Als die Queen mit Ceausescu durch London kutschierte – wohlgemeinte Gesten und politische Naivität
Kann man repräsentieren und doch neutral bleiben? Ceausescu, der eitle Geck, der selbst gerne ein „Dissident“ gewesen wäre, kein Streiter für universelle Bürger- und Menschenrechte, aber wenigstens einer in der „roten Baracke“, im kommunistischen Lager, nahe an Tito und den „Blockfreien“, dafür aber ferner vom Moskau des Leonid Breschnew, hatte es sich so ausgemalt – er wollte gesehen werden[1] von der ganzen Welt und in der ganzen Welt, er, der liberale Kommunist, an der Seite der Königin des vereinten Königreichs Großbritannien – und die Queen hat mitgemacht!
Wie ein kleines Kind, das endlich sein Lieblingsspielzeug geschenkt bekommt, freute sich der Schuster aus Bukarest auf kindliche Weise, während der – nicht minder naive - Westen einen Keil in den starren Holzblock zu treiben glaubte, um so das östliche Politik- wie Militärbündnis zu sprengen! Eine Illusion, eine Selbsttäuschung!
Aus Ceausescu wurde kein bunter Schmetterling, der, zehn Jahre nach dem „Prager Frühling“ mit Panzern nun, beflügelt von der Freundlichkeit und dem wohlwollenden Entgegenkommen der Queen, einen neuen Frühling einläuten würde – ganz im Gegenteil: die stalinistische Raupe zeigte ihr hässliches Antlitz, wo ein „menschliches“ erwartet worden war: aus dem Führer der Rumänen Ceausescu wurde ein finsterer Diktator, während die fügsamen Rumänen zum Sklavenvolk mutierten, ein Modell, das sich viel später unter Putin, den man vergeblich auch ins Boot zu locken versuchte, wiederholen sollte, wobei das unterwürfige Volk der Russen den geschundenen Hungerleiden aus Rumänien folgte, ohne Aufruhr, ohne Protest, ohne Widerstand!
Auf Aussöhnung und auf Versöhnung bedacht, hat die Queen auch noch anderen Diktatoren die Hand gereicht, durchaus nicht „neutral“ – und dabei, mit einem „Herz für Afrika“, aber auch der historischen Verantwortung der Kolonialmacht heraus, mehr erreicht als die unversöhnliche, überkonsequente Margret Thatcher, die solches Tun missbilligte.
[1] Solche Täuschungsmanöver, wie man sie später im Kokettieren Trumps mit Putin erleben durfte, sind eigentlich nur billige Inszenierungen, Shows, die das Volk umnebeln und die Machthaber nach innen stärken. Mein Mistreiter bei SLOMR, Nicolae Dascalu, der nach der Ausreise aus rumänischer Haft im amerikanischen Exil angekommen, sang und klanglos von der Bildfläche verschwand, nachdem er zu mir Kontakt aufgenommen hatte – (näheres in „Symphonie der Freiheit, 2008) – hatte sich im Vorfeld der Ceausescu-Visite mit Kutschfahrt in London aufgehalten und Gespräche geführt, war aber von der „Securitate“ mit diversen Versprechungen zurück, nach Bukarest, gelockt worden, um den Staatsbesuch nicht zu gefährden.
Inzwischen, einige Tage nach dem Ableben der Monarchin, ist es der sensationslüsternen Presse der Briten aufgefallen, dass die deplatzierte Show mit dem rumänischen Diktator Ceausescu noch ein ähnliches Nachspiel hatte: auch Putin ließ sich auf die gleiche Art „aufwerten“, an der Seite der Königin in der Kutsche!
Und wieder machte die Queen, die doch immer neutral sein wollte, mit, natürlich nur, um Großbritannien zu dienen.
Vgl. auch:
„In Liz We Truss[1]“ – mit „englischem Humor“ in trister Zeit
und Zweckoptimismus selbstmotiviert in Britanniens Zukunft – a fresh start?
In der Tat – die Engländer haben ihren sprichwörtlichen Humor bewahrt – und sie gehen sie nun an, die Zukunft nach dem Brexit in eine neue Zeit, die souverän sein soll und wieder groß! Neben dem wiedererstarkten „America“ nun ein auch wieder mächtiges „Britannia“?
Illusion oder Wirklichkeit? Was ist noch realistisch, machbar, in den USA und auf der grünen Insel?
Fakt ist: Liz Truss befindet sich in der gleichen Situation wie Olaf Scholz in Deutschland – sie hat die Hinterlassenschaften des jovialen Amoralisten Boris Johnson geerbt und muss nun alles ausbaden, so, wie Kanzler Scholz das auslöffeln muss, das er – einige Zeit an der Seite der Kanzlerin – zusammen mit Merkel eingebrockt hat.
Auch Liz Truss war als Außenministerien im Kabinett Johnson mit involviert, als Steuermann Johnson die Wellen regierte, mehr schlecht als gut, mehr Hasardeur und Spieler als nach den Geboten des guten alten „common sense“, dem die Briten so vertrauten wie der Moral, die sie – als traditionell der Stoa verpflichteten Staatsleute und im Einklang mit der Haltung der Queen durch die Zeiten – sehr hoch ansetzen und auch politisch durchzusetzen suchten, bis zuletzt, an der Seite der USA und der EU in der Ukraine gegen Putins Angriffskrieg.
Liz Truss hat nunmehr verhindert, dass ein Inder Großbritannien regiert, was eine Ironie der Geschichte gewesen wäre und ein sehr später Triumph des Mahatma Gandhi, dessen Prinzip des gewaltlosen Widerstands sich somit über die mit Kriegsschiffen durchgesetzte Machtpolitik des Vereinigten Königreichs erhoben hätte.
Also darf die unscheinbare Liz Truss, nach einer Metamorphose aus der Labour-Herkunft zur strammen Konservativen, dort weiter machen, wo Boris Johnson, der schon an seiner Wiederkunft strickt, aufgehört hat.
Wunder wird es nicht geben – und man muss froh sein, wenn die Briten in dieser kritischen Zeit die Kurve kriegen und weite Teile der Bevölkerung aus der Krise kommen, ohne zu verelenden, ohne zu scheitern an Energiekosten, die der kleine Mann dort nicht mehr stemmen kann.
Die Queen, die moralische Instanz auf den britischen Inseln seit Jahrzehnten – auch in unmoralischer Zeit – ist tot. Nun blicken die Briten zu Liz Truss hoch, hoffen auf Liz, im bitteren Ernst, aber auch mit Humor – ganz im Sinne jenes Wortes, dass ein feiernder „Cockney“ aus London zu Silvester 1991 in Eastbourne zu mir sprach, dem frisch Exilierten, damals, als ich wahrhaftig nichts zu lachen hatte:
„Solange du deinen Humor behältst, ist nichts verloren!“
Das gilt nun für die ganze grüne Insel, auf der nun mein Namensvetter als „Charles III.“ endlich König geworden ist.
[1] Gesehen auf einem Transparent, das ein Witzbold in die BBC-kamera hielt. Wer sich eine US-Dollar Banknote genauer angesehen hat, konnte dort lesen: „In god we trust“ (In Gott vertrauen wir). Die Aussage wird hier parodiert.
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker, politischer Essayist,
Naturfotograf, im März 2022
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2022.
Auszug aus: Carl Gibson, Symphonie der Freiheit Widerstand gegen
die Ceauşescu-Diktatur Chronik und Testimonium einer
Menschenrechtsbewegung in autobiographischen Skizzen, Essays,
Bekenntnissen und Reflexionen, Leseprobe
In London bei Amnesty International -
Nationale Identität und Würde
Gerade die Hindus und Sikhs wirkten schwermütig und von der glühenden Sonne der Heimat abgeschnitten. Das ewig smogverhüllte London drohte ihre Laune mit einzutrüben. Obwohl dem determinierenden Kastensystem ihres Herkunftslandes entronnen und in totaler Freiheit angekommen, schien ihnen die westliche Welt fremd zu bleiben. Vielleicht weil eine Perspektive fehlte? War dies der Rest von der Glorie des Empires? Wo war die Liberty des John Stuart Mill, der Utilitarismus und das Glück der Vielen, das Jeremy Bentham einst verkündete. Hatten die Ethiker auch die vielen entwurzelten Inder und Pakistani und die vielen Afrikaner aus Brixton in seine Überlegungen mit einbezogen? Stolze Völker, aus denen hier Minderheiten geworden waren? Im Prinzip schon.
Symphonie der Freiheit
Widerstand gegen die Ceauşescu-Diktatur
in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,
in dem jüngst (Februar 2013) erschienenen zweiten Band
Copyright: Carl Gibson (Alle Rechte liegen beim Autor.)
Fotos: Monika Nickel
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen