Teichralle

Mein unbekanntes Wesen ... aus der Wasservogelwelt - und des Rätsels Lösung:

das Teichhuhn oder die Teichralle

Es war an einem eiskalten Wintertag. Alles war zusammengefroren und die zu fotografierenden Motive rar, als ich, auf dem Weg zum wilden Bachbereich, immer wieder einen Blick in jene Unterführung warf, nahe am alten, stillgelegten Bahngleis, unweit des Viadukts. Die Flugenten verzogen sich dorthin, wenn sie ihre Ruhe haben wollten, denn der Bereich, eingeschlossen von im Winter toten Schrebergärten, war unzugänglich für Wanderer oder herumstreifende Naturfotografen.

Ja, Enten waren da, scheu, von Unlust erfüllt, sich in der Kälte bewegen zu wollen. Sie zogen sich zurück, als ich hineinfotografieren wollte – und dann gewahrte ich etwas, was sich mit wegbewegte, aber keine Ente zu sein schien. Da ich schon viele Blässhühner abgelichtet hatte, in ganz unterschiedlichen Lebenslagen, während der Brutzeit beim Nestbau, beim Eierlegen, beim Brüten und bei der Aufzucht der Küken, glaubte ich die Silhouette eines dieser Wasservögel, die es in der Tauber gibt, ausmachen zu können. Doch überzeugt war ich nicht! Hatte sich ein einzelnes Blässhuhn hierher verirrt? War es im Hochwasser abgetrieben worden, etwa von der Brutstätte in Bad Mergentheim, um schließlich – in der Tauber herschwimmend - hier zu landen, in einer Nische des Brehmbachs, nachdem es auch mich aus der Kurstadt in die Stadt der Olympioniten und Fechter verschlagen hatte?

Das unbekannte Wesen entschwand; zurück blieben nur die Konturen eines enigmatischen Gesichts, das mich mental weiter beschäftigte. Später, immer dann, wenn ich in die Dunkelheit der Unterführung blickte und der Blitz aufleuchtete, schaute ich nach dem Wesen. Doch es bleib verborgen, solange, bis der Winter schied und die Natur wieder auflebte.

Eines Tages, weiter unten, im wilderen Brehmbachbereich, fiel mir etwas Gefiedertes im Uferbereich auf, verdeckt von aufgrünenden Sträuchern, ein scheuer Vogel, wie es den Anschein hatte – schwarze Federn, Gelbes und Rotes schimmerte durch! Wer treibt sich dar herum, fragte ich mich, denn das Federkleid des unbekannten Wesens aus der Kanalunterführung hatte ich noch nicht gesehen. Dann bewegte es sich – und ich versuchte, ein paar Bilder zu machen, um diese dann später in aller Ruhe auszuwerten und nach der Identität des mir unbekannten Vogels, der am Wasser lebte und fast aussah wie ein Blässhuhn, zu fahnden.

Das Internet half – es war eine Teichralle, ein Teichhuhn, das sich einen wilden Bach als Lebenswelt ausgesucht hatte. Und tatsächlich: Eines Tages, als ich im Mündungsbereich des Brehmbachs meiner Fotografiertätigkeit nachging, war es auch da, das Teichhuhn, auf der anderen Seite, vor mir sicher. Diesmal gelangen mir viele Aufnahmen ich stand still und folgte den Bewegungen des Wesens unter Büschen, so lange, bis es ins Wasser stieg und sich in die Tauber tragen ließ, meinen Blicken entschwindend.

Tage vergingen, Wochen gingen ins Land. Die Temperaturen stiegen an, datur wurde immer grüner, die Vögel sangen mit Macht und Inbrunst – da sah ich es wieder:

Am letzten Tag im April: Zufällig sah ich die Teichralle dort, wo ich sie zuerst erspäht hatte, zwischen Steg und Unterführung:

Das Wesen war wieder da, putzmunter, umtriebig streicht es in den Schrebergärten rund um den Bach herum, auf Futtersuche – es kommt fast bis vor mein Wohnzimmer und ich kann es für Sekunden von meinem Schreibtisch aus betrachten, bevor es am Bachufer verschwindet.

Ja, das Teichhuhn hat den harten, kalten Winter überlebt und erfreut nun des Daseins.