Dienstag, 20. Oktober 2020

Die Enthauptung von Paris – ein Deja-Vu mit Folgen: Religiöse Toleranz oder kulturelle Konfrontation in Frankreich – ist der Ruf Marine Le Pens nach einer materiellen Aufrüstung der Republik legitim oder ein Holzweg der Eskalation mit neuen Opfern?

 

Die Enthauptung von Paris – ein Deja-Vu mit Folgen: 

Religiöse Toleranz oder kulturelle Konfrontation in Frankreich –  

ist der Ruf Marine Le Pens nach einer materiellen Aufrüstung der Republik legitim oder ein Holzweg der Eskalation mit neuen Opfern?

 

Spontan-Essay eines Geschockten

Das Haupt des Opfers[1], blutüberströmt wie das Johannes des Täufers in „Salome“, erreichte mich über eine – nicht bestellte – Internet-Sendung!

Ein Schock – ich konnte in der folgenden Nacht nicht schlafen, wurde unruhig und musste, gerade mit Weltreligionen beschäftigt, mir, fast zwangsweise, auch darüber Gedanken machen.

Die Bluttat - ein Deja-Vu!

Vor Jahren, unmittelbar nach dem Charlie Hebdo-Anschlag[2] von Paris mit vielen toten Journalisten, hatte ich mir ähnliche Fragen schon einmal gestellt.

Wie will man mit Waffen gegen Terror vorgehen? Waffen können schützen, Menschen, eine Gesellschaft vor militanten Angriffen bewahren – doch Terror, Vergeltung findet in den Köpfen statt, wo wenig aufgeklärte Gehirne der Stimme des Glaubens folgen, genauer der Stimme der Prediger, die ihnen ganz bestimmte Inhalte und Ausrichtungen vermittelt hat.

Wer sich religiös beleidigt fühlt, reagiert auf seine Art, irrational. Was dem - von Kultur und Zivilisation - geprägten Westeuropäer unverständlich und nicht nachvollziehbar erscheinen mag: einmal religiös gekränkt, schreitet der Fanatiker zum Mord, ohne Rücksicht auf die Folgen und auf das eigene Leben – wir gerade jetzt, bei Paris.

Der Schock der Enthauptung eines freimütigen Lehrers, der aufklären wollte, durch einen fanatisierten Islamisten sitzt tief – und er eint die französische Nation wie damals, vor fünf Jahren, unmittelbar nach der brutalen Ermordung von zwölf Mitgliedern der „Charlie Hebdo“-Redaktion in Paris durch islamische Terroristen.

Doch es ist ein Deja-Vu!

Frankreich, ein europäisches Kernland mit kolonialer Vergangenheit, in welchem heute Millionen Muslime weitgehend friedlich mit der französischen Bevölkerung zusammenleben, hat es versäumt, die Ursachen des kulturellen Zusammenpralls zu beseitigen.

Wenn Parallelgesellschaften – mit allen typischen Problemen solcher Strukturen, wie man sie aus den Banlieus von Paris kennt – nun einmal das sind, dann lassen sich die Schwierigkeiten der Koexistenz nicht – á la Sarkozy mit dem „Kärcher“ – ausmerzen, sondern durch gegenseitiges Aufeinander-Zugehen, im Dialog, nicht in der Konfrontation.

Ergo ist auch – bei aller Meinungsfreiheit und aufgeklärtem Sinn für Satire und Humor – das Verspotten der Religion oder der religiösen Stifter dieser Glaubensrichtungen äußerst deplatziert[3].

Es muss nicht immer der Prophet Mohammed sein, der karikiert wird, gerade dann nicht, wenn die Brisanz der Materie feststeht und wenn man weiß, absehen kann, wie bestimmte Kreise reagieren, wenn Öl ins Feuer gegossen, wenn gezielt eskaliert wird. Im Alten Testament und im neuen Testament, also innerhalb der eigenen Kultur, gibt es genügend Geschichten, die satirisch behandelt werden können. Weshalb also unnötig provozieren?

Bei aller Solidarität – Populisten wie die Ultrarechte Marine Le Pen rufen nach einer Aufrüstung, geistig wie materiell – sie wollen den weiteren Zusammenprall der Gegensätze, der Kulturen und Religionen in einer für alle verheerenden Eskalation, nur um ihr Wählerpotential zu mobilisieren, primitive Instinkte und Ressentiments schürend.

Ursache – Wirkend, Aktion – Reaktion!

Wie seinerzeit nach den terroristischen Morden in Paris, als ich gegen die medial gesteuerten und politisch abgesegneten Solidarisierungsproteste öffentlich Position bezog, wundere ich mich auch heute über den neuen Massentrend in Frankreich und anderswo, der, von Populismus getragen, die wahren Konfliktwurzel verkennend, in die falsche Richtung geht – in die Eskalation, in den Kampf der Kulturen, den wir in diversen Stellvertreterkriegen täglich über die Bildschirme erleben, der als „Clash“ aber auch in vernichtende Bürgerkriege vor Ort münden kann. Anderswo und in Frankreich – nicht populistische Bauernfängerei, sondern politisches Augenmaß bleibt das Gebot der Stunde!

 


 



[1] Das Foto mit dem Haupt auf der Straße liegend, vom „mitteleuropäischen Brief“ vermittelt, stammte angeblich von Facebook.

 

[2] Siehe dazu den Beitrag weiter unten.

[3] Verhöhnt, diskriminiert und diskreditiert werden so auch die moderaten Gläubigen des Islam, die, über die verrückte Tat eines einzelnen Fanatikers allesamt in Sippenhaft genommen werden.

 

 

In Waffen für die Religionsausübung. 

Vor dem Münster in Straßburg.

Frankreich nach dem Terror - 

Illusion Sicherheit und das Ende der Gemütlichkeit in Europa.




Es ist ungemütlich geworden in Europa.

Vor einigen Wochen betrat ich eine Kirche im Herzen von Selestat.

Am Ausgang eine Skizze:

Wie verhalte ich mich im Fall eines Terror-Anschlags.

Ich war irritiert, den so etwas hatte ich in Deutschland noch nicht gesehen.

Doch in Frankreich hatte es einen Präzedenzfall gegeben, blutigster Art.

Später, vor dem Münster, in Straßburg.

Alle Straßen rund um das Münster werden von Dutzenden Einsatzkräften aus Polizei und wohl auch Militär (?) gesichert.

Der Messe-Besuch ist kein Vergnügen mehr.
Die Angst versagt Entspannung und Einkehr.

Es ist eine interkonfessionelle Begegnung - doch der  potenzielle Terror radikalisierter Islamisten schwebt über den Dingen und vergiftet die Atmosphäre.

"Modern times" , auch in Sachen Religion?

Sicherheit?

War es in Köln anders?
Was kommt noch auf uns zu?



In Selestat, im Elsass.



Münster, Straßburg.


Religiöse Feier, Sonntag, 2. April.
Hunderte strömen aus der Kirche - ein Alptraum für Sicherheitskräfte.





Rosetta, Münster.



Spezialtruppen in nie erlebter Stärke sichern die religiöse Feier.



Münster-Portal, Detail.





EU-Parlament



Flaggen im Wind.




Religöse Toleranz?


Idylle, Petite France, Straßburg.
Wie lange noch?



Straßburg, Sitz der europäischen Institutionen, ist ein symbolträchtiges Anschlagssziel der Islamisten.
Der Weihnachtsmarkt ebenso

wie das Münster selbst, 
markantes Wahrzeichen der Christenheit.
 
 
 
 
Vergleiche auch zur Sache:
 
 

 Je ne suis pas Charlie[1], je suis un autre! 


Manipulation und Instrumentalisierung der Massen aus politischer Räson? 

Oder Wie ein Akt der Solidarität mit Opfern auch missverstanden werden kann!


Es ist erstaunlich, über die Medien mit ansehen zu müssen, wie Politiker – vereint, ja aufgehend in der der Masse des Volkes - ihre Solidarität mit den Opfern des Terroranschlags von Paris kundtun, ehrlich betroffen, aber auch kalt kalkuliert in demagogischer Aktion, um dabei eine gute Figur zu machen, um vom eigenen Versagen abzulenken oder um das anderswo arg ramponierte Image wieder etwas auf zu polieren.

Dabei wissen die Berufspolitiker sehr wohl, dass die wahren Ursachen des Kultur- und Religionskampfes zwischen der aufgeklärten westliche Gesellschaft und dem Islam vielschichtig sind und wesentlich tiefer liegen. 
Man lässt dem Gefühl trotzdem seinen freien Lauf, wobei der normale Bürger und Demonstrant es durchaus aufrichtig meint, wenn er bekennt:

Je suis Charlie“!

Dass diese wahrhaftige, gut gemeinte Botschaft aber auch die Konzeption und Wirkungsweise der freigeistigen, womöglich atheistischen, polemisch- frivol im Geiste der Aufklärung agierenden Zeitschrift „Charlie Hebdo “ aktiv mit trägt, billigt und somit auch zur – vielleicht ungewollten Polarisierung ja sagt, darauf kommt der „unreflektierte“, zu oberflächlich seine Meinung vertretende Staatsbürger jedoch nicht.

Als zeitkritischer Autor, in dessen Büchern zur Politik und Geschichte der Gegenwart demaskierende, ja anklagende „Karikaturen“ veröffentlicht wurden, um die Botschaft des geschriebenen Wortes zu verstärken, fragte ich mich - auch im Gespräch mit anderen - immer wieder in differenzierter Debatte, was eine „Zeichnung“ leisten kann, was eine Karikatur darf, wo die – oft alles legitimierende - künstlerische Freiheit aufhört, wo die –in der Demokratie absolut gesetzte - Meinungsäußerung endet – und wo Hetze und Hass beginnen.

Danach sollte jeder souveräne Bürger fragen, besonders aber jener Partei Ergreifende, der sich plakativ auf eine Seite stellt und mit seiner Haltung andere ausgrenzt, auch im liberalen Frankreich!
Was nützt eine satirische, humoreske gut gemeinte Mohammed-Darstellung, wenn der Künstler Meinung und Kunst mit dem Leben bezahlt?

Der Staat der „Offenen Gesellschaft“ ist – wie auch beim Attentat von Paris deutlich wurde – nicht in der Lage, seine Künstler zu schützen.
So manchem kritischen Franzosen auf der Straße hätte ferner auffallen müssen, dass er mit seinem „Je suis Charlie“-Ausruf oder Transparent  militanten Kulturkampf betreibt, dass er – unbewusst und unfreiwillig – Franzosen anderen Glaubens, ja aufrechte Muslime weltweit, ausgrenzt, stigmatisiert, in Sippenhaft nimmt.

Obwohl der Solidarität Bekundende sich mit seinem Gestus nur gegen den zynischen Terror von Verbrechern wenden will, tangiert er mit der Billigung der Verhöhnung Mohammeds die religiösen Gefühle und Überzeugungen aller Muslime, weltweit.
Darüber hätten - neben den undifferenziert mitmachenden Berufspolitikern alle Couleur und Nationalität - auch die interkulturell teils inkompetenten, teils wenig sensiblen Journalisten nachdenken und berichten können, statt, wie sonst üblich, alles über einen Kamm zu scheren, wohl wissend, wo das Lager der Guten und Gerechten ist und wo die Bösen zu finden sind.

Plakative Haltungen dieser Art in der einseitigen Auseinandersetzung mit religiösen Vorstellungen, Überzeugungen und Dogmen führten bereits in früheren Jahrhunderten zu fanatisch ausgetragenen Religionskriegen, sowohl auf dem Boden Frankreichs wie auch - in dem noch schrecklicheren Dreißigjährigen Krieg -  auf dem Territorium Deutschlands.

An welchem Ende wird das Ei aufgeschlagen?
Ist Gott ein Mensch, dem nichts Menschliches fremd ist? Oder ist er als das Höchste der Wert an sich, der keine Kränkung duldet, der jede Blasphemie abstraft, indem er über Regierungen und die offizielle verkündete Fatwa– selbst erklärte Werkzeuge und Vollstrecker für sich agieren und morden lässt?

Religiöse Intoleranz, auch wenn sie von aufgeklärten Atheisten und liberalen Demokraten kommt, stellt Minderheiten in eine Ecke, isoliert sie, grenzt sie aus, statt sie positiv in die neuzeitliche Gesellschaft zu integrieren. Das trifft die große Minderheit in Frankreich, Millionen Moslems, die seit kolonialer Zeit und dem Algerien-Krieg in der französischen Republik Zuflucht fanden, aber auch die wesentlich kleinere Minderheitdie Juden, die einen makropolitischen Konflikt des Staates Israel mit der arabischen-moslemischen Welt, den sie nicht zu vertreten haben, oft individuell, auf eigener Haut austragen müssen.

Statt sich den eigentlichen Ursachen der religiösen und sozialen Konflikte zwischen den Religionsgemeinschaften und Völkern zuzuwenden, konzentriert sich der Blick der verblendeten Politik – flankiert von ihren oberflächlichen Helfern aus den Medien – auf das primitive Werkzeug, auf den Terroristen, den man als Individuum und in der Gruppe bekämpfen will.

Doch Selbstmordattentäter sind – wie die traurige Bilanz auf globaler Ebene leider deutlich macht – substituierbar. Ein Gotteskrieger ersetzt den anderen.
Aus dem – schon überwunden geglaubten - Kulturkampf des 19. Jahrhunderts ist heute wieder ein Weltanschauungskrieg, ein Kampf der Religionen geworden!
Der Widerhall in der in der moslemisch-arabischen Welt[2] wird, beginnend mit der selbstbewussten, nach Vormacht strebenden Türkei, nicht lange ausbleiben.
Innenpolitisch radikalisieren sich die Massen Frankreich, unheilvoll nach rechts abdriftend.
Wenn wundert es noch, wenn sich die Juden im heutigen Frankreich nicht mehr sicher und heimisch fühlen, wenn sie in großer Zahl Europa verlassen und nach Israel, in das Land der Väter, auswandern!?


[1] Der gut gemeinte, aber an sich deplatzierte Satz „Je suis Charlie“, von Individuen aller Art teils bewusst, teils unreflektiert mitgetragen und weiter transportiert, fordert zum Widerspruch, zur direkten Negation geradezu heraus. Was mir spontan einschoss, empfanden viele kritische Köpfe ebenso und artikulierten sich spontan im Internet.

[2] Es war zu erwarten: Der türkische Ministerpräsident reagierte inzwischen scharf und negierte die Freiheit, andere zu beleidigen, ebenso distanzierte sich das nicht direkt betroffene Russland von der Kampagne „Je suis Charlie“ auf entschiedene Weise.

Kanzlerin Angela Merkel, die den -von dem damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff in die Welt gesetzten, kontrovers diskutierten Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ schon aus Integrationsgründen bewusst wiederholt hat, wird jetzt innenpolitisch eine kluge Balance finden müssen, die den religiösen Frieden in Deutschland wart, der versöhnt, statt zu spalten, ohne Muslime gegen Christen aufzubringen,




Auszug aus: Carl Gibson, 
Zeitkritik

ISBN: 978-3-00-048502-2


Carl Gibson


Vom Logos zum Mythos !?Die Herta Müller-Maskerade im Brenn-SPIEGEL der ZEIT-Kritik 









Werke von Carl Gibson: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)




Soeben erschienen:

Carl Gibson: 

Plagiat als Methode - Herta Müllers „konkreative“ Carl Gibson-Rezeption


Wo beginnt das literarische Plagiat? Zur Instrumentalisierung des Dissidenten-Testimoniums „Symphonie der Freiheit“ – 

Selbst-Apologie mit kritischen Argumenten, Daten und Fakten zur Kommunismus-Aufarbeitung 

sowie mit  kommentierten Securitate-Dokumenten zum politischen Widerstand in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur.


Rezeption - Inspiration - Plagiat!?






Herausgegeben vom Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim. Seit dem 18. Juli auf dem Buchmarkt.
399 Seiten.


Publikationen des
Instituts zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa,

Copyright © Carl Gibson 2020
 

 

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