Entwurf:
„Ein sterbender Mann“ – zum Ableben von Martin Walser
Vor ein paar Tagen warf ich wieder einmal einen routinierten Blick eine der Bücherkisten, die es in dieser Kleinstadt gibt, auch, um festzustellen, was die Leute, die noch lesen, überhaupt lesen und was sie später als gute Tat in Buchform weiterreichen an andere, die auch gerne lesen, sich aber teure Bücher nicht leisten können.
Unauffällig unter anderen Büchern ganz unten im Regal ein Bändchen: „Ein sterbender Mann“ – von Martin Walser[1].
Fast schon drängte es mich, das Buch mitzunehmen; doch dann ließ ich es bleiben, denn „Ein sterbender Mann“ – das bist du doch selbst, hörte ich eine Stimme in mir, die dann auch ergänzte: das Leben ist kurz - und deine Schaffenszeit ist längst begrenzt; du kannst nicht alles lesen, was dich interessiert, subjektiven Gedanken anderer folgen, die vor sich hin sterben über das safte Dahinsterben melancholisch nachsinnen, meditieren, wenn du selbst noch in diesem Leben schreibend etwas vollbringen willst.
Martin Walser, der die Gnade hatte, alt zu werden, sehr alt sogar, schrieb fast jährlich ein Buch. Er hinterließ ein beachtliches Oeuvre, ein Werk, das den Namen verdient, vergleichbar dem ebenfalls hoch betagt scheidenden Ernst Jünger, dem bestimmt noch bekannteren Schriftsteller vom Bodensee, den – vor anderen - die Franzosen schätzen, als der berühmten Krieger aus den Weltkriegen mit dem seltenen „Pour le Mérite[2]“ auf der Heldenbrust.
Martin Walser, der Streitbare, war auch ein Kämpfer, nur ausschließlich mit der Feder unterwegs, mit spitzer Feder und mutig, wenn es darum ging, Tabus anzugehen und diese im Ansprechen zu brechen.
Seit meiner Zeit in Meersburg am Bodensee war er mir ein Begriff, doch ohne rechten Zugang zu seinen Büchern zu finden. „Ein fliehendes Pferd“ war damals, 1980, schon geschrieben, als mein damaliger Deutschlehrer, mit dem ich bald auf dem Kriegsfuß stehen sollte, ihn mir einführte – als den berühmten Literaten vom Bodensee lange nach der Zeit der Droste. Ein weiterer Lehrer stand mit Martin Walser im brieflichen Austausch und redete mit darüber im Jahr darauf. Also war das Interesse geweckt – und Martin Walser kontinuierlich im Blickpunkt, auch die Studienjahre hindurch, doch ohne besonders zu faszinieren, was bei, seinerzeit gegenwartsliteraturkritisch ausgerichtet, auch für große Namen wie Böll und Grass galt. Damals war ich eben – besonders als Forscher - ein Mensch des 19. Jahrhunderts, der mit dem, was die Gegenwart an Literatur produzierte, nicht recht warm werden konnte.
Also ging Martin Walsers Schaffen und Wirken weitgehend an mir vorbei – und doch hoffte ich auf das Machtwort der literarischen Autorität, damals, als der Nobelpreis der Schande an Herta Müller vergeben wurde, einer politisch Protegierten zugeschanzt, wahrscheinlich sogar eingekauft wurde, um, ein Pseudo-Ikone synthetisch aufbauend, schwer durchschaubare politische Manöver zu betreiben, während die beiden sonst Vielgeehrten, Siegfried Lenz und Martin Walser, nicht einmal nach Stockholm nominiert wurden. Beide wurden – aus welchen Gründen auch immer – übergangen, gingen aus, während eine fragwürdige Autorin mit einem noch fragwürdigeren Image die höchste literarische Auszeichnung zuerkannt wurde, einer Autorin – de facto – „ohne Oeuvre“, denn die schmalen Büchlein kann man – bei aller Gaukelei – nicht ernst nehmen, darüber hinaus aber auch noch für ein eindeutiges Plagiat!
Also erwartete ich den Aufschrei Martin Walsers, der ja schon in der Paulskirche aufgeschrien und sich so mit dem Establishment überworfen hatte – und der es gewagt hatte, den „Tod eines Kritikers“ zu thematisieren, eines Narrenfreien unter Naturschutz!
Doch Martin Walser schwieg!
Ich war enttäuscht, sehr enttäuscht!
Weshalb schweigt ein Kämpfer, eine ausgewiesene Autorität, wenn eine Person ohne Kultur und Bildung, die nicht denken kann, die die deutsche Sprache weder gut spricht noch schreibt, die aber das geliebte Deutsch – des von Walser so geliebten Goethe – in den Schmutz zieht, verrückte, irrationale, postdadaistische „Literatur“ produzierend auch noch auf das höchste Podest gehoben wird?
Weshalb schweigt einer der Worte, der eigentlich nichts mehr zu verlieren hat? Hoffte er noch auf den gleichen Preis – und hielt man ihn vielleicht mit dieser trügerischen Chimäre von der notwendigen Intervention ab?
Ob sich in den Notizen, die man vor einiger Zeit nach Marbach, ins Deutsche Literaturarchiv, gebracht[3] hat, etwas dazu findet?
Einige Geheimnisse wurden sicher gewahrt, andere werden noch gelüftet werden, wenn die deutsche Literaturwissenschaft endlich zur Besinnung kommt – und der Forscher auch einmal mutig wird – wie Jünger im Wort und im heißen Krieg!
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Walser
Man beachte – neben den vielen Auszeichnungen und Ehrungen – vor allem das immense Werk und vergleiche diese Fülle der Buch-Publikationen mit den schmalen Büchlein der Herta Müller, in der man – und dies im krassen Gegensatz zu Walser – quasi das Gegenstück zum „Poeta doctus“ erkennen kann.
Sie bekam den Nobelpreis, unverdient, er, der verdiente Literat, bekam die hohe Auszeichnung nicht – das kommt davon, wenn Politik über die Geschicke der Literatur und über das Los der Literaten bestimmt.
[2] Einen müden Abklatsch davon, den „Pour le Mérite für Wissenschaft und Kunst“, überreichte man einer Herta Müller – obwohl literarisch Lichtjahre von Jünger und Walser entfernt - auch.
[3] Seinerzeit schreib ich an dieser Stelle darüber.
„Essenzen oder Krimskrams? – Die „Kritzeleien des Martin Walser“ jetzt im Literaturarchiv in Marbach am Neckar“.
Friedrich Schiller, Denkmal in Stuttgart
Essenzen oder Krimskrams? – Die "Kritzeleien des Martin Walser" jetzt im Literaturarchiv in Marbach am Neckar
Obwohl von Krankheiten schwer gezeichnet, war sich der betagte Autor vom Bodensee nicht zu schade, um den Weg seiner Handschriften, Skizzen, Entwürfe, darunter Unvollendetes und Unveröffentlichtes, nach Marbach zu begleiten, im Rollstuhl, auch an die Öffentlichkeit über das Fernsehen[1]. Den Nobelpreis bekam der streitbare Martin Walser nicht, wurde nicht einmal nominiert, nehme ich an, obwohl das von ihm literarisch Geschaffene an Gehalt und Gestalt weit über das hinaus reicht, was etwa die verlogene Plagiatorin Herta Müller an „Literatur“ in die Welt gesetzt hat. Erl-Königs späte Rache?
Die dem Land Baden-Württemberg und der Bundesrepublik Deutschland ausgehändigten Dokumente, gegen Bares und möglicherweise großzügig vergoldet[2], zeigen den Gang des Geistes und werden sicher manche Germanisten noch viele Jahre beschäftigen. Möge die Ausbeute erfolgreich sein.
Als einer, der als armer Student und unerschütterlicher Idealist seinen Mitgliedsbeitrag zur Schillergesellschaft pünktlich bezahlt hat, und der heute, als Schaffender, davon überzeugt ist, dass es auf Essenzen ankommt, nicht aber auf Vorlagen zu einer Beschäftigungstherapie für unausgelastete Geisteswissenschaftler, ging ich damals schon davon aus, dass das deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar auch für neue Namen das sein sollte, für Autoren im Werden.
Das aber ist dort nicht der Fall.
„Wir haben nicht die Räume, um das alles zu lagern“, sagte man mir dort vor langen Jahren, als vor Ort noch regelmäßig forschte.
Für Etablierte aber baut man an und bringt – wie im Fall Martin Walsers[3], mit dessen Werk ich nie warm wurde, - auch noch Geld auf, um die Werte würdig zu entlohnen, während anderen weniger bekannten Autoren selbst die almosengleichen Tantiemen versagt bleiben, weil sie mit dem System ins Gericht gehen[4] und deshalb auch aus Bibliotheken verbannt werden.
So nimmt alles seinen Gang in Land der Dichter und Denker, die einst aus Deutschland nicht nur ein geeintes Vaterland, sondern auch einen gerechten Staat formen wollten.
[1] Wobei die auch schon etablierte Familie publikumswirksam gleich mit von der Partie war.
[2] Aus meiner Sicht ist es nicht in Ordnung, wenn die für das gesamte Konvolut bezahlte Summe nicht genannt wird, weil es sich – wie ich annehme – doch um öffentliche Gelder handelt. Mauschelei und Filz auch hier – und Raum für Spekulationen nach dem Motto: wer schon hat, dem wird auch noch gegeben, während die armen Schlucker unter den Zehntausend anderen Autoren leer ausgehen.
[3] Seit meiner Abitur-Zeit in Meersburg am Bodensee, 1980, verfolge ich das Oeuvre des „Vielgeehrten“, doch mehr am Rande, ohne Begeisterung. Vgl. dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Walser
[4] Das betrifft etwa meine drei kritischen Bücher gegen Merkels Innen- und Außenpolitik, die sich kaum in deutschen Bibliotheken finden, weil Merkels – oft freiwillige – Handlanger in vorauseilendem gehorsam und in Sorge um den eigenen Job das zu verhindern wissen.
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker, politischer Essayist,
Naturfotograf, im März 2022
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2022.
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