Donnerstag, 16. Juli 2020

Carl Gibson mit der Gitarre - Nomen est omen - ein Name, der verplichtet ... und Lenaus Gedicht "An meine Gitarre"


Carl Gibson mit der Gitarre - Nomen est omen - ein Name, der verplichtet ... und Lenaus Gedicht "An meine Gitarre" - Erinnerungen, Musik und Poesie -  

Erinnerungen aus besseren Tagen

Carl Gibson im Jahr 1980 in Meersburg am Bodensee, in der Jugend spielte er die Gitarre in einer Band





Ja, in der Tat: immer wieder wurde ich auf ein potenzielles Verhältnis zur  
legendären Gitarren-Bauer-Firma 

"Gibson" 
aus den USA

angesprochen, auf eine Ikone der Branche, die vor kurzer Zeit Konkurs anmelden musste, aber weiter macht.

Ich war in der 9. Klasse, im Landwirtschaftlichen Lyzeum in Temeschburg, Timisoara, im Banat, Rumänien, als mir ein junger rumänischer Lehrer diese Frage stellte.

Zuletzt hörte ich sie ein halbes Jahrhundert später in Triberg,
 in der Reha-Klinik, gestellt von einem Arzt.

Mit der US-Firma habe ich natürlich nichts zu tun, aber der Name verpflichtet.

Nomen est omen - ich schrieb darüber ... in mehreren Kapiteln in "Allein in der Revolte", 2013, auch über Identität und Herkunft.

In meiner späten Kindheit, in Sackelhausen, gab es eine kleine Band, die bald zum Orchester anschwoll; ich spielte seinerzeit die Gitarre, nicht viel schlechter als der junge Lenau oder der Zigeuner Loica um die Ecke, der "nach dem Horch" spielte - ohne Noten.

In Deutschland ging mein Musizieren  unter.







Robert Schumann hatte Freude an Lenaus Gedicht:

Bevor Lenau zum leidenschaftlichen Guarneri-Geiger avancierte, pflegte er - oft melancholisch gestimmt gleich dem späten Sänger oben - das Gitarrenspiel und machte ein Poem darauf:




 
Meine liebste Unterhaltung bleibt mir doch noch immer meine treue Guittar, und ich danke Ihnen stets daß Sie, und der gute Godenberg den Sinn für dieß Instrument in mir weckten. Dieß Instrument ist Mittel meiner Schwärmereyen[1]“,




[1] Brief vom 28. Juni 1820 an die Mutter Therese Vogel. Am 13 November 1820 berichtet der inzwischen Neunzehnjährige der Vertrauensperson weiter aus Wien: „Meine Abendbeschäftigung ist nun das Arbeiten an meinen Grundsätzen; die Feder in der Hand schreibt man da über Unsterblichkeit, Freyheit, Gott, Tod etc etc so manches nieder, übt sich im Denken und räsonnirt manchen verwitterten Satz weg. (…) - die Gittarre bleibt auch nicht öde liegen.“


Mit dem Auge Robert Schumanns betrachtet:

 

Ein Lenau-Gedicht - aus der zweiten Reihe - das vielleicht zu schnell übersehen wird? Schuman fand die Hommage des Wahlverwandten, der - für sich allein - musizierte, auch für „Freunde“ manchmal, der aber ein vollblütiger[1] „Dichter“ war, „gut“ und hat die Lobpreisung an ein Musikinstrument weiterempfohlen. Das ist Grund genug, genauer hinzuschauen, genauer zu lesen: 

An meine Gitarre
Gitarre, wie du hängst so traurig!
Die Saiten tönen nimmermehr,
Die längst zerrißnen wanken schaurig
Im Abendwinde hin und her.

Auch deine Saiten sind zerrissen,
Es schweigt dein süßer Liederklang,
Seit in des Busens Finsternissen
Mir jede frohe Saite sprang.

Mir sank der Freund voll Jugendblüte
Hinunter in die Todesflut;
Die meiner Lieb entgegenglühte,
Nun bei den kalten Toten ruht.

Doch will ich euch nun frisch besaiten,
Dich, meine Leier! dich, mein Herz!
Rückbannen die entflohnen Zeiten,
Die alte Lust, den alten Schmerz.

Hinaus ins Dunkel jener Eichen!
Dort findet sich der alte Lauf;
Dort stören wir die Liederleichen
Aus ihren stillen Gräbern auf.

Wenn erst die Lieder nur erwachen,
Dann ruft, dann zieht ihr lauter Chor
Die Lieben all in meinen Nachen
Aus dunkler Todesflut empor.

Es klingt! – doch fliehn im scheuen Fluge
Die Töne auf von meiner Hand;
So eilt, verspätet, nach dem Zuge
Das Vöglein übers Heideland.

Jetzt bin ich meines Herzens Meister!
Nun rauscht wie einst der Sturmakkord!
Schon springen die versunknen Geister
Herauf, herauf an meinen Bord!

O du, mein Freund, so treu und bieder!
Wohl mir, du bist mir wieder nah!
Dem süßes Wort auch hör ich wieder:
Mein holdes Mädchen, bist du da? –

Doch nein! mich höhnten finstre Mächte!
Wo ist der Freund? das blonde Kind?
Der Nebel reicht mir keine Rechte;
Durch blonde Disteln saust der Wind![2]

Beide Melancholiker wissen, was seit der Renaissance-Zeit, genauer seit Ficinos[3] 
Abhandlungen über das Therapeutikum Musik in einschlägigen Kreisen bekannt ist: Musik kann die Krankheit des Schwermütigen lindern, abmildern, zurückdrängen - ja Musik - ganz egal ob der Flötenton, die Lyra oder der Gitarrenklang - kann befreiend wirken und den zum Tode Kranken sogar heilen.
Der Gemütskranke, von den erlittenen Verlusten in den Zustand des Leidens versetzt, kann sich, beflügelt durch neue Töne von frischen Saiten, wieder aufraffen und zu neuern Ufern aufbrechen, im Leben und in der Kunst!
Auch wenn es den Rückfall gibt, das schlimme Entgleiten in neue Heimsuchungen, die Lenau, der Melancholie-Erfahrene, nicht verschweigt, zählt die Chance, die zuversichtlich in die Zukunft weist.





[1] Vgl. dazu Lenaus Polemik in Versen „Der Reiter von W.“.

[2] Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. 
Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 34-36.



[3] Näheres dazu in meinem Werk „Koryphäen der Einsamkeit“, 2015.


Auszug aus dem kommeneden Werk 

"Weil auf mir, du dunkles Auge" ...



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