Dienstag, 1. Juni 2021

Zu früh in die Welt gewagt und abgetrieben - Ein gerade geschlüpftes Küken des Teichhuhns im Todeskampf gegen die Strömung in reißenden Bach; und weshalb die Mutter dabei zusehen muss, ohne helfen zu können. Auftakt zu einer absehbaren Tragödie aus dem Tierreich vor unserer Haustür

 

 

 

Zu früh in die Welt gewagt und abgetrieben - Ein gerade geschlüpftes Küken des Teichhuhns im Todeskampf gegen die Strömung in reißenden Bach; und weshalb die Mutter dabei zusehen muss, ohne helfen zu können.  Auftakt zu einer absehbaren Tragödie aus dem Tierreich vor unserer Haustür

 

 


Zu früh in die Welt gewagt und abgetrieben - Ein gerade geschlüpftes Küken des Teichhuhns im Todeskampf gegen die Strömung in reißenden Bach; und weshalb die Mutter dabei zusehen muss, ohne helfen zu können. Auftakt zu einer absehbaren Tragödie aus dem Tierreich vor unserer Haustür

In der besten aller Welten sei alles bestens bestellt, lehrten einige Philosophen. Ist das so? Ist alles wirklich gut eingerichtet auf dieser Welt im menschlichen Bereich und in der Tierwelt?

Das Los eines jungen Teichhuhns spricht dagegen. Vor Stunden geschlüpft, wagt es einen ersten Ausflug vor das Nest, entschlossen, mutig das Umfeld zu erkunden, die Lebenswelt, gerät es in den Strudel und wird mitgerissen, treibt ab, über eine Stromschnelle hinweg und kann nicht mehr zurück. Ein Elternteil, die Mutter, die drei Wochen gebrütet hat, oder der Vater des kleinen Teichhuhns, der auch immer vor Ort war und die Brut begleitete, versuchen das gegen die Strömung rudernde, strampelnde Kind mit immer verzweifelter klingen Rufen zurück zu locken; doch das will nicht gelingen. Das Küken kämpft tapfer gegen den kalten Wasserstrom an, wehrt sich gegen das Abdriften, fünf Minuten lang, zehn Minuten und länger, bis es auskühlt und die Kräfte schwinden. Wird der Bach es mitreißen? Der empathische Mensch steht daneben, muss alles mit ansehen und kann nicht helfen! Oder doch? Als ich merkte, dass das verzweifelte Teichhuhn dem Küken nicht mehr helfen konnte und es bald aufgeben würde, um den Rest der Brut im Nest zu versorgen, unter die Fittiche zu nehmen, und ich der Agonie nicht länger zusehen konnte, drängte sich mir ein Eingreifen auf. Sollte man nicht den Versuch unternehmen, in den Bach zu steigen und den gestrandeten Vogel heraus zu fischen, um ihn wieder ins Nest zu setzen, wo er geborgen war und wieder aufgewärmt werden konnte? Mein mitfühlender Nachbar, der von der Existenz des Geleges wusste, fand sich gleich bereit, einen Rettungsversuch des fast schon verloren geglaubten Kükens zu unternehmen. Er stieg ihn den Bach barg den schon ausgekühlten Vogel und reichte ihn mir aus dem zubetonierten Bachbett hoch. Während sich in meiner Hand noch etwas Leben regte, trug ich den Geretteten zurück ins - eigentlich schwer erreichbare – Nest und hoffte auf den Beistand der versprengten Eltern.

Inzwischen hatte es einen Auflauf gegeben. Im Umfeld zweier Kletterer an der Viadukt-Wand, Araber, vermutlich Syrer, die mit einer kleinen Tochter schon seit einer Weile vor Ort waren, hatte sich eine wahre Menschmenge versammelt, Mütter mit Kleinkindern, ein älteres Ehepaar, die zum Blumenpflücken unterwegs waren und auf der Bank gleich neben dem Nest ausruhen wollten, Gaffer aller Art. Nachdem sie die - bald in alle Winde verstreuten – Nachkommen der Teichhühner bemerkt hatten, wurden die Kinder laut, schrien durcheinander, beobachteten vom Steg aus das Geschehen rund um die Bergung und im Nest und vertrieben so die – an sich schon sehr scheuen – Teichhuhn-Eltern.

Rette sich, wer kann. Die Küken flüchteten unter die herabhängenden Äste über der Behausung der Bisamratte, die, aufgescheucht, selbst davon flüchtete. Der ersten Rettung folgte eine zweite. Als sich endlich die Menge zerstreute, blieben die beiden Küken unversorgt im Nest zurück. Die erwachsenen Teichhühner waren noch da, versteckt im Gebüsch. Doch sie wagten sich nicht hervor, denn die Kletterer waren noch da und blieben noch Stunden, bis in den Abend hinein, ohne auf das Los der Wasservögel Rücksicht zu nehmen. In Syrien sterben Tausende – was zählt da das Leben eines Wasservogels im Deutschland?

War das Eingreifen des Menschen in die Abläufe der Natur richtig? Oder hatte man nur noch mehr Schaden angerichtet? Hätte man nicht den einen waghalsigen, übermütigen Frühausflügler seinem Schicksal überlassen sollen, um alle anderen in der Sicherheit und elterlichen Geborgenheit des Nestes überlassen sollen? Mitleiden treibt an, ist aber nicht immer vernünftig.

Ein schlechtes Gewissen ließ mich noch lange über die Ereignisse nachdenken, im Dilemma. Fragen stellten sich mir, die auch andere betreffen: Weshalb muss das Teichhuhn, das ich nunmehr seit einem halben Jahr recht intensiv beobachte, studiere, überhaupt im tosenden Bach leben, in einem gefährlichen Umfeld, wo es doch im Teich, also in einem stehenden Gewässer sein eigentliches Lebensumfeld hat?

Eben, weil es kaum noch Teiche gibt!

Man hat die Teiche aus den Gegenden entfernt, um, von Habgier getrieben, auch noch das letzte Fleckchen trockengelegte Erde zu kultivieren. Eine Folge davon: Das scheue Teichhuhn wurde in den Bach abgedrängt, in den reißenden Fluss, der gerade ist wie eine Autobahn und alles mit sich reißt, auch ein Vogelnest.

Das Teichhuhn muss heute in Deutschland in einem Lebensraum überleben, der ihm nicht entspricht, der es – wie das Beispiel im Bach zeigt – existenziell bedroht.

In der Tat: das Teichhuhn ist selten geworden in Deutschland; es gehört fast schon zu den bedrohten Vogelarten!

Was tut man dagegen, was kann man noch tun? Gewässer renaturieren, Auen neu anlegen, neue Teiche schaffen? Es reicht nicht aus, um ein tiefes Loch in die Erde zu graben und alles andere der Natur zu überlassen! Löcher dieser Art, man kann hier zwei davon bestaunen, sind auch nach Jahren noch keine Teiche, sondern nur lebensbedrohliche Gruben für ahnungslose Wanderer, die, aus hohem Gras kommend, dort hineinstürzen und sich das Genick brechen können. Teichufer sind flach und fügen sich – das weiß ich aus meiner frühen Kindheit, die ich an Teichen verbrachte – harmonisch in die Landschaft ein, mit Schilf, Rohrkolben, Binsen, Fröschen und Rohrsänger, mit Blässhühnern, Wildgänsen, Flugenten und eben auch mit Teichhühnern.

Weshalb baute dieses Teichhuhn-Paar sein Nest am exponierten Ort, hier, in der Zivilisation, am Steg? Vielleicht weil ihm Invasoren aus Afrika – wie die recht aggressive Nil-Gans hier im renaturierten Tauber-Bereich – das natürliche Revier streitig machen? Das Teichhuhn lebt auch an der Tauber und flüchtet dort, wenn es sich bedroht fühlt, auf die künstliche angelegten Inseln im Fluss. Doch kann es dort auch brüten oder muss es andere Feinde fürchten?

Fragen bleiben. Grund genug auch für mich, den Dingen weiterhin auf den Grund zu gehen, Phänomens zu beobachten und diese anzusprechen. Umweltschutz ist eine moralische Pflicht. Ein bewusster Bürger darf seine Umwelt nicht dem Zufall überlassen – und schon gar nicht den Rücksichtslosen, die den Fluss nutzen, um die Hunde hinein zu hetzen!

 






















 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.

Carl Gibson, Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker, 

im Jahr 2020


Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/



Copyright: Carl Gibson 2021.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen