Leseprobe aus: Carl
Gibson, Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie und
Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu
Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.
2. Einsamkeit und Gesellschaftskritik im Werk der Französischen Moralisten[1] La Rochefoucauld, Vauvenargues und Chamfort
„La Bruyére war ein großer Maler und
vielleicht kein großer Philosoph, der Herzog von La Rochefoucauld war Philosoph, aber kein Maler.“[2]
Vauvenargues, Nachgelassene Maximen
Luc
de Clapiers, Marquis de Vauvenargues,
1715 in Aix-en-Provence geboren, lebte viele Jahre einsam. Er starb im Alter von nur zweiunddreißig Jahren in Paris, endgültig vereinsamt, ungeachtet der
späten Anerkennung durch Voltaire, von der
Gesellschaft vergessen und stark unterschätzt in Armut. Ein tragisches
Schicksal unter vielen? Wer nicht laut genug aufschreit, wer sich nicht
vermarkten will oder kann, der geht unter, damals wie heute, egal ob Geist oder
Künstler. Ihm bleibt nur der Nachruhm. Im Gegensatz zum Einsamkeit-Verständnis
des hohen Aristokraten und veritablen Herzogs La Rochefoucauld,
der dem Trubel und den Allüren des modischen Lebens nur gelegentlich entfloh, der sich aus der höfischen Gesellschaft
zurückzog, wenn er sie satt hatte, wenn ihn Überdruss überkam, um sich dann
auf einem bequemen Landsitz in
Abgeschiedenheit von Strapazen des Repräsentieren-Müssens zu erholen, um
psychisch-geistig zu regenerieren, damit er sich dann mit neuer Kraft den
geistig-schriftstellerischen Tätigkeiten widmen konnte, war die Einsamkeit des
bescheidenen Marquis von Vauvenargues gelebte
Einsamkeit. Entbehrende Kommunikationslosigkeit in unfreiwilliger Isolation
war bei ihm die Regel, nicht die Ausnahme. Einsamkeit – das war ein an sich
unerquicklicher Dauerzustand im Leiden.
2.1. Rekreation im Refugium – die bücherlesende Einsamkeit des Herzogs La Rochefoucauld
« Mélancolie. – Signe de distinction du cœur et
d’élévation de l’esprit. «
Gustave Flaubert
Eher vergnügt als
traurig, ja, fast so wie der Dichter der Medici Poliziano zur Zeit der Renaissance, schreibt La Rochefoucauld (1613 – 1680)
von einem mondenen Landsitz aus an eine Freundin: „Hier bin ich ganz alleine, meine Gute...Ich habe gute Bücher, vor
allem die Provinciales von Pascal und Montaigne: was brauche ich mehr, wenn ich Dich
nicht habe?“[3]
Der Herzog richtet sich behaglich ein in seiner Einsamkeit und fühlt sich wohl
darin wie Montaigne in seinem Turm oder der Fisch im Wasser – in
seinem Wesenselement. La Rochefoucauld folgt dem verehrten
Vorbild, indem er sich freiwillig in ruhiges Fahrwasser, in die Stille der
Abgeschiedenheit und somit in die Sphären von Muße und Kontemplation
zurückzieht. Wie einst Marc Aurel leidet er nicht unter dem Alleinsein – nein, ganz im Gegenteil er genießt es sogar, weil es ihn zum Selbst führt, ihn in die
Eigentlichkeit versetzt und auch schöpferisch wirkt. Wie lange vor ihm Cicero oder Petrarca steht auch La
Rochefoucauld im geistigen Dialog mit den
literarisch-philosophischen Autoritäten der jüngsten Vergangenheit und
Gegenwart – mit einem anderen Einsamen, mit Pascal (1623–1663),
dem Autor der „Les Pensées“ und eben
mit dem freien Essayisten Michel de Montaigne (1533- 1592), in dessen anregendes,
vielschichtiges Denker-Werk auch die Erfahrungen nach der fast zehnjährigen
Zeit im Turm einfließen.
2.2. Einsamkeit – Katharsis, Chance und Gefahr
„Nur
das dauert, was in der Einsamkeit konzipiert wurde, im Angesicht Gottes, ob man es glaubt oder nicht.“
E.M. Cioran, Vom Nachteil,
geboren zu sein.
Luc de Clapiers, Marquis de
Vauvenargueshingegen,
der aus gesellschaftlichen Gründen, bedingt durch chronische Armut, in der
Ausgrenzung leben muss, sieht das Leben in Einsamkeit weitaus extremer.
Deutlicher als dem
wohlsituierten, weitestgehend sorglos existierenden La Rochefoucauld wird dem verarmten Aristokraten aus der
Provence die Gefahr der permanent drohenden Vereinsamung bewusst. In einer
seiner Maximen reflektiert er sein
Erleben der Einsamkeit mit den drastischen Worten: „Einsamkeit ist für den Geist, was Fasten für den Körper, tödlich wenn
sie zu lange dauert, und doch notwendig.“[4]
Einsamkeit bedeutet
demnach Katharsis – Reinigung des
Geistes von störenden Faktoren und falschen Gedanken. An anderer Stelle fügt er
hinzu: „Einsamkeit ist eine große Gefahr
für die Keuschheit.“[5]
Die Janusköpfigkeit der
Situation ist ausgemacht. Ein Leben in Einsamkeit bedeutet selbst für den
disziplinierten Charakter, der Affekte und Denken beherrscht, stets Gefahr. In
einer exponierten Lage - und wahre Einsamkeit darf als Grenzsituation gelten-
ist das Überhandnehmen der Gefühle genauso gut möglich wie die Verirrung der
Gedanken, wobei labilere Charaktere wie Rousseau weitaus zerbrechlicher sind als in sich
ruhende Geister wie Montaigne.
2.3. Chamfort - „Vom Geschmack am einsamen Leben und der Würde des Charakters“ - „Man ist in der Einsamkeit glücklicher als in der Welt.“
« Il y a une mélancolie qui tient à la grandeur de
l’esprit. »
Chamfort.
Nicolas
Chamfort, 1741 geboren,
1794 in den Wirren der Französischen Revolution ums Leben gekommen, widmet dem
gleichen Thema in seinen Maximen ein
ganzes Kapitel unter der Überschrift: „Vom
Geschmack am einsamen Leben und der Würde des Charakters“.
Eine intensive
Beschäftigung mit dem teilweise anachoretischen Lebensmodell Jean-Jacques Rousseaus ist dabei unverkennbar. Klarsichtig empathisch
notiert Chamfort: „Über J.
J. Rousseaus Hang
zur Einsamkeit darf man sich nicht wundern. Solche Seelen müssen sich allein finden und einsam leben
wie der Adler; aber wie er finden sie in der Höhe ihres Flugs und der Weite des
Blicks den Reiz der Einsamkeit.“[6]
Hier artikuliert sich ein
Mitfühlender, der die Materie aus eigener Erfahrung kennt und alle ihre
Implikationen auch denkerisch erfasst hat. Ihm ist bewusst, dass ein Leben in
stiller Zurückgezogenheit, in Kontemplation und schöpferischer Kreation sehr
verlockend sein kann und jene Glückseligkeit in sich birgt, die aus dem
entstehenden Denk- oder Kunstwerk emaniert. Fast schon zynisch-misanthropisch
fügt Chamfort seine Würdigung erhärtend an anderer Stelle
hinzu: „Man ist in der Einsamkeit glücklicher als in der Welt. Kommt es
nicht daher, dass man in der Einsamkeit an die Dinge denkt, in der Gesellschaft
aber an die Menschen denken muß?“[7]
Während die Einsamkeit als ein Medium zum wahren, zum
vollständigen Philosophieren gesehen wird, erscheint ein konventionelles
Leben nach den Spielregeln der Gesellschaft als eine Art Ablenkung von der
Wahrheitsfindung, als eine Ausbremsung des strengen Denkprozesses. Einsamkeit
bedeutet also Freiheit des Subjekts und Emanzipation von den Vereinnahmungen
durch das soziale Umfeld.
Chamfort war einer der heftigsten Kritiker der
gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit und, im krassen Gegensatz zu dem
konservativen Rivarol,
ein enthusiastischer und glühender Befürworter der Französischen Revolution.
Aus seinem Bekenntnis zur Einsamkeit
kann deshalb auch eine doppelte Enttäuschung herausgelesen werden – die durch
den Menschen und die durch die Gesellschaft. Chamfort war jedoch kein Außenseiter, der aus dem
Verborgenen heraus agierte wie etwa der - heute fast schon vergessene -
„französische Moralist“ Vauvenargues,
ganz im Gegenteil: Er war als Schriftsteller erfolgreich, ein einflussreiches
Akademiemitglied und außerdem ein profunder Kenner der aristokratischen
Schicht. Kurz – Chamfort war etabliert – und seine Worte und
Einschätzungen hatten Gewicht.
2.4. Abkehr von der Gesellschaft, melancholische Heimsuchungen, Vereinsamung und Menschenhass
Nach einigen Rückschlägen
im persönlichen Bereich durchlebte Chamfort längere Phasen
der Schwermut, melancholische Heimsuchungen, die ihn mehr und mehr der
Gesellschaft entzogen. Die traditionelle Welt der Aristokratie wurde ihm bald
ebenso fremd wie die neuen politischen Verhältnisse nach den Umwälzungen der
großen Revolution. Konsequenterweise zog sich Chamfort gezielt zurück, wie viele Melancholiker durch
die Jahrhunderte auch, zunehmend zur Misanthropie
neigend.
In einem seiner „Moralischen Gedanken“ greift er erneut
das für ihn in der Spätzeit immer wichtiger werdende Thema Einsamkeit auf und stellt die anthropologische Grundhaltung in den
eigenen biographischen Kontext: „Als ich
jung war und mich von der Gewalt der Leidenschaften in die Welt ziehen ließ, um
in der Gesellschaft und ihren Freuden Zerstreuung von grausamen Seelenqualen zu
finden, predigte man mir Liebe zur
Einsamkeit, zur Arbeit und quälte mich bis zur Ermüdung mit pedantischen
Redensarten über dieses Thema. Vierzig
Jahre alt, frei von den Leidenschaften, welche die Gesellschaft erträglich
machen, nur noch deren Elend und Nichtigkeit betrachtend, bedarf ich auch nicht
mehr der Welt, um Qualen zu übertäuben, die ich nicht mehr fühle. Mein Gefallen an der Einsamkeit und an der
Arbeit ist sehr groß geworden und hat alles Übrige aufgesaugt. Ich gehe nicht mehr in die Gesellschaft. Und
jetzt quält man mich unaufhörlich, zurückzukehren. Man beschuldigt mich des Menschenhasses usw. Was soll man aus
diesem wunderlichen Widerspruch schließen? Dass die Menschen das Bedürfnis
haben, alles zu tadeln.“[8]
Die Existenz in Einsamkeit ist kein Mittel, um natürliche
Leidenschaften zu hemmen, Triebe abzutöten oder Gefühle einzuschränken, vor
allem nicht bei jungen Menschen in der Entwicklung; Das dauerhafte Verharren in
dem Extrem-Zustand ist eher ein Modus
vivendi des reiferen Menschen, der seine Emotionen bereits im Griff hat und
der auch Zustände von Trauer und bedrohlicher Schwermut zu bewältigen weiß. Die Lust an der Einsamkeit steigert sich umso mehr, je deutlicher dem
Einzelnen seine Befreiung von den Zwängen der Gesellschaft - und somit die
eigene Freiheit - bewusst wird. Mit seinen fast schon verbittert klingenden
Ausführungen nähert sich Chamfort immer eindeutiger der existenziellen Haltung
seines gesellschaftskritischen Zeitgenossen Rousseau an. Er fühlt, dass die Gesellschaft endgültig
versagt hat, die alte Ordnung ebenso wie die neue: das lange erstrebte Humanum,
idealisiert in den Werten „Liberté,
Egalité, Fraternité“ wurde im „Grand
terreur“ der Revolution erstickt.
2.5. „Ein Philosoph, ein Dichter, sind fast notwendig Menschenfeinde“ – Chamforts Rechtfertigung von Misanthropie und Melancholie.
An anderer Stelle wird
die eigene Misanthropie auf einer höheren Ebene gerechtfertigt. Zynisch
vermerkt Chamfort: „Ein Philosoph, ein Dichter, sind fast
notwendig Menschenfeinde. Erstens,
weil ihr Geschmack und ihr Talent sie zum Studium der menschlichen Gesellschaft
veranlassen, eine Beschäftigung, die fast immer das Herz angreift. Zweitens,
weil ihr Talent fast nie von der Gesellschaft belohnt und nur im besten Fall
nicht bestraft wird, und das steigert noch ihre Melancholie.“[9]
Ist die Schwermut also auch
ein Produkt vielfacher Enttäuschung durch
die Gesellschaft? Manch einer aus der großen Familie der Melancholiker empfand
dies so. Oft ist die Enttäuschung des
nicht verstandenen, schöpferischen Individuums durch sein soziales Umfeld
nur ein katalysierender Faktor, ein Auslöser, der sowohl den Rückzug in die
Einsamkeit als auch das Aufkommen von Melancholie begünstigt. Die Frage nach der Bedeutung des
Einsamkeit- und Melancholie-Erlebens für die Gruppe der französischen
Moralisten lässt sich nicht eindeutig beantworten. Je mehr Texte man
einbezieht, in welchen der Phänomen-Komplex unmittelbar erörtert wird, desto
deutlicher wird: Die Lebensform
Einsamkeit wird ihre positive Wertigkeit behalten, obwohl sie nicht mehr
die überragende Stellung einnimmt, die sie einst bei den Vorbildern innehatte.
Bei La Rochefoucauld,
von Nietzsche zum
Meister der psychologischen Sentenz
apostrophiert, wird die Melancholie-Diskussion über existenzielle Begleitphänomene weitergeführt, speziell über die
Thematisierung der „Langeweile“. Bei
Vauvenargues kommt noch das Phänomen der „Verzweiflung“ dazu. Trotzdem bleibt die
Einsamkeit für Vauvenargues ein ambivalenter Zustand, dessen Nachteile es zu
ertragen gilt, eine Art Modus vivendi
in Unfreiwilligkeit. Anders als Montaigne, der das
zurückgezogene Leben uneingeschränkt bejaht, anders als der eremitenhaft
existierende Rousseau, der die
Weltflucht und das Leben in Abgeschiedenheit pathetisch verteidigt, ja
verherrlicht, findet weder bei Vauvenargues noch bei Chamfort diese einseitige Glorifizierung der Einsamkeit statt. Chamfort nimmt sie schließlich fatalistisch an, weil er
sie dem durch und durch uneigentlichen Sein in der Gesellschaft vorzieht. Aber
auch er huldigt ihr nicht wirklich.
[1]
Die französischen Moralisten, La Rochefoucauld, Vauvenargues, Montesquieu,
Chamfort, Rivarol, Die
Aphorismenbücher in vollständiger Gestalt, Verdeutscht und herausgegeben von
Fritz Schalk, Wiesbaden o. J.
[2]
Die französischen Moralisten, S. 142.
[3]
Zitiert nach: Wolf Lepenies: Melancholie und
Gesellschaft, Frankfurt 1969. (In einem
der Briefe Lenaus an Sophie von Löwenthal wird sich der Gedankengang des
Schreibenden aus der Einsamkeit heraus fast wörtlich wiederholen.)
[4]
Die französischen Moralisten, S. 157.
[5] Ebenda.
[6] Ebenda, S. 264.
[7] Ebenda.
[8] Ebenda, S. 271.
[9] Ebenda, S. 290.
Leseprobe aus: Carl Gibson, Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie und Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.
Deutsche Digitale Bibliothek:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/entity/111591457
Carl Gibson
Leseprobe aus: Carl Gibson, Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie und Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.
Links, Bücher von Carl Gibson in wissenschaftlichen Bibliotheken, national und international:
WordCat:
WordCat:
DNB (Deutsche Nationalbibliothek):
KIT KVK (Virtueller Katalog Karlsruhe)
Deutsche Digitale Bibliothek:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/entity/111591457
Inhalt des Buches:
Carl Gibson
Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche
Das 521 Seiten umfassende Buch ist am 20 Juli 2015 erschienen.
Carl Gibson
Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche
|
Das 521 Seiten umfassende Buch ist am 20 Juli 2015 erschienen.
Carl Gibson
Koryphäen
der
Einsamkeit und Melancholie
in
Philosophie und Dichtung
aus Antike, Renaissance und Moderne,
von Ovid und Seneca
zu Schopenhauer, Lenau und Nietzsche
Motivik
europäischer Geistesgeschichte und anthropologische
Phänomenbeschreibung – Existenzmodell „Einsamkeit“ als „conditio sine
qua non“ geistig-künstlerischen Schaffens
Mit Beiträgen zu:
Epikur,
Cicero, Augustinus, Petrarca, Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Ficino,
Pico della Mirandola, Lorenzo de’ Medici, Michelangelo, Leonardo da
Vinci, Savonarola, Robert Burton, Montaigne, Jean-Jacques Rousseau,
Chamfort, J. G. Zimmermann, Kant, Jaspers und Heidegger,
dargestellt in Aufsätzen, Interpretationen und wissenschaftlichen Essays
1. Auflage, Juli 2015
Copyright © Carl Gibson 2015
Bad Mergentheim
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 978-3-00-049939-5
Aus der Reihe:
Schriften zur Literatur, Philosophie, Geistesgeschichte
und Kritisches zum Zeitgeschehen. Bd. 2, 2015
Herausgegeben vom
Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim
Bestellungen direkt beim Autor Carl Gibson,
Email: carlgibsongermany@gmail.com
- oder regulär über den Buchhandel.
„Fliehe, mein Freund, in deine Einsamkeit!“ –
Das verkündet Friedrich Nietzsche in seinem „Zarathustra“ als einer der
Einsamsten überhaupt aus der langen Reihe illustrer Melancholiker seit
der Antike. Einsamkeit – Segen oder Fluch?
Nach Aristoteles, Thomas von Aquin und Savonarola ist das „zoon politikon“ Mensch
nicht für ein Leben in Einsamkeit bestimmt – nur Gott oder der Teufel
könnten in Einsamkeit existieren. Andere Koryphäen und Apologeten des Lebens in Abgeschiedenheit und Zurückgezogenheit werden in der Einsamkeit die Schaffensbedingung des schöpferischen Menschen schlechthin erkennen, Dichter, Maler, Komponisten, selbst Staatsmänner und Monarchen wie Friedrich der Große oder Erz-Melancholiker Ludwig II. von Bayern – Sie alle werden das einsame Leben als Form der Selbstbestimmung und Freiheit in den Himmel heben, nicht anders als seinerzeit die Renaissance-Genies Michelangelo und Leonardo da Vinci.
Alle großen Leidenschaften entstehen in der Einsamkeit, postuliert der Vordenker der Französischen Revolution, Jean-Jacques Rousseau, das Massen-Dasein genauso ablehnend wie mancher solitäre Denker in zwei Jahrtausenden, beginnend mit Vorsokratikern wie Empedokles oder Demokrit bis hin zu Martin Heidegger, der das Sein in der Uneigentlichkeit als eine dem modernen Menschen nicht angemessene Lebensform geißelt. Ovid und Seneca verfassten große Werke der Weltliteratur isoliert in der Verbannung. Petrarca lebte viele Jahre seiner Schaffenszeit einsam bei Avignon in der Provence. Selbst Montaigne verschwand für zehn Jahre in seinem Turm, um, lange nach dem stoischen Weltenlenker Mark Aurel, zum Selbst zu gelangen und aus frei gewählter Einsamkeit heraus zu wirken.
Weshalb zog es geniale Menschen in die Einsamkeit? Waren alle Genies Melancholiker? Wer ist zur Melancholie gestimmt, disponiert? Was bedingt ein Leben in Einsamkeit überhaupt? Welche
Typen bringt die Einsamkeit hervor? Was treibt uns in die neue
Einsamkeit? Weshalb leben wir heute in einer anonymen
Single-Gesellschaft? Wer entscheidet über ein leidvolles Los im unfreiwilligen Alleinsein, in Vereinsamung und Depression oder über ein erfülltes, glückliches Dasein in trauter Zweisamkeit? Das sind existenzbestimmende Fragen, die über unser alltägliches Wohl und Wehe entscheiden. Große
Geister, Dichter, Philosophen von Rang, haben darauf geantwortet –
richtungweisend für Gleichgesinnte in ähnlicher Existenzlage, aber auch
gültig für den Normalsterblichen, der in verfahrener Situation nach
Lösungen und Auswegen sucht. Dieses Buch zielt auf das Verstehen der anthropologischen Phänomene und Grunderfahrungen Einsamkeit, Vereinsamung, Melancholie und Acedia im hermeneutischen Prozess als Voraussetzung ihrer Bewältigung. Erkenntnisse einer langen Phänomen-Geschichte können so von unmittelbar Betroffenen existentiell umgesetzt werden und auch in die „Therapie“ einfließen.
Carl Gibson, Praktizierender Philosoph, Literaturwissenschaftler, Zeitkritiker, zwölf Buchveröffentlichungen. Hauptwerke: Lenau. Leben – Werk – Wirkung. Heidelberg 1989, Symphonie der Freiheit, 2008, Allein in der Revolte, 2013, Die Zeit der Chamäleons, 2014.
ISBN: 978-3-00-049939-5
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen