Elegisch in den Herbst - mit Nikolaus Lenau
Das Herbst-Motiv in der und Lyrik
Nikolaus Lenaus - Herbstgefühl, Herbstlied,
Ein Herbstabend,
Herbst,
Scheiden,
Asyl
... und Waldbilder von Carl Gibson
Waldweg im Herbst
Herbstgefühl
Der Buchenwald ist herbstlich schon gerötet,
So wie ein Kranker, der sich neigt zum Sterben,
Wenn flüchtig noch sich seine Wangen färben;
Doch Rosen sind's wobei kein Lied mehr flötet.
Das Bächlein zieht und rieselt, kaum zu hören,
Das Tal hinab, und seine Wellen gleiten,
Wie durch das Sterbgemach die Freunde gleiten,
Den letzten Traum des Lebens nicht zu stören.
Ein trüber Wandrer findet hier Genossen;
Es ist Natur, der auch die Freuden schwanden,
Mit seiner ganzen Schwermut einverstanden,
Er ist in ihre Klagen eingeschlossen.
Mehr zu Carl Gibson, Autor, Philosoph, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/111591457
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/Copyright: Carl Gibson 2020.
Herbstlied
Ja, ja, ihr lauten Raben
Hoch in der kühlen Luft,
's geht wieder ans Begraben,
Ihr flattert um die Gruft!
Die Wälder sind gestorben,
Hier, dort ein leeres Nest;
Die Wiesen sind verdorben;
O kurzes Freudenfest!
Ich wandre hin und stiere
In diese trübe Ruh,
Ich bin allein und friere
Und hör euch Raben zu.
Auch mir ist Herbst, und leiser
Trag ich den Berg hinab
Mein Bündel dürre Reiser,
Die mir das Leben gab.
Einst sah ich Blüten prangen
An meinem Reiserbund,
Und schöne Lieder klangen
Im Laub, das fiel zu Grund.
Die Bürde muß ich tragen
Zum letzten Augenblick;
Den Freunden nachzuklagen,
Ist herbstliches Geschick.
Soll mit dem Rest ich geizen
Und mit dem Reisig froh
Mir meinen Winter heizen?
Ihr Raben, meint ihr so?
Erinnerungen schärfen
Mir nur des Winters Weh;
Ich möchte lieber werfen
Mein Bündel in den Schnee.
Herbstklage
Holder Lenz, du bist dahin! Nirgends, nirgends darfst du bleiben! Wo ich sah dein frohes Blühn, Braust des Herbstes langes Treiben. Wie der Wind so traurig fuhr Durch den Strauch, als ob er weine: Sterbeseufzer der Natur Schauern durch die welken Haine. Wieder ist, wie bald! wie bald! Mir ein Jahr dahingeschwunden. Fragend rauscht es aus dem Wald: „Hat dein Herz sein Glück gefunden?" Waldesrauschen, wunderbar Hast du mir das Herz getroffen! Treulich bringt ein jedes Jahr Welkes Laub und welkes Hoffen.
Der Kranich
Stoppelfeld, die Wälder leer,
Und es irrt der Wind verlassen,
Weil kein Laub zu finden mehr,
Rauschend seinen Gruß zu fassen.
Kranich scheidet von der Flur,
Von der kühlen, lebensmüden,
Freudig ruft ers, daß die Spur
Er gefunden nach dem Süden.
Mitten durch den Herbstesfrost
Schickt der Lenz aus fernen Landen
Dem Zugvogel seinen Trost,
Heimlich mit ihm einverstanden.
O wie mag dem Vogel sein,
Wenn ihm durch das Nebeldüster
Zückt ins Herz der warme Schein
Und das ferne Waldgeflüster!
Hoch im Fluge übers Meer
Stärket ihn der Duft der Auen;
O wie süß empfindet er
Ahndung, Sehnsucht und Vertrauen!
Nebel auf die Stoppeln taut;
Dürr der Wald; - ich duld es gerne,
Seit gegeben seinen Laut
Kranich, wandernd in die Ferne.
Hab ich gleich, als ich so sacht
Durch die Stoppeln hingeschritten,
Aller Sensen auch gedacht,
Die ins Leben mir geschnitten;
Hab ich gleich am dürren Strauch
Andres Welk bedauern müssen,
Als das Laub, vom Windeshauch
Aufgewirbelt mir zu Füßen:
Aber ohne Gram und Groll
Blick ich nach den Freudengrüften,
Denn das Herz im Busen scholl,
Wie der Vogel in den Lüften;
Ja, das Herz in meiner Brust
Ist dem Kranich gleich geartet,
Und ihm ist das Land bewußt,
Wo mein Frühling mich erwartet.
Scheiden
Dahin sind Blüten jetzt und Nachtigallen,
Und durch den kahlen, sangverlaßnen Strauch
Weht nun des Herbstes einsam kühler Hauch;
Mein Glück ist mit dem Laube abgefallen!
Das ist der Hain, wo ich mit dir oft weilte,
Das ist der Büsche wonnigliche Haft,
Wo uns am Flehen süßer Leidenschaft
Unfesselbar die Zeit vorübereilte.
Du wanderst fort, du willst die Welt durchmessen;
Hier ist der Pfad, so schlangenkrumm und kalt,
Der dich, Geliebter, locket mit Gewalt
Und fortfährt in die Fremde, ins Vergessen! –
Siehst du von jenem Baum den Raben fliegen?
Von seinem Fortschwung wankt und bebt der Ast
Ein Weilchen noch und kehrt zur alten Rast;
Und deine Klagen werden bald versiegen!«
Herbst
Nun ist es Herbst, die Blätter fallen,
Den Wald durchbraust des Scheidens Weh;
Den Lenz und seine Nachtigallen
Versäumt’ ich auf der wüsten See.
Der Himmel schien so mild, so helle,
Verloren ging sein warmes Licht;
Es blühte nicht die Meereswelle,
Die rohen Winde sangen nicht.
Und mir verging die Jugend traurig,
Des Frühlings Wonne blieb versäumt;
Der Herbst durchweht mich trennungschaurig,
Mein Herz dem Tod entgegenträumt.
Verloren ging sein warmes Licht;
Es blühte nicht die Meereswelle,
Die rohen Winde sangen nicht.
Und mir verging die Jugend traurig,
Des Frühlings Wonne blieb versäumt;
Der Herbst durchweht mich trennungschaurig,
Mein Herz dem Tod entgegenträumt.
Ein Herbstabend
Es weht der Wind so kühl, entlaubend rings die Äste,
Er ruft zum Wald hinein: Gut' Nacht, ihr Erdengäste!
Am Hügel strahlt der Mond, die grauen Wolken jagen
Schnell über's Thal hinaus, wo alle Wälder klagen.
Das Bächlein schleicht hinab, von abgestorbnen Hainen
Trägt es die Blätter fort mit halbersticktem Weinen.
Nie hört' ich einen Quell so leise traurig klingend,
Die Weid' am Ufer steht, die weichen Äste ringend.
Und eines todten Freunds gedenkend lausch' ich nieder
Zum Quell, der murmelt stets: wir sehen uns nicht wieder!
Horch! plötzlich in der Luft ein schnatterndes Geplauder:
Wildgänse auf der Flucht vor winterlichem Schauder.
Sie jagen hinter sich den Herbst mit raschen Flügeln,
Sie lassen scheu zurück das Sterben auf den Hügeln.
Wo sind sie? ha! wie schnell sie dort vorüberstreichen
Am hellen Mond, und jetzt unsichtbar schon entweichen:
Ihr ahnungsvoller Laut läßt sich noch immer hören,
Dem Wandrer in der Brust die Wehmuth aufzustören.
Südwärts die Vögel ziehn mit eiligem Geschwätze:
Doch auch den Süden deckt der Tod mit seinem Netze.
Natur das Gw'ge schaut in unruhvollen Träumen,
Fährt auf und will entfliehn den todverfallnen Räumen.
Der abgeriss'ne Ruf, womit Zugvögel schweben,
Ist Aufschrei wirren Traums von einem ew'gen Leben.
Ich höre sie nicht mehr, schon sind sie weit von hinnen;
Die Zweifel in der Brust den Nachtgesang beginnen:
Ist 's Erdenleben Schein? — ist es die umgekehrte
Fata Morgana nur, des Ew'gen Spielgefährte?
Warum denn aber wird dem Erdenleben bange,
Wenn es ein Schein nur ist, vor seinem Untergange?
Ist solche Bängniß nur von dem, was wird bestehen,
Ein Wiederglanz, daß auch sein Bild nicht will vergehen?
Dieß Bangen auch nur Schein? — so schwärmen die Gedanken,
Wie dort durch's öde Thal die Herbstesnebel schwanken.
Welkes Laub ... und welkes Hoffen ...
Waldeseinsamkeit am Teich
Hohe Klippen, ringsgeschlossen,
Wenig kümmerliche Föhren,
Trübe flüsternde Genossen,
Die hier keinen Vogel hören;
Nichts vom freudigen Gesange
In den schönen Frühlingszeiten;
Geiern wird es hier zu bange,
In so dunkeln Einsamkeiten.
Weiches Moos am Felsgesteine,
Schwellend scheint es zu begehren:
Komm, o Wolke, weine, weine
Mir zu die geheimen Zähren!
Winde hauchen hier so leise,
Rätselstimmen tiefer Trauer;
Hier und dort die Blumenwaise
Zittert still im Abendschauer.
Denn die rauhen Felsen sorgen,
Daß noch eine Stätte bliebe,
Wo ausweinen kann verborgen
Eine unglückliche Liebe.
Mehr über
Nikolaus Lenau
unter
Interpretationen zur Dichtung Lenaus in meinem Werk:
Carl Gibson,
Lenau. Leben - Werk - Wirkung.
Heidelberg 1989, 321 Seiten.
Dieses viel zitierte Standardwerk der Lenau-Forschung ist -
laut World Cat Identities und neben einer Studie des Freud Schülers Isidor Sadger über das Liebesleben Nikolaus Lenaus -
das weltweit am meisten verbreitete Werk
über den Spätromantiker und Klassiker der Weltliteratur Nikolaus Lenau .
Der leider viel zu früh verstorbene Germanist und Nietzsche-Forscher Prof. Dr. Theo Meyer erkannte in diesem Werk
"einen Markstein der Lenau-Forschung.
Es
ist überhaupt die prägnanteste Lenau-Monographie. es dürfte zum Besten
gehören, was über Lenau überhaupt geschrieben worden ist."
Das Werk, das mir, dem Autor bisher noch kein Einkommen generiert hat, wurde in acht Teilauflagen gedruckt.
Die Leinen-Ausgabe ist seit vielen Jahren vergriffen.
Ein
Restbestand der kartonierten Ausgabe liegt - ungeachtet anderer
Meldungen im Internetbuchhandel - noch vor und kann beim Winter Verlag,
Heidelberg bezogen werden.
Trotzdem ist eine grundlegend überarbeitete Neu-Edition dieser Monographie angesagt,
da die Werke und Briefe Lenaus inzwischen in einer historisch-kritischen Ausgabe vorliegen.
Fotos: Carl Gibson
©Carl Gibson
herrliche Gedichte
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