Wenn ein Virus dem Leben zum Verhängnis wird - Es geht dem Menschen wie dem Vieh, so wie es stirbt, so stirbt er auch! Vom Sterben der Amseln und dem Dahinscheiden der Menschen. Tod und Vergänglichkeit in der Natur ... – ein Pandemie-Essay von Carl Gibson
Das Amselsterben- ein Schlagwort, das man etwa seit dem Jahr 2020 kennt. Es begann in Österreich, dann setzte sich das Phänomen des Dahinsterbens in der Vogelwelt in Deutschland fort.
Amseln wurden krank und verendeten in großer Zahl, auch Meisen und andere Singvögel. Sie wurden apathisch, plusterten sich auf und flohen nicht mehr, wenn ein Mensch sich näherte. Noch bevor die kranken und toten Vögel entdeckt wurden, kamen natürliche Feinde, Greifvögel, Raben, Elstern, Ratten und andere Fressfeinde und beseitigten die Vogelkadaver.
Tote Amseln - für mich, seinerzeit oft und lange in der Bad Mergentheimer Natur unterwegs, ein Alarmzeichen.
Eine Idee gänzlicher „Ausrottung“ – mit und ohne menschliches Hinzutun- setzte sich fest, eine schreckliche Vorahnung:
So, wie die Vögel sterben, wird es auch dem Menschen ergehen - ein Virus kann ihm zum Verhängnis werden.
Brahms hat diese Botschaft der Vergänglichkeit alles irdischen seins in seinen vier ernsten Gesängen in Ton gesetzt:
Es geht dem Menschen wie dem Vieh, so wie es stirbt, so stirbt er auch!
In meiner futuristischen Fiktion „Faustinus[1]“ hielt ich diese halbprophetische Befürchtung fest. Heute, in Corona-Tagen, ist die Befürchtung bereits zur tristen Realität geworden.
Wenn ich, ein von schwerer Krankheit genesender, im neu anbrechenden Jahr 2012 durch die tröstende Natur gehe, die wieder zahlreich gewordenen Amseln beobachte und die immer seltener werdenden Meisen oder andere Singvögel, auch die Spatzen, ist das Virus stets im Kopf präsent, die große Gefahr für alles Leben, und die oft unzulänglichen Handlungen der Menschen in der Krisenzeit.
Viele Menschen werden noch sterben, obwohl sie noch nicht sterben müssten, weil man ihnen, den Alten, Schwachen, Hilflosen, Ohnmächtigen, den Erkrankten, nicht immer helfen kann.
Trotzdem gibst es Zeitgenossen, die alles leugnen, den Klimawandel und das epidemische Ausbreiten neuer, gefährlicher Krankheitserreger, die alles Leben auf diesem Planeten bedrohen.
Es geht auch ohne den Menschen.
Die Natur reguliert sich selbst, wenn einiges hypertroph, krankhaft, dekadent wird – neue Arten entstehen, andere Arten verändern sich, mutieren, sterben aus.
Das ist der Gang der Dinge.
Philosophisch betrachtet ist dies ein unaufhaltbares Werden und Vergehen, ein Prozess, der dem Einzelnen melancholisch stimmt, ihn traurig macht, ihn der Verzweiflung entgegentreibt – und doch muss alles hingenommen werden im Amor fati, weil der – an sich schwache - Mensch nicht alles im Griff haben kann.
Beklagenswert: In diesen Tagen, in einer Zeit, in welcher viele ihr Leben lassen müssen, schwindet der Wert des Einzelnen. Das Einzelschicksal interessiert nicht mehr – es wird gestorben, anonym. Einer hat Glück, überlebet die Heimsuchungen der Pandemie, andere müssen scheiden wie das Vieh, weil der omnipotente Staat versagt hat, das kälteste aller Ungeheuer, das von Politikern zum Wohl und Wehe der Bürger gesteuert wird, von Figuren auf einem großen Schachbrett, von Weltenlenkern und Handlangern auf niedersten Ebenen, die auch nur Menschen sind.
Der Philosoph, nicht weniger gehemmt, apathisch, lethargisch, sieht dem Treiben zu … so, wie der Dichter, ein Lenau, traurig und doch gelassen in den Strom blickt, wo alles wogt und schwindet. Und manchmal schreibt er auch darüber, nach dem Gang durch die Natur, von lyrischen Klängen inspiriert, Brahms Klänge im Ohr und jene vielsagenden Worte aus dem Alten Testament:
Ja, es geht dem Menschen wie dem Vieh, so wie es stirbt, so stirbt er auch!
Guten Appetit!
Das Amselsterben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amsel#Mortalit%C3%A4tsursachen_und_Lebensalter
https://de.wikipedia.org/wiki/Usutu-Virus
ein Problem?
Oder schon überwunden?
Die Amsel am Wegrand - überhaupt nicht scheu.
Amsel, Männchen.
Auf der Suche nach einem Regenwurm
Fallobst lindert den Hunger - der Tisch in der Natur ist reichlich gedeckt,
denn die Menschen sind zu bequem geworden, um das Obst, Äpfel, Birnen, Pflaumen, noch aufzulesen und als gute Nahrung zu verwerten.
Gesunde Amsel, immer in Bewegung.
Sie kommt auch an meine Futterstelle, nistet in Hecken und Sträuchern, fühlt sich wohl und singt ihr Lied in vielen Variationen.
Amsel-Männchen und ein Rivale
Der Tod hat viele Gesichter - keines ist schön:
Der Tod in der Tierwelt - der Endpunkt allen Seins, ist ein Teil des Lebens.
Toter Igel
Toter Maulwurf
Eine Ratte, vergiftet?
Wer kennt dieses Tier?
Ein Gartenschläfer!
Lebend sah ich ihn noch nie!
Amselweibchen
Aus dem Nest gefallen?
Erntezeit
Mehr zu Carl Gibson, Autor, Philosoph, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/111591457
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/ Copyright: Carl Gibson 2021.
Vgl. zum gleichen Thema auch meinen Beitrag aus dem Jahr 2014:
Vergänglichkeit in der Natur - Zum Werden und Vergehen
Makaber: Reste des Opfers - Kopf einer Ringeltaube, inzwischen geistern auch enthauptete Menschen durch die Medien, die Welt wird wieder grausaumer.
Reste einer Blindschleiche
Überleben ist alles, gerade in Corona-Zeiten - Das Leben und das Sterben mit der Natur:
der traurige Monat November, der Sterbemonat, ist bald vorüber!
Poetischer Trost von Lenau und Heine
Ein guter, leider viel zu früh verstorbener Freund und ausgebildeter Schreiner erzählte mir davon: im November steigt die Zahl der anzufertigenden Särge stark an, der Schreiner hat viel zu tun, während viele Menschen sich von dieser Welt verabschieden.
Sie gehen nach erfülltem Leben, manche unfrei, nach schwerer Krankheit; andere lässt man nicht sterben, weil der Staat sie unbedingt im Leiden halten will, obwohl er kein moralisches Recht dazu hat.
Heute, in Corona-Zeiten, steigen die Todeszahlen gerade in diesem Novembertagen dramatisch an, auf über vierhundert an nur einem Tag, deutschlandweit! In anderen Staaten, vor allen in den USA, sind es weitaus mehr, die scheiden müssen, weil der überforderte Staat oft nicht mehr helfen kann.
Hoffentlich kehrt bald Ruhe ein an dieser Todesfront, verbunden mit neuer Hoffnung und einem zuversichtlichen Ausblick in den Frühling 2021.
Heine hat die Traurigkeit dieses Herbstmonats in den Eingangszeilen seines „Deutschland, ein Wintermärchen“ beklagt, als er seinerzeit aus dem französischen Exil kurz nach Deutschland heimkehrte, um die Mutter zu sehen, um einige Dinge mit dem Verleger zu regeln.
Und Lenau, der andere Heimatlose, hat dem harmonischen Dahinsterben einen Hymnus gewidmet,
Wie ins dunkle Dickicht schweben
Vöglein nach dem Frühlingstage,
Süß befriedigt, ohne Klage,
Möcht ich scheiden aus dem Leben;
und im letzten Waldlied:
Nikolaus Lenau
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.
Ist mir als hör' ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.
Mehr zu Carl Gibson, Autor, Philosoph, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/111591457
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/Copyright: Carl Gibson 2020.
Nikolaus Lenaus "Waldlieder"-Zyklus
mit Naturbildern von Carl Gibson
und Nikolaus Lenaus "Herbstgefühl":
Waldlieder
1
Am Kirchhof dort bin ich gestanden,
Wo unten still das Rätsel modert
Und auf den Grabesrosen lodert;
Es blüht die Welt in Todesbanden.
Dort lächelt auf die Gräber nieder
Mit himmlisch duldender Gebärde
Vom Kreuz das höchste Bild der Erde;
Ein Vogel drauf, sang seine Lieder.
Doch kaum daß sie geklungen hatten,
Flog scheu zum Wald zurück der Wilde;
Ich sang, wie er, ein Lied dem Bilde
Und kehrte heim in meine Schatten,
Natur! will dir ans Herz mich legen!
Verzeih, daß ich dich konnte meiden,
Daß Heilung ich gesucht für Leiden,
Die du mir gabst zum herben Segen.
In deinen Waldesfinsternissen
Hab ich von mancher tiefen Ritze,
Durch die mir leuchten deine Blitze,
Den trüglichen Verband gerissen.
2
Die Vögel fliehn geschwind
Zum Nest im Wetterhauche,
Doch schleudert sie der Wind
Weitab von ihrem Strauche.
Das Wild mit banger Hast
Ist ins Gebüsch verkrochen;
Manch grünend frischer Ast
Stürzt nieder, sturmgebrochen.
Das Heer der Wolken schweift
Mit roten Blitzesfahnen,
Aufspielend wirbelt, pfeift
Die Bande von Orkanen.
Das Bächlein, sonst so mild,
Ist außer sich geraten,
Springt auf an Bäumen wild,
Verwüstend in die Saaten.
Der Donner bricht herein,
Es kracht die Welt in Wettern,
Als wollt am Felsgestein
Der Himmel sich zerschmettern.
Der Regen braust; nun schwand
Das Tal in seiner Dichte;
Verpfählt hat er das Land
Vor meinem Augenlichte.
Doch mir im Herzensgrund
Ist Heiterkeit und Stille;
Mir wächst in solcher Stund
Und härtet sich der Wille.
3
Durch den Hain mit bangem Stoße
Die Gewitterlüfte streichen;
Tropfen sinken, schwere, große,
Auf die Blätter dieser Eichen.
An ein banges Herzensklopfen
Mahnt mich dieser Bäume Schwanken,
Mahnt mich an Gewittertropfen,
Die aus lieben Augen sanken.
Muß ein großer Schmerz in Zähren
Sich entlasten unaufhaltsam,
Stürzen ihm die großen, schweren
Tropfen plötzlich und gewaltsam.
War die Träne noch zu fassen,
Kam sie nicht hervorgebrochen,
Denn der Schmerz will sie nicht lassen,
Will sie heißer, herber kochen.
O! es waren heiße, herbe,
Die aus ihren Augen quollen;
Und ich werde, bis ich sterbe,
Sehen diese Tränen rollen.
4
Bist fremd du eingedrungen,
So fürcht Erinnerungen,
Sie stürzen auf Waldwegen
Wie Räuber dir entgegen.
Willst du im Walde weilen,
Um deine Brust zu heilen,
So muß dein Herz verstehen
Die Stimmen, die dort wehen.
In froher Kinder Kreise
Verjüngen sich die Greise,
Und Grambeladne werden
Noch einmal froh auf Erden.
Verjüngender doch wirken
In heimlichen Bezirken,
Im Schoß der Waldesnächte
Natur und ihre Mächte.
Hier quillt die träumerische,
Urjugendliche Frische,
In ahndungsvoller Hülle
Die ganze Lebensfülle.
Es rauschet wie ein Träumen
Von Lieder in den Bäumen,
Und mit den Wellen ziehen
Verhüllte Melodien.
Im Herzen wird es helle,
Und heim zum ewgen Quelle
Der Jugend darfst du sinken,
Dich frisch und selig trinken.
Sehnsüchtig zieht entgegen
Natur auf allen Wegen,
Als schöne Braut im Schleier,
Dem Geiste, ihrem Freier.
Tautropfen auf den Spitzen
Der dunklen Halme blitzen
Wie helle Liebeszähren,
Ein süß nach Ihm Begehren.
Sie schweigt in Sehnsucht lauschend,
Dann plötzlich, freudig rauschend,
Scheint selig sie zu spüren,
Daß er sie heim wird führen.
All ihre Pulse beben,
In ihm, in ihm zu leben,
Von ihm dahinzusinken,
Den Todeskuß zu trinken.
So lauscht und rauscht die Seele,
Daß Gott sich ihr vermähle,
Fühlt schon den Odem wehen,
In dem sie wird vergehen.
5
Wie Merlin
Möcht ich durch die Wälder ziehn;
Was die Stürme wehen,
Was die Donner rollen
Und die Blitze wollen,
Was die Bäume sprechen,
Wenn sie brechen,
Möcht ich wie Merlin verstehen.
Voll Gewitterlust
Wirft im Sturme hin
Sein Gewand Merlin,
Daß die Lüfte kühlen,
Blitze ihm bespülen
Seine nackte Brust.
Wurzelfäden streckt
Eiche in den Grund,
Unten saugt versteckt
Tausendfach ihr Mund
Leben aus geheimen Quellen,
Die den Stamm gen Himmel schwellen.
Flattern läßt sein Haar Merlin
In der Sturmnacht her und hin,
Und es sprühn die feurig falben
Blitze, ihm das Haupt zu salben;
Die Natur, die offenbare,
Traulich sich mit ihm verschwisternd,
Tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd
Küssen seine schwarzen Haare. – –
Das Gewitter ist vollbracht,
Stille ward die Nacht;
Heiter in die tiefsten Gründe
Ist der Himmel nach dem Streite,
Wer die Waldesruh verstünde
Wie Merlin, der Eingeweihte!
Frühlingsnacht! kein Lüftchen weht,
Nicht die schwanksten Halme nicken,
Jedes Blatt, von Mondesblicken
Wie bezaubert, stille steht.
Still die Götter zu beschleichen
Und die ewigen Gesetze,
In den Schatten hoher Eichen
Wacht der Zaubrer, einsam sinnend,
Zwischen ihre Zweige spinnend
Heimliche Gedankennetze.
Stimmen, die den andern schweigen,
Jenseits ihrer Hörbarkeiten,
Hört Merlin vorübergleiten,
Alles rauscht im vollen Reigen,
Denn die Königin der Elfen
Oder eine kluge Norn
Hält, dem Sinne nachzuhelfen,
Ihm ans Ohr ein Zauberhorn.
Rieseln hört er, springend schäumen
Lebensfluten in den Bäumen;
Vögel schlummern auf den Ästen
Nach des Tages Liebesfesten,
Doch ihr Schlaf ist auch beglückt;
Lauschend hört Merlin entzückt
Unter ihrem Brustgefieder
Träumen ihre künftgen Lieder.
Klingend strömt des Mondes Licht
Auf die Elch und Hagerose,
Und im Kelch der feinsten Moose
Tönt das ewige Gedicht.
6
Der Nachtwind hat in den Bäumen
Sein Rauschen eingestellt,
Die Vögel sitzen und träumen
Am Aste traut gesellt.
Die ferne schmächtige Quelle,
Weil alles andre ruht,
Läßt hörbar nun Welle auf Welle
Hinflüstern ihre Flut.
Und wenn die Nähe verklungen,
Dann kommen an die Reih
Die leisen Erinnerungen
Und weinen fern vorbei.
Daß alles vorübersterbe,
Ist alt und allbekannt;
Doch diese Wehmut, die herbe,
Hat niemand noch gebannt.
7
Schläfrig hangen die sonnenmüden Blätter,
Alles schweigt im Walde, nur eine Biene
Summt dort an der Blüte mit mattem Eifer;
Sie auch ließ vom sommerlichen Getöne,
Eingeschlafen vielleicht im Schoß der Blume.
Hier, noch Frühlings, rauschte die muntre Quelle;
Still versiegend ist in die Luft zergangen
All ihr frisches Geplauder, helles Schimmern.
Traurig kahlt die Stätte, wo einst ein Quell floß;
Horchen muß ich noch dem gewohnten Rauschen,
Ich vermisse den Bach, wie liebe Grüße,
Die sonst fernher kamen, nun ausgeblieben.
Alles still, einschläfernd, des dichten Mooses
Sanft nachgiebige Schwellung ist so ruhlich;
Möge hier mich holder Schlummer beschleichen,
Mir die Schlüssel zu meinen Schätzen stehlen
Und die Waffen entwenden meines Zornes,
Daß die Seele, rings nach außen vergessend,
Sich in ihre Tiefen hinein erinnre.
Preisen will ich den Schlummer, bis er leise
Naht in diesem Dunkel und mir das Auge schließt.
Schlaf, du kindlicher Gott, du Gott der Kindheit!
Du Verjünger der Welt, die, dein entbehrend,
Rasch in wenig Stunden wäre gealtert.
Wundertätiger Freund, Erlöser des Herzens!
Rings umstellt und bewacht am hellen Tage
Ist das Herz in der Brust und unzugänglich
Für die leiseren Genien des Lebens,
Denn ihm wandeln voran auf allen Wegen
Die Gedanken, bewaffnet, als Liktoren,
Schreckend und verscheuchend lieblichen Zauber.
Aber in der Stille der Nacht, des Schlummers,
Wacht die Seele heimlich und lauscht wie Hero,
Bis verborgen ihr Gott ihr naht, herüber
Schwimmend durch das wallende Meer der Träume.
Eine Flöte klang mir im Schlaf zuweilen,
Wie ein Gesang der Urwelt, Sehnsucht weckend,
Daß ich süß erschüttert erwacht' in Tränen
Und noch lange hörte den Ruf der Heimat;
Bliebe davon ein Hauch in meinen Liedern!
Schlaf, melodischer Freund, woher die Flöte?
Ist sie ein Ast des Walds, durchhaucht vom Gotte,
Hört ich im Traum des heiligen Pan Syringe?
8
Abend ists, die Wipfel wallen
Zitternd schon im Purpurscheine,
Hier im lenzergriffnen Haine
Hör ich noch die Liebe schallen.
Kosend schlüpfen durch die Äste
Muntre Vöglein, andre singen,
Rings des Frühlings Schwüre klingen,
Daß die Liebe ist das beste.
Wo die frischen Wellen fließen,
Trinken Vöglein aus der Quelle,
Keins will unerquickt zur Stelle
Seinen Tagesflug beschließen.
Wie ins dunkle Dickicht schweben
Vöglein nach dem Frühlingstage,
Süß befriedigt, ohne Klage,
Möcht ich scheiden aus dem Leben;
Einmal nur, bevor mirs nachtet,
An den Quell der Liebe sinken,
Einmal nur die Wonne trinken,
Der die Seele zugeschmachtet,
Wie vor Nacht zur Flut sich neigen
Dort des Waldes durstge Sänger;
Gern dann schlaf ich, tiefer, länger,
Als die Vöglein in den Zweigen.
9
Rings ein Verstummen, ein Entfärben;
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.
In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir, als hör ich Kunde wehen,
Daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.
Nikolaus Lenau
Herbstgefühl
Mürrisch braust der Eichenwald,Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.
Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.
An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;
Immer dichter fällt es, will
mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.
Interpretationen zur Dichtung Lenaus in meinem Werk: