Je ne suis pas Charlie[1], je suis un autre!
Manipulation und Instrumentalisierung der Massen aus politischer Räson?
Oder Wie ein Akt der Solidarität mit Opfern auch missverstanden werden kann!
Es ist erstaunlich, über die Medien mit ansehen zu müssen, wie Politiker – vereint, ja aufgehend in der der Masse des Volkes - ihre Solidarität mit den Opfern des Terroranschlags von Paris kundtun, ehrlich betroffen, aber auch kalt kalkuliert in demagogischer Aktion, um dabei eine gute Figur zu machen, um vom eigenen Versagen abzulenken oder um das anderswo arg ramponierte Image wieder etwas auf zu polieren.
Dabei wissen die Berufspolitiker sehr wohl, dass die wahren Ursachen des Kultur- und Religionskampfes zwischen der aufgeklärten westliche Gesellschaft und dem Islam vielschichtig sind und wesentlich tiefer liegen.
Man lässt dem Gefühl trotzdem seinen freien Lauf, wobei der normale Bürger und Demonstrant es durchaus aufrichtig meint, wenn er bekennt:
„Je suis Charlie“!
Dass diese wahrhaftige, gut gemeinte Botschaft aber auch die Konzeption und Wirkungsweise der freigeistigen, womöglich atheistischen, polemisch- frivol im Geiste der Aufklärung agierenden Zeitschrift „Charlie Hebdo “ aktiv mit trägt, billigt und somit auch zur – vielleicht ungewollten Polarisierung ja sagt, darauf kommt der „unreflektierte“, zu oberflächlich seine Meinung vertretende Staatsbürger jedoch nicht.
Als zeitkritischer Autor, in dessen Büchern zur Politik und Geschichte der Gegenwart demaskierende, ja anklagende „Karikaturen“ veröffentlicht wurden, um die Botschaft des geschriebenen Wortes zu verstärken, fragte ich mich - auch im Gespräch mit anderen - immer wieder in differenzierter Debatte, was eine „Zeichnung“ leisten kann, was eine Karikatur darf, wo die – oft alles legitimierende - künstlerische Freiheit aufhört, wo die –in der Demokratie absolut gesetzte - Meinungsäußerung endet – und wo Hetze und Hass beginnen.
Danach sollte jeder souveräne Bürger fragen, besonders aber jener Partei Ergreifende, der sich plakativ auf eine Seite stellt und mit seiner Haltung andere ausgrenzt, auch im liberalen Frankreich!
Was nützt eine satirische, humoreske gut gemeinte Mohammed-Darstellung, wenn der Künstler Meinung und Kunst mit dem Leben bezahlt?
Der Staat der „Offenen Gesellschaft“ ist – wie auch beim Attentat von Paris deutlich wurde – nicht in der Lage, seine Künstler zu schützen.
So manchem kritischen Franzosen auf der Straße hätte ferner auffallen müssen, dass er mit seinem „Je suis Charlie“-Ausruf oder Transparent militanten Kulturkampf betreibt, dass er – unbewusst und unfreiwillig – Franzosen anderen Glaubens, ja aufrechte Muslime weltweit, ausgrenzt, stigmatisiert, in Sippenhaft nimmt.
Obwohl der Solidarität Bekundende sich mit seinem Gestus nur gegen den zynischen Terror von Verbrechern wenden will, tangiert er mit der Billigung der Verhöhnung Mohammeds die religiösen Gefühle und Überzeugungen aller Muslime, weltweit.
Darüber hätten - neben den undifferenziert mitmachenden Berufspolitikern alle Couleur und Nationalität - auch die interkulturell teils inkompetenten, teils wenig sensiblen Journalisten nachdenken und berichten können, statt, wie sonst üblich, alles über einen Kamm zu scheren, wohl wissend, wo das Lager der Guten und Gerechten ist und wo die Bösen zu finden sind.
Plakative Haltungen dieser Art in der einseitigen Auseinandersetzung mit religiösen Vorstellungen, Überzeugungen und Dogmen führten bereits in früheren Jahrhunderten zu fanatisch ausgetragenen Religionskriegen, sowohl auf dem Boden Frankreichs wie auch - in dem noch schrecklicheren Dreißigjährigen Krieg - auf dem Territorium Deutschlands.
An welchem Ende wird das Ei aufgeschlagen?
Ist Gott ein Mensch, dem nichts Menschliches fremd ist? Oder ist er als das Höchste der Wert an sich, der keine Kränkung duldet, der jede Blasphemie abstraft, indem er über Regierungen und die offizielle verkündete Fatwa– selbst erklärte Werkzeuge und Vollstrecker für sich agieren und morden lässt?
Religiöse Intoleranz, auch wenn sie von aufgeklärten Atheisten und liberalen Demokraten kommt, stellt Minderheiten in eine Ecke, isoliert sie, grenzt sie aus, statt sie positiv in die neuzeitliche Gesellschaft zu integrieren. Das trifft die große Minderheit in Frankreich, Millionen Moslems, die seit kolonialer Zeit und dem Algerien-Krieg in der französischen Republik Zuflucht fanden, aber auch die wesentlich kleinere Minderheit, die Juden, die einen makropolitischen Konflikt des Staates Israel mit der arabischen-moslemischen Welt, den sie nicht zu vertreten haben, oft individuell, auf eigener Haut austragen müssen.
Statt sich den eigentlichen Ursachen der religiösen und sozialen Konflikte zwischen den Religionsgemeinschaften und Völkern zuzuwenden, konzentriert sich der Blick der verblendeten Politik – flankiert von ihren oberflächlichen Helfern aus den Medien – auf das primitive Werkzeug, auf den Terroristen, den man als Individuum und in der Gruppe bekämpfen will.
Doch Selbstmordattentäter sind – wie die traurige Bilanz auf globaler Ebene leider deutlich macht – substituierbar. Ein Gotteskrieger ersetzt den anderen.
Aus dem – schon überwunden geglaubten - Kulturkampf des 19. Jahrhunderts ist heute wieder ein Weltanschauungskrieg, ein Kampf der Religionen geworden!
Der Widerhall in der in der moslemisch-arabischen Welt[2] wird, beginnend mit der selbstbewussten, nach Vormacht strebenden Türkei, nicht lange ausbleiben.
Innenpolitisch radikalisieren sich die Massen Frankreich, unheilvoll nach rechts abdriftend.
Wenn wundert es noch, wenn sich die Juden im heutigen Frankreich nicht mehr sicher und heimisch fühlen, wenn sie in großer Zahl Europa verlassen und nach Israel, in das Land der Väter, auswandern!?
[1] Der gut gemeinte, aber an sich deplatzierte Satz „Je suis Charlie“, von Individuen aller Art teils bewusst, teils unreflektiert mitgetragen und weiter transportiert, fordert zum Widerspruch, zur direkten Negation geradezu heraus. Was mir spontan einschoss, empfanden viele kritische Köpfe ebenso und artikulierten sich spontan im Internet.
[2] Es war zu erwarten: Der türkische Ministerpräsident reagierte inzwischen scharf und negierte die Freiheit, andere zu beleidigen, ebenso distanzierte sich das nicht direkt betroffene Russland von der Kampagne „Je suis Charlie“ auf entschiedene Weise.
Kanzlerin Angela Merkel, die den -von dem damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff in die Welt gesetzten, kontrovers diskutierten Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ schon aus Integrationsgründen bewusst wiederholt hat, wird jetzt innenpolitisch eine kluge Balance finden müssen, die den religiösen Frieden in Deutschland wart, der versöhnt, statt zu spalten, ohne Muslime gegen Christen aufzubringen,
Auszug aus: Carl Gibson,
Zeitkritik
ISBN: 978-3-00-048502-2
Carl Gibson
Vom Logos zum Mythos !?Die Herta Müller-Maskerade im Brenn-SPIEGEL der ZEIT-Kritik
Werke von Carl Gibson:
http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
Soeben erschienen:
Carl Gibson:
Plagiat als Methode - Herta Müllers „konkreative“ Carl Gibson-Rezeption
Wo beginnt das literarische Plagiat? Zur Instrumentalisierung des Dissidenten-Testimoniums „Symphonie der Freiheit“ –
Selbst-Apologie mit kritischen Argumenten, Daten und Fakten zur Kommunismus-Aufarbeitung
sowie mit kommentierten Securitate-Dokumenten zum politischen Widerstand in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur.
Rezeption - Inspiration - Plagiat!?
Herausgegeben vom Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim. Seit dem 18. Juli auf dem Buchmarkt.
399 Seiten.
Publikationen des
Instituts zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa,
Bad Mergentheim
Zur Geschichte des Kommunismus,
zu Totalitarismus
und zum Thema Menschenrechte
Aktuell in der Presse
Copyright © Carl Gibson 2014
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