Putin im Monologus longus zur Lage der Nation –
konsternierte Gesichter im Saal statt echter Begeisterung, Akklamation und stalinistischer Ovation; Zustimmung sieht anders aus!
Ein Jahr Krieg in der Ukraine – eine Bilanz von Carl Gibson[1]?
Sie sitzen da, diszipliniert, weil sie Putin und Putins System alles verdanken. Doch echte Begeisterung für das, was Putin der Nation doziert, will nicht aufkommen!
Konsternierte Gesichter, wohin man schaut im Saal. Und die suchende Kamera kann daran nichts ändern. Sie alle folgen der Rede, die keine große Rede ist, fast apathisch, innerlich aber teilnahmslos, ohne dass Zustimmung, gar echte Begeisterung aufkommen würde. Der Auftritt ist eintönig, ein „Monologus longus“ der öden Art. Selbst der Menschheitsverbrecher Stalin fand mehr Akklamation und Applaus. Da ist nichts, was überspringen und neu mobilisieren könnte. Selbst die echten Patrioten, die es in Russland durch aus noch gibt, nicht zuletzt deshalb, weil auch der Westen sich manche Schnitzer geleistet und einiges im – de facto arroganten – Umgang mit dem ideologischen Gegner falsch gemacht hat, sitzen teilnahmslos da, gelangweilt, in der Erwartung, dass die Pflichtveranstaltung, der sich keiner entziehen kann, bald ein Ende findet.
Die Herankommandierten wissen längst, was Sache ist an der Front; sie wissen wohl, dass alles gelogen ist, was rhetorisch blass und wenig überzeugend durch den Saal klingt; und das hier ein Mann, ein Selbstdarsteller[2], eine große Show abzieht, seine Show, eine schlechte Show, die die Show eine kranken Geistes ist, der sich verrannt hat von Anfang an, weil er spekulierte, der nun aber so weitermacht, wie er es vor einem Jahr mit seinem Überfall auf das Volk und das Land der Ukrainer begonnen hat, verbrecherisch, gegen das Völkerrecht, ohne jede Legitimation - und der, nach geschätzten zweihunderttausend Opfern auf russischer Seite, immer noch keine Friedensperspektive anbieten kann, eine baldige Aussicht auf Frieden zwischen den Nationen, die sich einmal Brüder nannten. Bereits nach der ersten Kriegswoche stand für die Welt fest, dass Putin, der Polit-Hasardeur, sich verspekuliert hat – und dass es, wenn er weitermachen kann, einen langen, schmutzigen Krieg gegen wird mit enormen Risiken für die NATO und die westliche Welt bis hin zu einem Einsatz von Atomwaffen.
Alle wissen, dass weitere Opfer auf das russische Volk zukommen werden, Stillstand, Niedergang; denn manche Russen hatten von den Freiheiten des – an sich als dekadent apostrophierten - Westens geleckt - und einiges davon als gut befunden, besonders das Privileg, überall hin reisen zu können auf der weiten Welt – und dort als Menschen angesehen zu werden, nicht, wie lange Zeit, nur als ideologisierte Sowjetmenschen unfrei und in obskurer Mission!
Das hat der ideologisch rückfällig gewordene KGB-Mann Putin mit DDR-Erfahrung und kommunistischer Sozialisation nun über Nacht verspielt – und bei aller Propaganda, die nicht wirkt, weil selbst der einfache Russe nicht dumm ist, nimmt man ihm seine Parolen und nicht mehr ab, noch die Ursachen, die zu diesem Krieg führten oder die machtpolitischen Zielsetzen dahinter, die subjektiv sind und nur auf Putins Konto gehen. Die neue Hegemonie und die imperialistischen Expansionsbestrebungen des russischen Diktators passen einfach nicht mehr in die Zeit!
Selbst die Gefolgsleute im Saal, die eigentlich treu sein müssten und vor allem überzeugt, glauben diesem Führer Putin nicht mehr. Sie sitzen zwar noch da, weil sie nicht anders können, weil sie der Partei, dem Pateichef und dem System alles verdanken, das, was sie im Augenblick sind, noch sind; sie hören auch die Botschaft, doch ihnen fehlt der Glaube!
Leichensäcke und Alltag schaffen Fakten – und nackte Tatsachen sind nun einmal gewichtiger als Parolen, vor allem dann, wenn sie existenzieller Natur sind – und manch einer aus der hehren Schar der noch Folgsamen die Aussicht hat, wie schon viele Generäle bisher, auf dem Schlachtfeld für diesen Führer zu fallen.
[1] Das Manuskript über die ersten 100 Tage Krieg – aus der Sicht eines deutschen Schriftstellers - liegt vor. Es muss nur noch gedruckt werden – und dann gelesen, ausgewertet, insofern die niederziehende Materie die kriegsmüden im Westen überhaupt noch interessiert.
[2] Dazu gibt es eine Reihe von Beiträgen aus meiner Feder auf diesem Blog und in Buch-Publikationen.
Übermensch Putin - eine frühe Warnung des Philosophen Carl Gibson aus dem Jahr 2012, lange vor der Krim-Annexion, die nicht gehört wurde
Putin Superstar im "Wahlkampf" -
Pose, Assoziationen, Interkulturelles, Farce
Quo vadis, Russland?
Auf in die Demokratie
oder
in eine neue Form der Diktatur?
https://carlgibsongermany.wordpress.com/2012/03/01/putin-bilder-im-russischen-wahlkampf-selbstdarstellung-und-kult/
Eine Opposition gegen den übermächtigen Präsidentschaftskandiaten Putin formt sich, doch sie ist schwach und politisch irrelevat.
Der Wahlkampf des zweifachen Präsidenten Russlands bzw. dessen Regierungschef nimmt groteske Züge an - und kann nur noch humoresk-satirisch wahrgenommen werden.
Putin macht Wahlkampf für die Russen - doch, dem Internet und einigen journalistischen Freiheiten sei es gedankt, wird einiges auch im Westen wahrgenommen, Bilder, die für sich sprechen. Interkulturelle Phänomene, Eigenheiten, Unterschiede werden dabei deutlich.
Putin - in Pose!
Bei genauerem Hinsehen kommen da einige Aspekte zusammen,
die nachdenklich machen, die verdeutlichen,
was Putin ist und was er sein möchte.
Stimmt das Image?
Was machen seine mehr oder weniger professionellen PR-Berater daraus?
Assoziationen werden geweckt - Putin "who"?
Bestimmte Putin-Bilder drängen sich immer wieder auf und prägen sich ein:
Putin - der Kämpfer!
Wer im ehemaligen Restaurant des KGB in Moskau einen Wodka trinken wollte, konnte ihn dort bewundern, den starken Mann und Leistungssportler aus Leidenschaft, als Bild an der Wand mit schwarzem Karate-Gürtel.
Putin - mit der Flinte!
Nackter Oberkörper, Gewehr mit Zielfernrohr - so gefällt er sich - wie Hollywood-Star Rambo, nur in russischer Ausprägung - immer zum Kampf bereit!?
Stalin nahm einst seine Genossen auf's Korn und drückte gelegentlich ab - wenn auch mit dem Stift, während die Diktatoren Gaddafi und Saddam Hussein angeblich manches eigenhändig erledigten.
Putin - der Großwildjäger!
Diese Pose verbindet ihn mit dem roten Diktator Nicolae Ceausescu, der auch auf Bärenjagd ging und, so wird gemunkelt, den Bär erlegte, der vorher betäubt vor die Flinte getrieben worden war.
Putin - der Taucher!
Wer nach Höherem strebt, hat einen Sinn für Tiefe. Nur waren die Amphoren aus dem Meer, die Putin zu bergen vorgab, zu blank poliert, um alle zu überzeugen.
Putin - der Gipfelstürmer!
Wer einmal mit den Gemsen Luft getrunken, der atmet nicht mehr behalglich bei den Unken.
Putin - der Bescheidene.
Auch ein Wolf wirkt manchmal wie ein treuer Schäferhund.
Putin - der Kunstfreund.
Prominenmtenmaler dürfen ihn porträtieren - in Öl und als Zar Peter der Große! Das kündet von historischem Sendungsbewußtsein!
Putin - der Grinsende.
Richtig lachen sah ich ihn noch nie - vielleicht gibt es keinen Grund herzhaft zu aufzulachen?
Putin - der Naturfreund.
Wir erinnern uns: Kanzler Helmut Kohl und der sowjetische Staatschef Michael Gorbatschow im Kaukasus am Fluss - solche Bilder beeindrucken sofort und lange Zeit.
Putin - als Angler.
Ein Menschenfischer ist auch er.
Putin - mit Pferd.
Ein Sympathieträger strahlt auf sein Umfeld aus, auch auf den Reiter.
Putin - Oligarch unter Oligarchen.
Wie viele Milliarden Putin vor der globalen Finanzkrise hatte und wie viele danach ist ( mir) nicht bekannt - aber es kursieren hohe Zahlen.
Putin - der Freund Deutschlands?
Mit Kanzlerin Angela Merkel redet er angeblich deutsch und sie mit ihm gegegentlich russisch?
Das vertieft die deutsch-russische Freundschaft und stärkt den "Dialog"!?
Putin - mit wachem Auge und offenem Ohr.
Was wäre Russland ohne seinen deutschen Berater?
Putin - der Unflätige.
wenn es um die "Feinde Russlands" geht, um Tschtschenen, Georgier, Dissidenten, Auflärer, Oppositionelle, Blogger, Journalisten, dann sind Begriffe wie "Banditen", "Terroristen" noch euphemistische Umschreibungen.
Wer des Russischen mächtig ist, hört da noch ganz andere Ausdrücke des Zornigen heraus - wahre Perlen russischer Sprache.
Auch klare Worte können Freunde schaffen - und Wähler!
Putin - der Macho!
Halbnackt mit Tieren und Waffen in der Natur - wirkt das erotisch?
Auch Frauen dürfen wählen!
Putin - der Retter der Nation!
Was Staatschef Ortega kann, kann ich auch!
Auch wenn Russland keine Bananenrepublik ist, sondern eine wiedererstarkte Supermacht.
Und jeder andere Kandidat kann das nicht.
Schließlich hat US-Präsident Roosevelt auch mehrfach kandidiert und amtiert - aufgrund einer politischen Ausnahmesituation. Die haben wir auch heute - in Russland und in Nicaragua!
Die Auswahl der Posen des vielfachen Machers vor der Kamera könnte fortgesetzt werden. Alles scheint legitim, wenn es dem Endzweck dient - der Macht-Erhaltung über eine dritte Amtszeit als Prädsident Russlands.
Selten war der Wille zur Macht einer Einzelperson so ausgeprägt wie bei Wladimir Putin.
Manches, was über die Bildschirme flimmert und durch die Presse geht,
ist nur für russische Ohren gedacht, kommt aber auch im Westen an,
ungefiltert, für Verblüffung sorgend - wie einst bei Berichten über Diktator Kim in Nordkorea.
Solange kommunistische und pseudosozialistische Dikaturen einen hermetischen Raum darstellten, hatte der Personenkult der nationalen Führer Hochkonjunktur.
Mit Gorbatschow, Glasnost und Perestoika wurde einiges anders, offener, kritischer, transparenter. Liberalismus war auf einmal opportun, im Ökonomischen und im Politischen.
Der Lüge, der Korruption wurde der Kampf angesagt - auch in Russland, sogar unter Putin!
Und nun?
Fällt Russland in alte Strukturen zurück?
Inzwischen hat der russische Kapitalismus gar den westlichen überflutet - ganiert mit allen denkbaren Dekadenzbegleiterscheinungen.
Quo vadis, Russland?
Der Westen blickt geduldig zu und schweigt.
Man kennt Putin, den Staatsmann!
Schlimmere Lösungen wären denkbar.
Putin will drastisch aufrüsten und seiner Wählerklientel aus der Armee den Sold womöglich verdoppeln.
So gewinnt man Wahlen -
tolle Bilder sind nur das schmückende Beiwerk dazu.
Russische und sowjetische Geschichte - die Staatschefs
beginnend mit Lenin,
dann Stalin, Chruschtschow, Breschnew, Andropow, Tschernenko, Gorbatschow, Jelzin, Putin.
Michael Gorbatschow,
für viele Russen ist er der Totengräber der Sowjetunion.
Boris Jelzin, der Förderer Putins.
Jelzin setzte Putin als Nachfolger ein, dafür garantierte dieser Jelzins Sippe absolte Immunität, auch eigentumsrechtliche Unantastbarkeit.
Alles ein Geben und Nehmen, auch im neuen Russland.
Ehemaliger KGB- und Staatschef Andropow
Stalin, der Diktator und Menschheitsverbrecher -
die Stalinhymne erklingt wieder und manche Statue des finsteren Diktators steht wieder am alten Ort.
Restauration des Status quo ante?
Putin machte einiges möglich, auch im Symbolischen.
Die Matroschka-Figuren, Volkskunst vom Feinsten,
bringen manches auf den Punkt -
auch die Geschichte, die kritisch aufgearbeit und nicht verdrängt werden soll.
Harren wir der Dinge und Entwicklungen, die da noch kommen werden.
Die - ach so spannende - Wahl ist schon gelaufen - wie einst bei den Kommunisten.
Nur verzichtet man im Kreml inzwischen auf die magische Unzahl,
auf die 99%!
Fotos: Carl Gibson
Putin als „ethischer“ Philosoph … als Sophist im „Größenwahn“?
Der „große Zampano“ aus dem Kreml beherrscht die „große Klaviatur“, nützt alle Tricks, um in seiner „großen Verwirrung der Welt“ zu seinem Zweck zu gelangen, selbst die Philosophie, die Ethik, man höre und staune, das Gute, um rhetorisch zu glänzen.
Ein paar Einfältige wird er vielleicht täuschen, wenn er, sich auf das Gute berufend, die eigenen „Sicherheitsinteressen Russlands“ als erstrebtes politisches Ziel seines Macht- und Kriegsspiels der zynischen Art ausgibt.
Das Gute als Mittel zum Zweck, als legitimes Mittel zur Vernichtung?
Putin befindet sich mit dieser hochgradig perversen Denkweise des Zynikers des Willens zur Macht á la Machiavelli auf einer Stufe mit dem Papst, der seinerzeit im Namen Christi und der einzig wahren Religion die Katharer als Ketzer ausrottete und die blühende Kulturlandschaft Europas schlechthin, die Provence in eine Todeswüste verwandelte.
Putin, der Hasardeur, spielt inzwischen – enthemmt und mit Lust – wie einer, der nichts mehr zu verlieren hat.
Früher, vom überheblichen Westen – durchaus nicht ethisch - gedemütigt, erniedrigt, beleidigt, genießt er nun seine „große Stunde“ uneingeschränkter Machtdemonstration und somit die eigene, selbstgeschaffene „Größe“ im Wahn, während der – an dem aktuellen Debakel - mitschuldige Westen, allen voran die politisch naive USA, erfahren muss, wohin überhebliche Arroganz der provozierenden Art letztendlich führen kann.
Vgl. auch:
Putin, der Aufwerter – auch ein Großmeister im Schach!?
Die Welt ist eine Bühne – und Putin, der psychologische Kriegs-Führer, nutzt das vorexerzierte Theater, um sein Ding zu drehen, in einer langen Folge von Aufwertungen, die ihm helfen an der Macht zu bleiben und die eigene Machtposition nach innen zu konsolidieren.
Also wird die konfrontative Außenpolitik, die die Welt gerade erleben darf, zum Mittel der Innenpolitik, also ein nützliches Instrument, starke innere Kräfte, die Putins Macht bedrohen könnten, von dem Präsidenten fern zu halten.
Politisch klug und inzwischen machtpolitisch sehr erfahren, bindet Putin diese Kräfte ein, indem er sie öffentlich würdigt, erhöht, aufwertet, namentlich das Militär und den Geheimdienst, jene tragenden Säulen, auf denen die aktuelle Macht des Präsidenten beruht.
Hinter den beiden „Größen“ wird auch noch das Volk der Russen im „territorial größten Land der Erde“ und der „großen Armee“ mit der „großen Geschichte“ erhöht, was ankommt, nachdem der Westen, besonders die Akteure aus den USA, Russland über zwei Jahrzehnte klein zu reden suchten, mit abschätzigen, erniedrigenden Kommentaren, etwa aus dem Mund des US-Präsidenten Barack Obama, der selbst kein großer Präsident war, oder einer Hillary Clinton, die kaltkriegerisch gegen die russische Politik jener Tage agierte, immer bereit, den ideologischen Gegner und deklarierten Rivalen als Supermacht herabzuwürdigen.
Mit - dem politisch naiven Außenseiter - Trump, der, selbst ohne Moral, mit dem Außermoralischen aus dem Kreml „konnte“, gut zurechtkam, der, neben vielen anderen Dingen zum Schaden der USA auch irgendwo die NATO in Frage stellte, schwächte, schien sich das Blatt zu wenden, weg von der sturen Konfrontation, hin zu einer Art Partnerschaft, den neuen Aufkömmling als Supermacht, China, im Visier.
Biden aber stellte die alten – kaltkriegerischen – Verhältnisse wieder her, die Tradition der direkten Konfrontation und den Makrokonflikt, in welchem die europäischen Staaten - und nahezu unbedeutende Länder - wie Ukraine die schwächsten Schachfiguren sind, Bauern, die man gerne opfert, wenn das „große Spiel“ dahinter gewonnen wird oder wenigstens im Remis endet.
„Homo sovieticus“ Wladimir Putin Oder Die drei Gesichter des Januskopfs
Ein moderner Januskopf hat mindestens drei Gesichter, eingesetzt wie Masken, von Situation zu Situation und in wechselnder Gefahr sich wandelnd wie die Farben eines Chamäleons.
Wer ist Putin wirklich? Wo ist sein wahres Gesicht? Ist er doch ein „Sowjetmensch“ alter Schule, groß geworden in der „glorreichen Sowjetunion“ unter der roten Fahne mit Hammer und Sichel, den Klängen der Stalin-Hymne, die sich ihm tief eingeprägt, ihn mitgeprägt hat und die er deswegen restaurierte, aber auch, weil sie als klingendes Symbol das vielen anderen Gebeugten und Geknickten wiederbrachte, was einst die „Sowjetunion“ war? Hängt er noch an der starren Ideologie des Karl Marx, eines Engels und Lenin und einer all- wie übermächtigen Einheitspartei KPDSU, an alten Strukturen der Macht, am KGB als Schwert und Schild der Partei dahinter, an dem Geheimdienst, dem er alles verdankt?
Macht Putin heute in Russland dort wirklich weiter, wo Gorbatschow, der Möchtegernreformer, der „Schwächling“, und danach Jelzin kläglich versagten?
Will Putin, gleich allen Diktatoren, deren Machterhaltung und -ausübung auf dem Militär und dem Geheimdienst beruht, mit dem Geheimdienst, auch noch die Partei zurück, gar die Ideologie der Atheisten und Materialisten, die keinen Gott kennen, aber den rollenden Rubel ehren, wenn er einen Wert hat?
Von alledem will Putin, der der Sowjetunion viel verdankt, fast alles, manches nicht. Weniger von Emotionen, dafür mehr vom Verstand bestimmt, wenn auch nicht immer von der Vernunft, will dieser selbstherrlich über die roten Teppiche im Kreml schreitende Despot, der fast schon mit dem „Übermenschen“ Nietzsches, der Nazis und Stalins kokettiert, auch kein „neuer Mensch“ werden, kein „Homo novus“ des Expressionismus, noch ein „neuer Mensch des Sozialismus“, also ein Kommunist, der mit menschlichem Antlitz auftritt und antritt, um eine neue Gesellschaft zu Formen, in welcher die Ideale der Französischen Revolution doch noch umgesetzt werden. Putin, der in diesem Punkt sehr konservativ ist, erstrebt nur ein Endziel: die Macht! Die absolute Macht!
Der Staat – das bin ich!
Um diese absolute Macht endgültig zu erringen und vor allem auf Lebenszeit zu erhalten, sind ihm alle Mittel recht, innenpolitisch, aber auch außenpolitisch, so, wie er es im „Principe“ des Machiavelli gelesen - und seit seinem Machtantritt über Jelzins Macht-Verdikt auch umgesetzt - hat, bis zum heutigen Tag!
Der Westen, der jetzt mit vollendeten Tatsachen konfrontiert wird, hat Putin kräftig dabei geholfen!
Über krasse Fehleinschätzungen und grobe Fehler am laufenden Band! Das westen machte das Phänomen Putin möglich!
Ein gereizter Bär wird ungemütlich, hebt die Pranken und schlägt zurück, mit scharfen Krallen – Fakten schaffend. Das haben wir jetzt.
Putin ist ein Spieler. Er spielt Schach, im stillen Kämmerlein vielleicht gegen gute Spieler. Er spielt auch das Spiel der Amerikaner!
Er pokert öffentlich mit undurchdringlichem Pokerface und unverzagte Mine.
Und dieser Putin beherrscht auch das Schauspiel, die Selbstinszenierung im Propaganda-Stil und das versierte Schlüpfen in gute wie böse Charaktere je nach besserer oder schlechterer Makrokonstellation.
Kumpane wie Gerhard Schröder kennen das freundliche Erscheinungsbild des Despoten, der manchmal sogar lächelt, sanft und souverän wirkt, wenn er einen Stich gemacht hat. So zeigt sich Putin lächelnd im Umgang mit anderen Antidemokraten und machtverliebten Politikern aus Ost und West, Süd und Nord, mit den Ajatollahs und mit Erdogan, mit Assad und Netanjahu und mit Trump!
Gerne lächelt er im Umgang mit Staatschefs aus Afrika und Asien, wo man, wie zu Sowjet-Zeiten, immer noch neue Freunde finden kann, nützliche Partner, denen man was bieten kann, wenn schon nicht Gold und Geld, dann doch das, was man zur Genüge hat, Waffen, tödliche Waffen.
Selbst im Umgang mit China, dem Erzrivalen bei der Erringung der Weltmacht, im Dialog mit Xi, lächelt Putin, wenn es sein muss!
Es gab Zeiten, da versuchte der Westen in einem Anflug von Großzügigkeit den schwächelnden Zaren eines entstehenden Großreichs mit ins Boot zu nehmen, ins Lager der liberalen Demokratien und Rechtssysteme, gnädig, doch nicht als Gleicher und Gleichen, sondern als Bittsteller, als Minor-Partner, und von oben herab, was misslang. Jene Tage frommer Einsicht in die Notwendigkeiten der Koexistenz sind passé; und Putin, der aus eigener Kraft – noch mehr aber über westliches Versagen in der Weltpolitik – Wiedererstarkte will nun nicht mehr. Also zeigt er in der Auseinandersetzung mit den USA, den Verbündeten und der NATO dahinter, und damit allen, die ihn mehrfach provoziert, ja gedemütigt hatten – seit München 2007, wo er überhört, nicht ernst genommen wurde[1] - sein „ernstes Gesicht“, selbstbewusst und zu allem entschlossen, selbst zum Krieg.
Der auch lächelnd ewig ernste Putin hat noch ein weiteres Gesicht, eines mit „bösem Blick“, das er primär nach innen zeigt, aber auch nach außen, und das immer dann ganz natürlich zum Vorschein kommt, wenn er von den Feinden Russlands spricht, von Banditen, von Terroristen, von Kalten Kriegern aus dem Westen, die innere Kräfte zur Opposition aufstacheln, zur Zersetzung Russlands auf die eine oder andere offene wie subversive Art.
Ein Wesenszug führte Putin, den Zögling der Sowjetunion, der sehr wohl weiß, woher er stammt, in den KGB. Über den KGB wurde er wichtig, bald auch mächtig und groß. Diese alte Struktur, der Putin entstammt, ist – leider Gottes und ungeachtet aller Popen und Patriarchen, mit denen sich der neue Führer aller Russen öffentlich umgibt – immer noch die bestimmende in Russland, angeführt von einem mächtigen Geheimdienst, der sich umbenannt hat, und einem leistungsfähigen Militär, das wieder groß und einflussreich werden will.
Auf diesen beiden Pfeilern basiert Putins Macht! Und keiner weiß das besser, als er selbst.
Wo aber bleibt das Volk, wird sich mancher gute Demokrat fragen?
Abgesehen von den schwachen oppositionell Kräften und den wenigen klugen Intellektuellen, die Putin mit „harter Hand“ bekämpft und erfolgreich in die politische Bedeutungslosigkeit abgedrängt hat, steht die Mehrheit der Russen - vom ukrainischen Boden aus bis nach Kamtschatka - hinter der Machtpolitik Putins, eben, weil das Volk der Russen – nach den schwächelnden Pazifisten Gorbatschow und Jelzin - die „harte Hand“ eines Führenden gut findet, aber auch die Rückkehr zu alter Größe und zu weltpolitischem Gewicht, was in der etwas geschrumpften Grande Nation der Franzosen und in Großbritannien, die ihr Empire einbüßten, nicht viel anders ist.
Der Westen sollte das auch wissen und den Status quo endlich richtig einschätzen.
Auch sollten USA und NATO - bei aller Entschlossenheit, die sie Polen und den Balten schulden, nicht zu viel riskieren, aufs Spiel setzen. Denn Putin ist auch ein Hasardeur, einer, der mit dem Feuer spielt und im Kriegsspiel, gleich Rasputin vielleicht, im Bund ist mit dem Teufel, der ein Feind Gottes und der göttlichen Kreatur Mensch ist!
Eine Überreaktion ist fast schon erreicht – und wenn es dazu kommt, gibt es eine autodynamische Entfesselung destruktiver Kräfte, die nur in die allgemeine Vernichtung, in die apokalyptische Katastrophe führen wird[2].
[1] Mit dem Völkerrecht auf den Lippen, reagierte Putin seinerzeit auf die Völkerrechtsverletzungen der USA im Zweiten Irak-Krieg.
[2] Dieses früher schon verfassten Essay veröffentliche ich aus aktuellem Anlass jetzt schon – in der Entwurf-Form, behalte mir aber weitere Ausdifferenzierungen und Überarbeitungen vor.
Von Putin lernen, heißt siegen lernen
Der Westen hat Putin gedemütigt.
Der Westen hat Putin provoziert und so herausgefordert.
Der Westen hat Putin unterschätzt.
Und der Westen, arrogant, überheblich und politisch naiv, hat sich im Umgang mit Putin sehr viele Fehler geleistet. Fast von Anfang an.
Der Westen, das sind primär die maßgebenden Hauptakteure auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik, namentlich die USA und mit einem markanten Abstand dahinter, Großbritannien, Frankreich und schließlich – mehr ökonomisch-finanziell als politisch – Deutschland, der außenpolitische Zwerg ohne rechten Einfluss.
Machtpolitisch noch nicht recht im Sattel und noch weit von der Konsolidierung der Macht nach innen entfernt, war der undemokratisch ins Amt katapultierte Putin, der den Niedergang der Sowjetunion unter Gorbatschow und das Chaos im neuen Russland unter Jelzin sehr hautnah erlebt hatte, noch ein Voyeur, als die USA unter Bush, Cheney und Rumsfeld im Irak krieg führten, Saddam Hussein stürzten und die Region destabilisierten, richtungweisend für den so genannten „Arabischen Frühling“, der Jahre danach umgesetzt wurde.
Ohnmächtig und ohne Mittel war Putin dazu verdammt zuzusehen, wie andere Weltpolitik machten, wie Widersacher der alten Sowjetunion und eines neuen Russlands ihre Interessen durchsetzten, während das eigene Volk und der eigene Staat leer ausgingen.
Putin wurde auf globaler Ebene als Minor-Partner behandelt und nicht ganz ernst genommen bis zu dem Tag, als der russische Staatschef auf der Sicherheitskonferenz in München in vielen Fragen Klartext redete und den heuchlerischen Westen mit dem konfrontierte, was Sache war. Die Würfel waren gefallen – und Putin hatte zur Verblüffung des selbstverliebten Westens den Fehdehandschuh in den Ring geworfen, bereit, Farbe zu bekennen und konkret politisch wie militärisch dagegenzuhalten: im Kaukasus, in Georgien, im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, schließlich – mit Macht und Konsequenz – in Syrien vollendete Tatsachen schaffend, an denen der Westen, der sich Kriegsherren leistete wie Berlusconi und Sarkozy sowie einen Präsidenten Trump, heute noch laboriert.
Putin ist heute mächtiger denn je! Und wer ihm Respekt zollt oder gar – in Würdigung der erbrachten machtpolitischen Leistungen – diesen Respekt einfordert, der wird, ungeachtet aller bisherigen Meriten für Volk und Staat, in die Wüste geschickt – wie vor Tagen der unglückliche Admiral, der von Bord gehen musste, weil er es gewagt hatte, als Soldat eine Meinung zu haben und diese auch noch öffentlich auszusprechen – und das gegen den Geist, der gerade in Berlin im Lager der Regierenden herrscht.
Was zählt wirklich: das Faktum oder blinde Loyalität und Staatsraison? Der Vize-Admiral weiß es inzwischen!
Putin kann sich bestätigt fühlen, wenn der Gegner ihn wertschätzt. Noch mehr bestätigt ihn das machtpolitisch Erreichte. Nach innen steht er gut da – mit einer wieder aufgewerteten Armee hinter ihm. Und außenpolitisch ist es der neu geschaffene Status quo, wo es Putin gelungen ist, mit der ökonomisch-politischen Expansion Chinas – vor allem in Afrika – gleichzuziehen.
Die Fehler des Westens[1], die das Phänomen Putin überhaupt erst ermöglichten:
1. Der völkerrechtswidrige[2] Zweite Irak-Krieg der USA und der willigen Partner – das war eine Einladung an Russland, aber auch an China, in diesem Punkt gleichzuziehen und – die Bestimmungen des Völkerrechts ignorierend - machtpolitisch-strategische Positionen auszubauen.
2. Die Destabilisierung Nordafrikas im sogenannten „Arabischen Frühling“, wobei – neben Großbritannien – auch Frankreich und Italien über ihre selbstsüchtigen Staatschefs Sarkozy[3] und Berlusconi[4] im Fall Libyens unrühmlich – jenseits von Ethik, Moral und Völkerrecht und die gesamte EU-Außenpolitik diskreditierend – Geschichte der negativen Art schrieben.
Putin, der, bei Gott, kein Idiot ist, sondern ein kluger, sehr versierter Machtpolitiker, musste, um dem Westen die eigene Heuchelei vor Augen zu führen und diese auch immer wieder der gesamten Weltöffentlichkeit bewusst zu machen, nur eine Frage stellen: wer hat Nordafrika destabilisiert, mit welchen Mitteln und mit welchen Folgen?
3. Die Kaukasus-Politik und der Präzedenzfall Georgien als Vorspiel zum Ukraine-Konflikt. Der Kaukasus, eine Region, in der hundert Völker leben, ist seit je her ein „Hinterhof“, eine strategische Interessensphäre der ehemaligen Sowjetunion und nunmehr Russlands, nicht anders als die Staaten auf dem gesamten amerikanischen Kontinent für die USA. Wie die USA in Chile agierte, auf Grenada, in Nicaragua, Venezuela und auf Cuba, so schaltet und waltete Russland im Kaukasus, in Tschetschenien, in Georgien und – als „Friedenstifter mit Truppen“ im kriegerischen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Ungeachtet dieser Machtkonstellation und des Status quo hat der Westen, ausgehend von einer Westorientierung Georgiens, den Beitritt dieses Kaukasus-Staates zum westeuropäischen Verteidigungsbündnis NATO ermutigt – und somit wurde eine politische Illusion ermutigt, die den Einmarsch russischer Truppen zur Folge hatte – und eine Zerstörung der unrealistischen Erwartungshaltung.
Nichtdestotrotz wiederholte sich das Modell im Fall der der politisch wie völkisch auseinanderdriftenden Ukraine, was zu der prekären Situation führte, die wir heute haben, zu einer Krise, die in einen Krieg münden kann.
Was eigentlich der Wissenschaft, aber auch der kritischen Presse Westeuropas auffallen müsste: die gravierenden politischen Fehler des Westens im Umgang mit Putins Russland werden – wie es heißt – „nicht transportiert“!
Über das eigene Versagen und über die Heuchelei dahinter spricht man nicht gern und zieht es vor, Putin zum Buhmann zu machen – und zwar auch noch auf höchst primitive weise, indem man gegen ihn hetzen lässt und Hassprediger[5] auf ihn ansetzt, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben.
[1] Von mir erörtert in dem kaum bekannten, wissenschaftlich nur spärlich rezipierten Werk zur Zeitkritik „Quo vadis, Germania“, publiziert im Januar 2016.
[2] Die Regierung Schröder hat das Problem erkannt, aber – aus Gründen der Staatsraison – trotzdem mitgewirkt.
[3] Die Franzosen leisteten sich einen Präsidenten, der, nicht ohne kriminelle Energie, angeblich 50 Millionen US-Dollar von Staatschef Gaddafi annahm, um damit den eigenen Wahlkampf zu finanzieren, um dann, Spuren der Korruption beseitigend und das eigene Versagen kaschieren wollend, den Wohltäter aus der Wüste mit militärischen Mitteln von der Macht zu entfernen.
[4] Das Schurkenstück des „Cavaliere“ in Libyen hingegen erinnert an das Vorgehen des „Duce“ im Zweiten Weltkrieg, der, um sich etwas von der Kriegsbeute zu sichern, in der Provence mit Eseln einmarschierte, angeblich, weil Panzer nicht zur Verfügung standen.
[5] Eine dieser vom System gemachten und ins zersetzende Rennen geschickten Figuren ist die Pseudo-Dissidenten mit Nobelpreis Herta Müller, eine aufgeblähte Null, die nichts ist und nichts kann als andere beschimpfen. Ich, der angeblich „eingefleischte Antikommunist“ hielt dagegen, als die seinerzeit, vor Jahren, die wilde Kampagne gegen Putin tobte, ohne rechtes Gehör zu finden.
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,
Naturfotograf, im August 2021
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2022.
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