Donnerstag, 4. August 2022

Der Schornsteinfeger und der Rauchfangkehrer – österreichisches Deutsch und antiquiertes Deutsch im Banat

 

 

    Der Schornsteinfeger und der Rauchfangkehrer – österreichisches Deutsch und antiquiertes Deutsch im Banat

Prinz Eugen, der edle Ritter, befreite bald nach dem Sieg über die Türken in Belgrad auch die Festung Temeschburg, die Kapitale des Banats, die – nach dem Auszug der Türken mit Mann und Maus – zur deutschen Stadt wurde, genauer: zu einer Stadt der Habsburgermonarchie auf dem Territorium des Königreichs Ungarn, in welcher – neben ungarisch und erst viel später rumänisch – überwiegend deutsch gesprochen und geschrieben wurde.

Das gemeine Volk, namentlich die proletarische Schicht - des späten 18. Jahrhunderts und des 19. – kommunizierte in einem leicht abgewandelten „Wiener Dialekt“, den man „Temes(ch)warerisch“ nennen könnte, während das gebildete Bürgertum der deutschen Hochsprache verpflichtet war, doch durchsetzt mit „österreichischen“ Eigenheiten[1], Begriffe, Ausdrücke, Redewendungen, die man heute auf dem Gebiet Deutschlands fast nicht mehr versteht.

Jetzt, wo ich Harrer lese, fällt mir das eine oder andere Wort wieder auf, es sind zum Teil Wörter aus meiner Kindheit, die ich gute vier Jahrzehnte nicht mehr gehört habe, Ausdrücke, Begriffe, die auf die Verschiedenheit und Vielfalt des Deutschen verweisen, und die in der Schweiz, bedingt durch den Einfluss des Romanischen, noch mehr abdriften, bis hinein in das Nicht-mehr-Nachvollziehbare und Unverständliche.

Da ist etwa der „Rauchfang“, den der Deutsche Schornstein nennt. Der „Rauchfangkehrer“ – das ist der „Schornsteinfeger“!

Harrer[2] hat sich nicht „erkältet“, er hat sich „verkühlt“! Die „Verkühlung“ macht ihm zu schaffen, nicht die „Erkältung“, die nur der Deutsche kennt.

In Deutschland stechen die „Mücken“, die „Stechmücken“; in Österreich aber sind es die „Gelsen“, die Menschen plagen, während die „Mücken“ meiner Kindheit „Stubenfliegen“ waren, die durch die Küche schwirrten und bei den Tieren im Stall daheim waren.

Am „Plafond“, also an der Decke, gab es die Plagegeister auch, auf dem „Mückenpapier“ klebten sie fest. Gewaschen haben sich die Banater Schwaben man sich im „Lavor“, nicht anders als die Ahnen aus Lothringen, während es im Garten „Kren“ zu ernten gab, also den „Meerrettich“ der Deutschen; auch „Karfiol“, das ist – ins Deutsche übersetzt - „Blumenkohl“. Die beliebte Tomate hieß dort „Paradeis“, reifte im Garten und hatte noch Geschmack, fern an das Paradies erinnernd und den Dill nannte man „Kaper“, während „Kapern“ nahezu unbekannt waren.

Wer nach Deutschland umsiedelte, „auswanderte“, hatte hier so seine Probleme, etwa in der Metzgerei, wo er den „Lyoner“ im Blick hatte und nach „Pariser“ verlangte wie in Temeschburg an der Bega!

„Ich glaube, „Pariser“ kriegen Sie anderswo“, soll die nette Fleischkäuferin dem strammen Burschen geantwortet haben.

Mich fragte ein sprachlich etwas unsicherer Bekannter kurz nach der Umsiedlung: „Die Lorbeerblätter, wie nennt man die hier, in Deutschland?“

„Lorbeerblätter“, antwortete ich knapp.



[1] In meinem Erinnerungswerk schrieb ich darüber.

[2] Harrer, Sieben Jahre in Tibet.

 

 

 Vgl. auch:

 

Meerrettich am Wegrand und auf der Wiese - in Österreich heißt er "Kren"!

 

 

Mit den Fingern zerriebene Blätter duften stark nach Meerrettich - selbst die Luft dufte danach

 

 


 

 Das ist kein Meerrettich

 

 

Selbst Schnecken lieben ihn



 

Man kennt ihn hauptsächlich aus dem Supermarkt, gelegentlich als Wurzel im Gemüseregal, sonst aber im Glas, fertig zubereitet, teils mit Sahne, aber fast immer mit Konservierungsstoffen aller Art versetzt, die den späteren Genuss eintrüben.

In Österreich heißt der Meerrettich „Kren“!

 

Dort, in Wien auf dem Prater oder in Grinzing beim Heurigen, gibt es noch die „Krenwurst“, die ich in meiner Kindheit schon zu schätzen wusste, noch bevor ich die Pflanze, die in unserem Garten wuchs, richtig kannte.

 

Und aus Österreich kommt auch der kulinarische Klassiker „Tafelspitz mit Apfelkren“.

 

Als Kind schon sah ich aufmerksam zu, wie die im Herbst geernteten Wurzeln geschält, dann gerieben wurden, bis die Augen brannten.

In der Backofenröhre nahm man ihm die Schärfe und bereite ihn dann in einer Schüssel zu, süß-sauer, mit Essig, Zucker und Sahne, nicht anders als die ebenfalls geriebene Sellerie, im Dialekt „Zeller“.

 

Zeller und „Krien“ – in der Aussprache der Ortschaft Sackelhausen, unmittelbar vor der Großstadt Temeschburg gelegen - waren und sind Beilagen zu Rind, Kalb, Geflügel, in einigen Gegenden auch zu diversen Wurstsorten.

 

Nun wächst er hier auf der Wiese und wird verkannt.

 

Kaum einer kennt und erkennt dieses Gewächs, das gesund ist, und, in natürlicher Form genossen, antibakteriell wirkt und das Immunsystem stärkt.

 

 
 


Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,

Naturfotograf, im August 2021


Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/

 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.



Copyright: Carl Gibson 2022.

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