebenden Premierminister des britischen Königreichs, haben, über das Pfaffengeschwätz hinaus, bei dieser zum Himmel schreienden Mega-Heuchelei mitgemacht – in einer großen Maskerade des Abschieds, die auch für das Scheiden der staatlichen Struktur in der bisherigen Form steht.

So, wie das Empire, sich niederbeugte und sank gleich einem angeschlagenen Schiff in stürmischer See, so wird der gegenwärtige Inselstaat in seine Teile zerfallen und – nach der politisch unklugen Abkehr von dem europäischen Kontinent – bedeutungslos werden.

Das Römische Weltreich zerfiel – weshalb sollte es dem britischen Besser ergehen?

 

      Aufbruch mit alten Zöpfen – die Macht der Traditionen bei der Inthronisation von Charles III.

Gottesgnadentum wie eh und je! Der „Allmächtige“ ist wieder dabei – und auch der Erzbischof von Canterbury mischt wieder mit, damit alles so bleibt, wie es ist!?

Das verzopfte England auf dem Weg in eine neue Zeit – ein Aufbruch der Heuchelei? Die letzten sechs Premiermister stehen Spalier, dahinter die Aristokraten des Königreichs, Politiker nicht allzu vieler Couleur, dann auch hohe Repräsentanten der anglikanischen Kirche, die für den Draht nach oben stehen und mit dafür sorgen, dass die Zöpfe auf der Insel noch lange erhalten bleiben.

Das Volk nimmt die Maskerade hin, Pauken, Trompeten, Salutschüsse – und vergisst dabei für Augenblicke die Stromrechnung im Briefkasten und die Geschicke des Vereinigten Königreichs, die Zukunft, die man einer Liz Truss anvertraut hat.

Charles III. beruft sich auf den Allmächtigen, schwört, schüttelt Hände und tut so „als ob“, in der Hoffnung, dass es noch eine Weile weiter geht mit der konstitutionellen Monarchie und dass das tumbe Volk, die - an sich steinreichen - Royals weiter mit Steuergeld aushält, opulent verpflegt, damit es weiterhin würdig repräsentiert wird.

Kritik[1] ist gerade nicht angebracht. Die Kritiker sind verstummt, weil alle, die was zu sagen und zu bestimmen haben, mitmachen, über loyale Medien auch für den Rest der Welt.

Probleme wurden vertagt. Gefeiert wird jetzt. Geklagt wird morgen.



[1] Wie Heine einst - von Paris aus - auf das zersplitterte Deutschland der 36 Fürsten und Monarchen blickte, in Tag- und Nachtgedanken und in Sorge, was noch kommen würde, so blicke ich heute – aus der Ferne - auf die Insel, die weiterhin nicht zu Europa gehören will, zum „Kontinent“, und gebe – als Nichtbetroffener - gelegentlich einige Kommentare ab, angewidert von dem heuchlerischen Popanz-Getue einer antiquierten Kirche, die so mit zum Totengräber einer verirrten Nation wird.

 

 

 

     Prinz Andrew, das „Schwarze Schaf“ in der königlichen Familie, selbst missbraucht, ein Opfer vor der angeblichen Vergewaltigungstat, im Gang nach Canossa?

Wer sich mit Hunden umgibt, erwartet hündisches Verhalten auch von seinem Umfeld! Hunde sollen besonders loyal sein – und nibelungentreu, besonders königliche Hunde.

Ohne Uniform steht er da, nicht mehr ganz aufrecht, vielmehr geknickt, wie ein begossener Pudel, Einkehr haltend von den sündhaften Eskapaden, die das gesamte Haus Windsor belasteten, die Königin und Mutter, aber auch den gegenwärtigen König aller Briten Charles III., der als Bruder viel Eigenes auszubaden hatte.

Andrew, der Prinz, hat inzwischen alles verloren, was mit Ehre zu tun hatte; fast alle Titel sind weg – und, wie es heißt, hat die Königin, konsequent in ethisch-moralischen Dingen, den einstigen Lieblingssohn sogar enterbt. Der angebliche Vergewaltiger geht leer aus, muss büßen, für den Ausbruch[1], aber auch, um dem gemeinen Volk auf der grünen Insel zu zeigen, dass es noch eine Moral im königlichen Haus und konsequentes Handeln – wie einst im Fall der Lady Di.

Wer mit dem goldenen Löffel im Mund geboren ist, wer alles hat, wem alles zufällt, ohne je eine Leistung erbringen zu müssen, der langweilt sich irgendwann, wird dekadent und sucht Ablenkung in Bereichen, die über Ruhm und Ehre, über Essen und Trinken, über Ästhetisches und Kultur hinausgehen; er taucht ab in die Niederungen des Seins und nutzt Image, Macht und Geld, um seine niederen Triebe zu befriedigen, nicht viel anders als tausend Despoten der Weltgeschichte vor ihm, die sich nehmen, was sie können. Umgeben von anderen Amoralisten und Sittenstrolchen der rücksichtslosen Art, die in Millionen schwimmen, war sich Prinz Andrew nicht zu schade, einer jungen, de facto wehrlosen Frau seinen Willen aufzuzwingen, ohne an das eigene Haus zu denken, an die königliche Herkunft und an den königlichen Flurschaden, der anrichtet, indem er alles aus den Augen verlor, was das Selbstverständnis der englischen Monarchen ausmacht und die Regentschaft begründet.

Was kann die Tat des Hemmungslosen, der heute einsichtig dasteht wie vor einem Gang nach Canossa, irgendwo entschuldigen? Vielleicht der Aspekt, dass er, der mit der gesamten königlichen Familie in die Pflicht Genommene, selbst missbraucht wurde, bevor er andere missbrauchte, dass er – ungefragt, unfreiwillig an die Kandare genommen wurde wie das Pferd der Königin und an die Leine wie der königliche Hund – selbst ein Opfer wurde, bevor er andere Opfer nach sich zog.

Alle Royals mussten ihre persönliche Freiheit aufgeben, um dem Staat zu dienen, nicht nur die Königin – und manchmal auch die persönliche Würde wie Prinzgemahl Philipp, der der Königin hinterherlief, quasi im zweiten Glied, gleich einem folgsamen Hund, damit das ganze Licht auf die Königin fiel, die für Großbritannien stand und für alles, was noch in der Welt mit diesem Staat zusammenhing! Kann man gebeugt und doch noch würdig einem hohen Symbol, einem Wert hinterherlaufen?

Nicht anders, als der Alte Fritz sich einst als erster Diener Preußens begriff und mancher deutsche Bundespräsident seiner Republik zu dienen glaubt, indem er kuscht und lügt und täuscht, so auch Prinzgemahl Philipp, der deutsche Battenberg, aus dem – in der einsamen Metamorphose eines Chamäleons – ein englischer Mountbatten geworden war, ethisch-moralisch korrekt wie aus dem jüdischen Pharisäer Saulus der Erfinder des Christentums Paulus.

Mich überzeugt das – protokollarisch genuine, aber längst antiquierte – Hinterherlaufen nicht; denn frei nur ist, wer von seiner Freiheit guten Gebrauch macht, immer und überall.



[1] Ausbruchsversuche unternahmen auch die anderen Königskinder, bei Prinz Harry führte das zäsurhafte Absetzen fast zum Bruch. Die Memoiren des Prinzen, der ein vollwertiger Mensch sein wollte und kein Ersatz in einem – noch funktionierenden – Repräsentanz-System der Alten Ordnung, beschäftigten die nationalen wie internationalen Medien im Jahr 2020 über Monate – das Enthüllungsbuch eines englischen Querdenkers? Eines Palast-rebellen, der – gleich der Mutter, die auch schon rebellierte - nicht länger mitmachen will?

Wie im März 2023 bekannt wurde, will nun auch der Ausgestoßene, Prinz Andrew, ein Buch schreiben und darin zu den Sex- und Missbrauchsvorwürfen Stellung nehmen beziehungsweise diese sogar aufarbeiten. Neue Nahrung für die Tabloids!?

  


      Die sympathischen Seiten des Öko-Königs Charles III. – Bio-Reben-Züchter und Schlossbesitzer in Draculas Transsylvanien

Ist der König aller Briten, Charles III., ein Naturfreund, der Bäume umarmt, der, um nicht einsam zu sein, mit dem Wasser spricht und mit den Fischen im Wasser, wie die Indianer noch vor der Ausrottung durch weiße Übermenschen im Banditen-Kostüm und der anschließenden Amerikanisierung der Überlebenden in Reservaten; einer, der Ehrfurcht vor dem Leben hat, es in vielen Lebensformen akzeptiert und viel dafür tut, dass unsere Um- und Lebenswelt ökologisch wie klimatisch eine bessere wird?

Mutter Queen, eine der reichsten Frauen der Welt, hat dem geliebten Sohn viel Zeit gelassen, um über die Zukunft nachdenken, um zu erkennen und um mit zu gestalten, um mit Taten zu bewegen, auch um kritisch zu sein, wo sie neutral bleiben musste.

Der Prince auf Wales hat dann die Jahrzehnte des Ab-Wartens auch genutzt, um einige Zeichen zu setzen in alternativen Bereichen fern der Metropole London, was ihn mir – und wohl auch anderen – sympathisch macht.

Ein kleines Weingut betreibt er angeblich irgendwo in Südengland, wo inzwischen „Wein“ wächst – und ein kleines Schlösschen nennt er sein Eigen, im fernen Siebenbürgen, wo man auch als normal sterblicher Tourist übernachten kann, der Natur eine Chance gebend, der Geschichte und der Kultur.

Ich hätte ihm gewünscht, dass er viel früher zum Regenten aufsteigt! Denn er hätte womöglich mehr bewegt als die Mutter, die antrat, um zu erhalten, während er, repräsentativ für die fortschreitende Zweit, die Notwendigkeiten substanzieller Veränderungen erkannt hatte und auch bereit war, Neuerungen einzuführen, Zukunftsträchtiges durchzusetzen, auch in der Politik und auf die – konservativem den Status quo zementierende - Politik Druck ausübend.

Mutter Queen repräsentierte Ethos und Moral, stand für Prinzipien, während der Club der Politiker – zuletzt angeführt von einem unmoralischen Premier – eine Politik nach eigenen Vorstellungen durchboxte, was letztendlich in die Abkehr von Europa führte, in eine gefährliche Isolation mit vielen Nachteilen für die Bevölkerung, während die Zeichen der Zeit auf Einigung ausgerichtet waren, nicht auf Ausspaltung.

Wird Charles III. – nicht länger reine Repräsentationsfigur - als künftiger Steuermann mit dem richtigen politischen Instinkt noch das Ruder umreißen können, das Schiff aus schwerer See in den ruhigen Hafen rettend?

 


     Lebenskampf für Prinzipien – von der großen Königin zum kleinen Philosophen

Was ich ein Leben lang versuchte, hat Elisabeth II. – bis zu einem gewissen Grad – tatsächlich erreicht: das Durchsetzen von Prinzipien, von Moral in unmoralischer Zeit!

Ganz in Geist der guten alten Stoa hielt sie sich tapfer, schlug sich wacker gegen den Ungeist der Zeit auch in der Politik des eigenen Staates – und diese Haltung wurde gesehen, letztendlich respektiert, weil die Welt auf „die“ Königin blickte, die nicht nur für britische Geschichte stand, eintrat, sondern auch für die moralische Ausrichtung der Nation seit Jahrhunderten, ungeachtet einiger Schreckensgestalten auf dem Thron nicht erst seit der Zeit der Rosenkriege und einer anglikanischen Kirche, die nicht weniger heuchlerisch ist wie die einzig wahre Kirche der Katholiken im Vatikan.

Das Ergebnis dieser Haltung ist: Großbritannien steht auch heute noch – ungeachtet aller Entwicklungen am Rande der Moral, die es gegeben hat in Kolonialismus, Machtpolitik und Krieg – als moralischer Nationenbund da, während der übersehene Kampf und die lebenslange Haltung des kleinen Denkers und Rebellen nichts bewirkten, verklangen wie müde Worte im Wind.

 


     Die Royals – eine persönliche Reminiszenz

Eigentlich interessierte mich das englische Herrscherhaus nie wirklich; und doch sah ich immer wieder hin, blickte nach London, schon von frühester Jugend an, als kleiner Junge im Banat, der noch nicht richtig lesen konnte und der noch mehr über Fotos staunte als über das Geschriebene in dem Schwarz-Weiß-Buch über die königliche Familie „Windsor“ aus dem Schloss und dem Buckingham Palace, das um 1966/68 aus Deutschland in die „sozialistische“ Welt des seinerzeit noch liberalen Ceausescu geflattert war, an der Zensur vorbei, um mich zu beschäftigen, den Deutschen mit den englischen Namen[1] auf der Suche nach der eigenen Identität.

Noch ohne eine echte Vorstellung von der Welt oder der grünen Insel, wo angeblich meine Vorfahren herstammten, sah ich mir immer wieder die Fotos an, Prinzessin Anne mit Pferden, Hunde sah ich auch, die Königin, den später dekadent gewordenen Lieblingssohn der Queen, aus dem ein verkommener Sittenstrolch wurde; am meisten aber interessierte mit Charles mit den großen Ohren, weil man mich auf den Namen Karl getauft hatte und dieser Name in Englisch genauso gut klang und auszusprechen war wie in Französisch, was mich mit vielen Königluchen verband, mit Karl dem Großen und eben auch mit Prinz Charles.

„Wann wird Charles König“, fragte ich mich später immer wieder, mich wundernd, weshalb die Queen nie abdanken, nie Platz machen wollte für ihren Sohn, nachdem sie schon so lange regiert hatte.

Elisabeth II. blieb, auch als es skandalös wurde und die Zeit gekommen schien, abzutreten, zurückzutreten ins Glied, um anderen die Pflichten zu überlassen – und Charles musste warten bis zum Ausruf „Die Königin ist tot“ – „Es lebe König Charles III.[2]!“

Jetzt ist er König, ein alter Mann auf dem Thron, etwas verbittert vielleicht, in trister Zeit, in einem Staat, dessen Volk sich mehrheitlich von Europa losgesagt hat, dessen Nationen eigene Wege gehen wollen, auch ohne Monarchen, den es wirtschaftlich niederzieht, in einem Reich, das bröckelt.

Noch jubeln die Fans; noch würdigt man die Königin und mit ihr das Herrscherhaus. Doch es wird stiller werden, wenn die Euphorie verfliegt und nackte Realitäten die Zukunft der Insel bestimmen.



[1] Immerhin hörte ich auch auf einen königlichen Vornamen wie der künftige König der Briten, auf einen Namen, der an Karl den großen erinnerte und der auch in französischer Sprache klangvoll ausgesprochen werden konnte, was mich stolz machte in einer kleinen Welt, in der ich mit eben diesem Vornamen ganz allein dastand, was mich durchaus nicht störte und ganz gut zu dem – exotisch anmutenden – Nachnamen zu passen schien.

[2] Während die Deutschen noch brav und überkorrekt die vollen Namen der Königin und des Königs aussprechen, was bei der Akzentuierung der Ordenszahlen fast schon lächerlich klingt, gingen die pragmatischen Amerikaner bei CNN inzwischen zur schlichten Titulierung über und reden nur noch von „King Charles“. Schließlich weiß man inzwischen, wer gemeint ist!

  

 

 

Charles III. – König des Übergangs?

Charles III., dem man schon lange folgt und den man auch ganz gut kennt, schätzt oder ablehnt, ist inzwischen ein alter Mann, ein zerbrechlicher Mensch, der – mit der zerknirschten Mine und den Zähnen – in einem Augenblick der Selbstvergessenheit sein wahres Gesicht zeigt, das verbitterte Gesicht eines viel zu lange Abwartenden[1], der aber mit dem – allzu menschlichen - Ausdruck die Fassade zerstört, die man um ihn aufgebaut hat.

Weniger selbstsüchtig orientiert und auf das Los der Dynastie ausgerichtet, hätte Mutter Elisabeth II., nach schon langer Regentschaft, abdanken und das Zepter an den Sohn weitergeben können, damals vielleicht, als die Märchenhochzeit mit Lady Diana die Welt begeisterte![2]

Es sollte nicht sein!

Also kommt Charles III. erst jetzt, nachdem die Natur entschieden hat – und er kommt spät, möglicherweise zu spät, obwohl auch er, zurücktretend ins Glied, der Jugend hätte weichen können, dem Angepassten und Bewährten, also dem Sohn William, der, eingebettet in eine intakte Ehe und mit Nachkommen gesegnet, unbelastet dasteht, während Charles III. aus dem Skandal kommt, begleitet von einer königlichen Partnerin, die mit dem König populär[3] sein will, aber nie populär sein wird.



[1] „Wann wird Charles König“, fragte ich in meiner frühen Kindheit, nachdem ich, noch ohne richtig lesen zu können, ein Buch über das Königshaus durchgeblättert hatte. Ein halbes Jahrhundert musste vergehen, bis das Ereignis eintrat. Ich hätte ihm das Königsein viel früher gegönnt, weil er modern war und auf die Zukunft der Insel ausgerichtet, dort, wo die Königin und Mutter starr blieb, konservativ erhaltend, doch gleichzeitig auch rückständig.

 

[2] Wenn nicht dieser – sie festlegende – „Eid“ gewesen wäre, den sie beim Antritt leiste und bis zum Ableben einhielt. Vgl. dazu meinen Beitrag.

 

[3] Die Bemühungen der als „Queen Consort“ ausgewiesenen Camilla beim Händeschütteln am Zaun zum Volk sind zwar redlich, kommen aber nicht recht an, wirken aufgesetzt und unnatürlich. Die gerade noch Akzeptierte, alt und zerknirscht wie der König, oft im Fokus der Boulevard-Presse, der Tabloids, macht dabei eine schlechte Figur im Verweis darauf, dass doch nur alles Maskerade ist – sie alle funktionieren gemäß der Erwartung und tun so, als ob.

Camilla darf inzwischen „Königin“ genannt werden.

  


      Die „Königin der Herzen“ gegen die Hartherzige 

Oder 

Über das Unmenschliche im Herrscherhaus und den Monarchen als Opfer

Es gab ein Deja-Vu - einen Präzedenzfall, der über den Spielfilm in die breite Öffentlichkeit transportiert wurde, im Kaiserhaus der Habsburger, als „Sissi“, Elisabeth von Österreich, dargestellt von der jungfräulich, jugendfrischen, unverdorbenen Romy Schneider, als „Mensch“ die seit Jahrhunderten gefestigte Machtzentrale in Wien auf den Kopf und zugleich in Frage stellte in der Zurückweisung des „spanischen“ Hofprotokolls, das selbst die Höchsten zu Marionetten reduzierte, zu Dienern der höheren Ordnung Staat, in dem – praktisch zur gleichen Zeit - ein Nietzsche das „kälteste aller Ungeheuer“ erblickte.

Eine Ironie der Geschichte: Elisabeth II., Königin von Großbritannien und Oberhaupt der ehemaligen Kolonien Australien und Kanada, geriet – im Konfrontationskurs mit der Schwiegertochter „Lady Di“ – in die gleiche Situation, wurde Opfer der Position, indem sie funktionierte und dabei die gesamte eigene Familie mitopferte, den Gatten Philipp ebenso wie die Kinder, allen voran Charles, den designierten Thronfolger, der noch besser funktionieren musste als alle anderen Königskinder, die nicht recht glücklich werden konnten, weil es Pflichten gab, die erfüllt werden mussten.

Die interessierte Welt halt die Tragödie mitverfolgt, das Hin und Her der beiden Damen in höchster Position zwischen Pflicht und Kür, wobei Diana frei sein wollte und human und glücklich, was die Queen, auf ihre Art auch den Menschen zugetan, gerne auch gewollt hätte, aber nicht durfte.

Wie Tausend Monarchen vor ihr, wurde sie ein Instrument der Macht und ein Opfer der Mensch in ihr, dessen „Glück“ vielleicht auch mit einem zynischen Wort Nietzsches umschrieben werden kann: Glück ist, wenn das Gefühl der Macht wächst!

Einmal in die fast allerhöchste Position gelangt und mit der Aussicht, an der Seite des Thronfolgers Charles bald Königin aller Briten zu werden, wollte die „Königin der Herzen“ vor allem eins, ein Eigenleben, persönliches Glück, ein harmonisches Familienleben, was mit Pflichten für Volk und Staat kollidierte, die zerstörerisch sind.

Die in die Pflicht genommene „Elisabeth II. hat, ihrem Staat dienend, unterstützt von dem nicht weniger loyalen und pflichtbewussten „deutschen“ Prinzgemahl, diese Pflichten getreu ihrem Auftrag erfüllt, um viel Undank zu ernten. „Hartherzig“ erschien sie vielen ihrer Untertanen, während die „Königin der Herzen[1]“ schon zu Lebzeiten höchst populär war, nach dem Unfalltod sogar mythisch verklärt wurde.

Das Leben der Royals – bei allem Ruhm und Reichtum ein unglückliches Leben, ein Trauerspiel?



[1] Die mein Herz nie erreicht hat.

 

 

    Das Gelübde der Königin: dienen bis zur letzten Stunde – Segen oder Fluch?

Sie leistete diesen Eid freiwillig und in bester Absicht – dem Volk der Briten zu dienen, sei ihr Leben lang oder kurz.

Elisabeth II. hat Wort gehalten und war bis zum letzten Atemzug als Königin präsent, nachdem sie noch zwei Tage vor dem Ableben Liz Truss zur Premierministerin bestimmt und diese Politikerin ohne Fortune mit der neuen Regierungsbildung beauftragt hatte. Ein letzter Pflichtakt für Volk und Staat, nachdem die Königin während ihrer siebzigjährigen Präsenz auf Thron 15 Premierminister erlebt hatte.

Konsequent und prinzipientreu setzte sie ihr Vorhaben um, wobei der Nutzen für Volk und Staat vielen Briten erst jetzt bewusst wird. Dort, wo die Tagespolitik wankend wurde, moralisch versagte, wie gerade in letzter Zeit unter Boris Johnson, war die Queen an der Spitze des Herrscherhauses der Fels in der Brandung und der Anker der Stabilität, auf den - das populistisch - in den „Brexit“ geführte, irreleitete Volk zurückgreifen konnte – und sie war auch bis zuletzt das belastbare Bindeglied, das ein Abdriften Schottlands in die völkische wie nationale Unabhängigkeit, in die volle Souveränität bisher verhinderte.

Charles hingegen, der ewige Thronfolger, dürfte diesen „Eid“, der der Mutter nicht abverlangt worden war, mehrfach verflucht haben, immer dann, wenn seine Stunde geschlagen schien und er doch nicht König werden konnte, weil Elisabeth II. – in konsequenter Rückbesinnung auf das dem Volk gegebene Wort – am Königtum festhielt, damit aber Reformen verhinderte, die es möglicherweise unter einem neuen König Charles hätte geben können, damals, vor dreißig Jahren, als das „Jahr des Schreckens“ über das Haus Windsor kam und auch die Moral der immer noch über ein halbes Weltreich Herrschenden erschütterte.

Mit der erbebenähnlich erschütterten Haus Windsor wankten auch alle, die sich auf die Royals beriefen und der englischen historisch-traditionell wie politisch verpflichtet, manche Staaten des Commonwealth, aber auch große, leistungsfähige Volkswirtschaften wie Kanada und Australien, also Staaten, die sich längst ganz von Großbritannien abnabeln und voll souverän sein sollten, ohne irgendwo doch noch der Königin abhängig und der grünen Insel verpflichtet zu sein.

Die Chancen des neuen Königs kommen jetzt!

Wird Charles III. nur weiter machen wie bisher, im Geist der Mutter, auf moralischer Basis und mit der unerschütterlichen Prinzipientreue und konsequent wie Elisabeth II. – oder wird er neue Wege beschreiten, Reformen angehen, um sein Volk und den Staat – bei allen beibehaltenen Zöpfen - in eine moderne Zukunft führen?

 

 



Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, 

 ethisch ausgerichteter Zeitkritiker, 

politischer Essayist,

Naturfotograf, 

 im

 im April 2023

(drei Jahre nach der Krebs-Erkrankung bzw. Operation)



Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)



https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/

 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.



Copyright: Carl Gibson 2023.

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