Mittwoch, 2. Februar 2022

Der antirussische Nobelpreis – von Boris Pasternak über Alexander Solschenizyn zu Herta Müller?

 

   Der antirussische Nobelpreis – von Boris Pasternak über Alexander Solschenizyn zu Herta Müller?

Auf diese „antirussische“ Tendenz des Nobelpreiskomitees aus Stockholm verwies ich bereits im Jahr 1982, kaum der kommunistischen Haftzelle entsprungen, in die Welt der Freiheit gelangt und als Bürgerrechtler sehr aktiv in dem an entlegener Stelle publizierten Beitrag „Nobelpreise – ein Form der Manipulation“.

Von Herta Müller war damals noch nicht die Rede; doch während ich vom Westen aus die Regierung des Diktators Ceausescu über die CMT und die ILO der Vereinten Nationen in Genf auf die internationale Anklagebank brachte, und das unter Lebensgefahr, wurde dort, in Rumänien, gefördert von der Einheitspartei des roten Diktators, im Jahr 1982 das antideutsche Debütbändchen „Niederungen“ der angehenden - später als Dissidentin inszenierten - Hasspredigerin gedruckt, ein zynisches Schmutz-Werk in schlechtem Deutsch, welches tatsächlich zum Skandal führen und den Namen der Autorin im negativen Sinne bekanntmachen sollte, auch in Westdeutschland, wo Müller erst im Jahr 1987 auftauchte, nachdem nahezu alle ihre deutschen Landsleute aus dem Banat und Siebenbürgen das Arbeiterparadies Ceausescus in Richtung Westen verlassen hatten.

Mit Geschichten mit Inhalten wie „Fünf deutsche Soldaten vergewaltigen eine Russin[1]“, war die von Kommunisten geförderte Müller – systemkonform - noch auf der Seite der Russen, der Sieger im Zweiten Weltkrieg und im Ostblock Stalins danach; diese Haltung änderte sich erst viel später, als die CDU der wiedervereinten Deutschen diese sonderbare Autorin von der SPD des Kulturstaatsministers Michael Naumann, der Müller in Stockholm nominierte, übernahmen und diese inzwischen zur Antikommunistin gewandelte Pseudo-Dissidentin, „gecoacht“ von der KAS der CDU, auf neue Mission schickten – gegen Russland, gegen Putin.

Was der normalen Leserschaft und dem normalen Bundesbürger kaum auffiel: das Werk „Atemschaukel“, ein großes Plagiat, das unter dem Namen Herta Müllers vermarktet wird, dessen geistig-künstlerischer Urheber aber Oskar Pastior ist, ein Siebenbürger Sachse, in Berlin mit Herta Müller bekannt geworden, ist im Grunde ein Werk mit antirussischem Sujet, denn in diesem forcierten Buch der unredlichen Art wird die Deportation[2] der Deutschen Rumäniens in die Sowjetunion literarisch behandelt.

Also passt es gut in die „antirussische Linie“, die das Nobelpreiskomitee schon seit Boris Pasternaks und Alexander Solschenizyns Zeiten durchexerziert, seinerzeit, um dem ideologischen Feind Paroli zu bieten und diesem eins auszuwischen – und neuestens, im gleichen Stil und in ähnlicher Machart, gegen das neue Russland unter Putin.

Putin hatte im Jahr 2007 bei der Sicherheitskonferenz von München seine Zähne gezeigt und seine Entschlossenheit bekundet, dem Westen, der das Völkerrecht gebrochen, ja, ad absurdum geführt hatte, entgegenzutreten.

Der Nobelpreis für Literatur - an die inszenierte Müller und an Deutschland dahinter - kam im Herbst 2009! Also hatten die kaltkriegerischen Akteure, die die Nominierung vorbereiteten sowie die - inzwischen als korrupt bekannte - Jury in Stockholm ausreichend Zeit, um ein „antirussisches“ Zeichen zu setzen, über eine zweifache Mogelpackung: einmal über eine Autorin, die als Dissidentin und kritische Antikommunistin gehandelt wurde, obwohl sie genau das Gegenteil war und ist; und ein weiteres Mal, indem ein Plagiat der Sonderklasse als Original ausgegeben und prämiert wurde, namentlich Literatur aus zweiter Hand als authentische Zeugnis eines Zeitzeugen. Das ist die Moral des Westens!

Und das alles geht, wird möglich gemacht, wenn die ideologische Ausrichtung stimmt, wenn das neue Feindbild stimmt!

Muss ich noch betonen, dass ich seinerzeit – während der Nominierungsphase – massiv und als Einziger kritisch dagegenhielt, bevor ich mundtot gemacht wurde, was bis zum heutigen Tag, im Februar 2022, anhält?



[1] In meinen Werken zur Thematik publiziert, aber auch hier, auf dem Blog, publiziert und oft angeklickt.

[2] Mein Vater, Jakob Gibson, war unter den Verschleppten und wurde zur Zwangsarbeit nach Kriwoj Rog in der Ukraine verfrachtet, wo, er – als unschuldiger Zivilist deutscher Nationalität und rumänischer Staatsbürger, quasi als Kollateralschaden der verbrecherischen Kriegs- und Außenpolitik Hitler-Deutschlands – in Sklavenarbeit Sühne leisten musste, für etwas, was er nicht zu verantworten hatte.

 

 

 

 Carl Gibson, Nobelpreise - Eine Form der Manipulation!? Carl Gibson, Essay, 1983


Nobelpreise

Eine Form der Manipulation


(Essay, 1983)

In jedem Preis, in jeder Auswahl steckt eine Portion Manipulation. Diese Behauptung – sie ist ausreichend bekannt – gilt für den Taschengeldliteraturpreis, der gelegentlich von irgendeinem Marktfleckenbürgermeister gestiftet wird, genauso wie für den Weltpreis Alfred Nobels. Jeder Preis hat seinen Wirkungskreis, seinen Einflussbereich. In Deutschland schenkt man kleineren Literaturpreisen kaum Beachtung; selbst höher dotierte Preise – der Arno-Schmidt-Preis beträgt fünfzig Tausend DM – nimmt man lediglich zur Kenntnis.
Der astronomisch hoch dotierte Nobelpreis hingegen stellt eine absolute Autorität dar. Wenn in Stockholm die Entscheidungen fallen, hält die Weltöffentlichkeit den Atem an: Die Bekanntgabe des Literatur- und des Friedensnobelpreises ist ein Ereignis von weltpolitischer Bedeutung. Ein Name kann zum Symbol werden, er kann zum Freiheitskampf auffordern, ein Name kann ein geistiges Feuer entfachen, er kann für Hass sorgen, ein einziger Name kann das Weltgeschehen direkt beeinflussen.

Bereits in den ersten Jahren der Nobelpreisverleihungen erkannten die Zuständigen die gefährliche politische Wirkung der hohen Auszeichnung. Ein Konzept, welches die Politisierung verhindern sollte, wurde ausgearbeitet. Im Geiste des Stifters einigte man sich, so international wie möglich vorzugehen. Repräsentanten verschiedenster Nationen sollten ausgezeichnet werden.
In den ersten Jahren dieses Jahrhunderts funktionierte dieses Prinzip vorzüglich. Die Franzosen stellten den ersten literarischen Nobelpreisträger: Sully-Prudhommes.

Obwohl der Verfasser des „J’accuse“, der weitaus bedeutendere Schriftsteller Emile Zola vorgeschlagen worden war, bevorzugte man Prudhommes, wissend, dass Nobel den Naturalisten nie anerkannt hat. Diese in der literarischen Welt nicht besonders freudig begrüßte Tat sollte symptomatisch für viele Entscheidungen der Zukunft werden.
Das nächste Opfer hieß Tolstoi.

Das Nobelpreiskomitee lehnte s ab, den literarischen Wert, der in dem unsterblichen Meisterwerk „Anna Karenina“ oder „Krieg und Frieden“ deutlich wird, entsprechend zu würdigen. In einer äußerst rigorosen Erklärung, die zur Beruhigung der Weltöffentlichkeit und als Rechtfertigung der Jury verfasst worden war, hieß es „Tolstoi hat alle Formen der Zivilisation verdammt und hat an ihrer Stelle eine primitive Form der Existenz, weit entfernt von allen Grundsätzen einer höheren Kultur, verherrlicht. Er hat jeder Regierung das Recht abgesprochen, mit der Strenge des Gesetzes gegen die Verbrecher vorzugehen, ja, er hat jeder Regierung sogar die Existenzberechtigung abgesprochen, um an ihrer Stelle für eine vollkommen theoretische Anarchie einzutreten. (…) Angesichts solcher Menschenfeindlichkeit und Engstirnigkeit gegenüber jeder Form der Zivilisation bleibt man zurückhaltend“.
Tolstoi erhob nie einen Anspruch auf den Weltpreis; er hat ihn vielmehr bekämpft und ihn als schädlich und unwürdig angeprangert. Die Jury einigte sich damals auf den deutschen Historiker Mommsen, der das monumentale Werk „Römische Geschichte“ verfasst hatte.

Der dritte Nobelpreis für Literatur wurde erstmals einem Skandinavier zugesprochen. Er ging an Björnstjerne Björnson aus Norwegen. Verglichen mit Ibsen und Strindberg hatte Björnson wenig geleistet. Man bevorzugte ihn mit der Feststellung, Ibsens Genie wäre ausgelaugt. Einen an Ibsen vergebenen Nobelpreis sah man als verschleudert an. Mit dem Problem Strindberg setzte man sich nicht auseinander, denn er war Nobel verhasst.
Der nächste Nobelpreis wurde auf zwei Nationen verteilt. Weder der spanische Dramatiker Echegaray noch der provenzalische Lyriker Mistral fanden eine Mehrheit, also bevorzugte man die Kompromisslösung.

1905 fiel die Wahl auf den Polen Sienkiewicz, der die Welt mit seinem „Quo vadis“ erfreut hatte. Ihm folgte ein Jahr später die erste Figur mit literarischem Wert, der Italiener Giosue Carducci. Doch dieser stand bereits auf der Todesschwelle; mit dem vielen Geld konnte er nichts anfangen. (Das Nobelpreiskomitee hat ausschließlich finanziell gesicherten Schriftstellern die hohe Summe zukommen lassen. W. B. Yates ist eine Ausnahme. Geholfen wurde mit diesem Geld nur selten.)
Mit Rudyard Kipling, dem man 1907 die hohe Auszeichnung zukommen ließ, endete die Parade der Nationen.

Der achte Nobelpreis ging an den Neu-Idealisten Rudolf Eucken und somit zum zweiten Mal an Deutschland. Zwei Jahre später, nachdem man unter dem Druck der Massen die beliebte und viel bewunderte Selma Lagerlöf ausgezeichnet hatte, vergab man den Literaturnobelpreis erneut einem Repräsentanten des Dichter- und Denkervolkes: den Münchner Dichterbaron Paul Heyse hatte man auserkoren, die Ehrung in Empfang zu nehmen. 1911 wurde der Belgier Maeterlinck prämiert.
Zum allgemeinen Ärger der Nationen folgte abermals ein Deutscher. Gerhart Hauptann wurde für seine „fruchtbare und mannigfaltige Wirksamkeit im Bereich der dramatischen Dichtung“ ausgezeichnet.

Das einstmals internationale Prinzip hatte sich zum Rotationsprinzip entwickelt. Deutschland hatte nun innerhalb von zwölf Jahren vier Literaturnobelpreise errungen.
Doch das sollte sich ändern. Der erste Weltkrieg brach aus. Versailles kam zustande. Es wurde immer unfeiner, Listen mit deutschen Namen aufzurollen. Endlich, nach siebzehnjähriger Wartezeit, schlug die Stunde von Thomas Mann. Lächerlicherweise zeichnete man ihn für die Niederschrift seines Jugendwerkes „Die Buddenbrooks“ aus, ein Werk, das er dreißig Jahre zuvor geschrieben hatte. Den „Zauberberg“ hatte man wahrscheinlich noch nicht gelesen.

In seiner Festrede sagte Thomas Mann: „Ich tue wohl daran, den Weltpreis, der mehr oder weniger zufällig auf meinen Namen lautet, meinem Lande und meinem Volke zu Füßen zu legen, diesem Lande oder Volk, mit dem meinesgleichen sich heute nur fester noch verbunden fühlt, als zur Zeit seiner klirrendsten Machtentfaltung. Dem deutschen Geist, der deutschen Prosa insbesondere gilt diese Jahr der Stockholmer Weltpreis, nach langen Jahren wieder einmal, und Sie machen sich schwer eine Vorstellung von der sensitiven Empfänglichkeit dieses verwundeten und vielfach unverstandenen Volkes für solche Zeichen der Weltsympathie“.
Vier Jahre später ergriff Hitler die Macht.

Das Annehmen der Nobelpreise wurde verboten. Auch Stockholm – Schweden war damals neutral – zitterte vor dem deutschen Verbrecher. Niemand wagte einen deutschen Kandidaten vorzuschlagen. Doch nach 1945 war die Gefahr vorbei.

Nichts bewegte sich. Siebenundzwanzig Jahre mussten vergehen, bis Heinrich Böll, ein Westdeutscher, den ersehnten Preis überreicht bekam. Nun sind abermals zehn Jahre vergangen, ohne dass ein Grund zum Hoffen besteht.
Der Nobelpreis ist nordisch; und die Nordländer kennen die Maxime vom selbsthelfen auch. Großzügig, nicht unbedingt nach den strengen Maßstäben literarischer Analyse, haben sie sich selbst aufs Podium gehoben: der Isländer  H. Laxness,  der Finne F.E. Sillanpää, die Norweger Björnson, Knut Hamsun, und Sigrid Undset sind Träger dieser hohen Auszeichnung; den Dänen K. Gjellerup, H. Pontoppidan und V. Jensen wurde sie zugesprochen, und Schweden, das Land des Stifters, fand es würdig und angemessen, sich noch öfter zu feiern. S. Lagerlöf, V. von Heidenstamm, E. A. Karlfeldt (posthum), Pär Lagerquist, Nelly Sachs, H. Matinson, und E. Johnson waren seine Vertreter.

Das ein Viertel der Weltbevölkerung darstellende, keineswegs kulturlose China kann keinen Nobelpreisträger vorzeigen.
Nicht besser erging es den arabischen und schwarzafrikanischen Staaten. Literatur scheint in diesen Gebieten, urteilt man nach der Nobelpreisliste, fremd zu sein.

Das Land Buddhas rühmt sich bescheiden mit einem Preisträger, mit Tagore.
Um das Gesicht zu wahren, sah man sich gezwungen, einige Preise an Außenseiter zu vergeben. Der Japaner Kawabata, der Australier White und der Jugoslawe Andric gehören zu dieser Gruppe. Alle anderen verblieben im traditionellen Weltkulturzentrum, in Westeuropa oder in Nordamerika. Der Literaturnation Frankreich sprach man elfmal den Nobelpreis zu; einmal – es war Sartre – wurde er nicht angenommen.

Vergeblich wird man nach Mallarmé, nach Paul Valery suchen. Sie hat man umgangen. Dafür zeichnete man Romain Rolland aus, den Verfasser des „Jean Christophe“. Es ist fraglich, ob der Platz des engagierten Pazifisten nicht auf der anderen Tabelle neben Dunant, Bertha von Suttner und Carl von Ossietzky gewesen wäre.
(Apropos Frieden: Auch in diesen Bereich hat man überzeugende Persönlichkeiten ausgezeichnet. Einer davon ist wieder Mal in aller Munde – Menachem Begin nennt er sich. Seine letzte Friedenskampagne sorgt für Harmonie im Libanon.

Nur keine Sorge…,- in fünfzig Jahren wird niemand wissen, wie viele Menschen Albert Schweizer getötet und wie viele Begin in Lambarene geheilt hat.)
Neben den bereits erwähnten Franzosen zeichnete man Anatole France, den Philosophen Bergson, Martin du Gard, André Gide, Francois Mauriac, Albert Camus sowie den Lyriker Saint-John Perse aus. Von Marin du Gard abgesehen, haben alle ihre Wert.

Nicht weniger solide ist das amerikanische Lager. – es ist ja kein Wunder, denn ausgezeichnet wurden Schriftsteller, die bereits Rang und Namen hatten. Die USA hat es seit ihrem anschwellen zur Supermacht bereits auf acht Nobelpreise gebracht.

Der erste Weltpreis ging 1930 an Sinclair Lewis, ihm folgten Eugene O’Neill, Pearl S. Buck, William Faulkner, Ernest Hemingway, John Steinbeck, Saul Bellow und J. B. Singer.
Old England schnitt etwas schlechter ab: Neben Kipling zeichnete man 1925 G. B. Shaw aus, Shaw sorgte für eine Show; zwar nahm er die nicht unbeträchtliche Summe an, stiftete aber damit eine Gesellschaft, die den englisch-schwedischen Kulturaustausch gewährleisten sollte. Vor allem wünschte er eine Übertragung der Hauptwerke Strindbergs ins Englische. Das war genau der Mann, den Nobel selbst gehasst hatte.

Dem Spaßvogel folgten der weitaus ernstere Galsworthy sowie der bereits gesellschaftlich arrangierte T.S. Eliot.
Joyce muss damals etwas unauffällig gewesen sein, denn in aller Not wich man 1950 auf den Mathematiker Russel aus. Drei Jahre später ging man sogar soweit, dass man dem Redeschwinger Churchill den Nobelpreis für Literatur überreichte.

Weitere Preise gingen an Italien. Neben der Erzählerin Grazia Deledda und dem Stückeschreiber Pirandello (beide Größen ihrer Zeit) erwies man den Carducci-Nachfahren Quasimodo und Montale die höchste Ehre. Wen diese tat zu verdanken ist, ist rätselhaft. Sie wird wohl nach der „Hören-Sagen-Prozedur“ zustande gekommen sein, denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass irgendein wertes Jurymitglied italienisch sprach und die Poesie der Dichter im Original gelesen hatte.
Wie man aus Zeugnissen ehemaliger Sekretäre der Akademie entnehmen kann, sind Fremdsprachenkenntnisse und Spezialwissen in manchen Bereichen der Literatur in Stockholm rar. Wie sollte man das Werk jenes Griechen beurteilen, wenn man seine Sprache nicht verstand und nirgendwo eine Übersetzung existierte? Also schuf man die „Hören-Sagen-Technik“, die oft dazu führte, dass vorgeschlagene Schriftsteller einfach fallen gelassen wurden. Übrigens, Gedichte der Sorte Quasimodos oder Montales kann man lediglich in romanischen Sprachen lesen. Eine schwedische Übersetzung dürfte kaum etwas mit der Quasimodo- oder Montale-Lyrik gemeinsam haben.

Noch einige Worte zur Ethik des Nobelpreiskomitees:
Sie wird vor allem vom Vorsitzenden, der manchmal zum kleinen Diktator entartet, bestimmt. Ansonsten gelten die Prinzipien des Stifters:

Kein Kandidat darf gegen die Lebensphilosophie Nobels verstoßen.

Idealismus ist die Hauptvoraussetzung.

Ist dieser Idealismus nicht deutlich erkennbar, so muss er seitens des Komitees nachgewiesen werden.

Kein Kandidat darf gegen das Literatur- und Kunstbewusstsein Nobels verstoßen.

Der Geschmack Nobels muss sich mit dem des Kandidaten decken.

Weitere wünschenswerte Voraussetzungen:

ein Nobel angeglichenes Leben führen,

eine soziale Position innehaben,

ein guter Bürger sein,

Keinesfalls unter 50 Jahre alt sein etc.

Natürlich war es schwer, sich da einzuordnen. So mancher Dichter scheiterte an der nordischen Tugend –

Zola war ein Naturalist,

Tolstoi ein Anarchist,

Gorki ein Kommunist,

Hardy war ein Pessimist, ein Fatalist,

Valery war so,

Rilke und Hofmannsthal hatten zu viel Talent,

Trakl und Kafka waren dekadent,

Joyce war etwas komplex,

Claudel ein fanatischer Katholik,

Pound ein leidenschaftlicher Faschist,

arme Literatur!

Einen Nobel hattest du nötig?

Die Russen wurden vom Nobelpreiskomitee – im Gegensatz zu den verhätschelten Amerikanern – recht stiefmütterlich behandelt. Obwohl das über Tolstoi gefällte Urteil anscheinend zu einem Gewissenskonflikt beitrug, wagte man es nicht, einen russischen Kontemporären auszuzeichnen.
Gorki war zu rot,

Majakowski war zu rot,

und Jessenin war zu rot.

Begabt waren sie auch, aber zu rot.
Auf der Suche nach einer bequemen Lösung – sie beanspruchte nur dreiunddreißig Jahre – stieß man auf die strenge Kunst des exilierten Aristokraten Bunin.

Seine Auszeichnung war gleichzeitig ein Schlag nach Moskau.
Fünfundzwanzig Jahre später, 1958, die Jahre der Konfrontation und des Kalten Krieges waren noch nicht restlos überwunden, folgte der zweite Schlag: noch nicht unter die Gürtellinie, aber wesentlich direkter. Man hatte sich in Stockholm entschieden, den Preis an den in der UdSSR lebenden Dissidenten Boris Pasternak abzugeben. Pasternak, ein in der russischen Erzählkunst beheimateter Autor und gleichzeitig ein exzellenter Lyriker hatte einen relaistisch-kritischen Roman unter dem Titel „Doktor Schiwago“ geschrieben, der in der UdSSR nicht veröffentlicht werden durfte, da er die Auseinandersetzung des Individuums mit der sozialistischen Revolution zum Thema hatte. Der Roman kam auf Umwegen in den Westen und wurde von einem kommunistischen Verlag in Italien erstmals gedruckt. In kurzer Zeit wurde er zum Bestseller.

Inwieweit die Preisvergabe, die eigentlich nicht zustande kam, da sich die Behörde der Sowjetunion querstellte, als gezielt politischer Akt gewertet werden kann, ob dieser Tat eine bewusste Provokation zugrunde lag, mag der eigenen Interpretation überlassen bleiben. Jedenfalls kann sie als solche gedeutet werden; besonders unter Berücksichtigung der Tatsache, dass weitere Preise an Solschenizyn, Sacharov (Frieden) und Milosz (Polen) gingen, genau zum Zeitpunkt politisch-sozialer Veränderungen. Anscheinend wollte man durch die Preisvergabe an Scholochow eine Versöhnung mit der Sowjetregierung herbeiführen, die in der Pasternak-Sache entstanden war. Scholochows Werk ist konformistisch.
Was bei Bunin anklang, bei Pasternak deutlicher wurde, fand 1970 mit der Preisverleihung an den bereits bekannten Dissidenten Solschenizyn – Cruschtschow hatte die Veröffentlichungseines „“Iwan Denissowitsch“ ermöglicht – seine Vollendung. Durch seine Bücher die in aller Welt mit Erfolg veröffentlicht wurden, wurden die sozialistischen Realitäten des Sowjetsystems bekannt, eine Tatsache, die die Weltöffentlichkeit gegen die Sowjetpolitik ins Feld führte. Die Kampagne diente vor allem der vom amerikanischen Kongress gestarteten Menschenrechtspolitik. Gleichzeitig baute sie den in Westeuropa zur Krankheit gewordenen Antiamerikanismus ab. Indirekt erarbeitete sich Amerika durch diese Manipulation – Solschenizyn spielte lediglich die vielleicht weniger bewusste Rolle eines Werkzeugs, eines Mittels zum Zweck – starke moralische Vorteile.
Noch in demselben Klima der ideologischen Konfrontation überreichte man 1975 dem anderen russischen Dissidenten, dem Vater der Wasserstoffbombe, für seine Verdienste in Sachen Frieden, den Friedensnobelpreis.
 
 

Der Beitrag "Nobelpreise" wurde für

 "nomen", Zeitschrift für Kultur, Nr. 2,
im Jahr 1983 geschrieben


und 1984 in der Berliner Literaturzeitschrift 
Vis-á-Vis (Laser Verlag)veröffentlicht.


Copyright: Carl Gibson

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