|
Girolamo Savonarola, Worms, Detail.
Savonarola,
Teil eines Reformatoren-Denkmals in Worms am Rhein
|
Aktualisierte Fassung:
Die
Intoleranten dort, die, nicht besser als die Ajatollahs im Iran, die Mullahs
und Taliban oder der besonders kulturfeindliche IS, könnten die Bibel gleich
mit verbrennen, das Alte Testament wie das Neue, denn das sind die
geistig-sittlichen Vorbilder des Koran, gespickt mit Hassbotschaften der
Intoleranz, Instrumente der Massenverblödung, ebenso wie weitere religiöse
Schriften aus anderen Kulturen dieser Menschheit – denn „Religion“ ist nicht nur
„Opium für das Volk“, sondern das
Gift schlechthin, das den tumben Menschen ewig im Dunkel hält und so den
wahren, den human gewordenen, den „menschlichen Menschen“, der, weise
geworden, auch wirklich tolerant ist, verhindert.
Die
Weisheit ist nicht neu - wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch
Menschen!
Nachtrag,
am 15. Juli 2023:
Die
Grenzen der Meinungsfreiheit – wo sind sie? Wer legt sie fest? Wo beginnt die „religiöse
Intoleranz“?
Inzwischen,
nach wenigen Wochen, sind auch andere Religionskritiker der Neuzeit zu der
Einsicht gelangt, dass, wer den Koran verbrennt, auch die Bibel verbrennen muss,
also – wie von mir in polemischer Formulierung angeregt - die den Juden und
Christen „heiligen“ Schriften!
Das
soll nun tatsächlich - in Berufung auf die Meinungsfreiheit, die im historisch
unbelasteten Schweden noch heiliger ist als in Deutschaland, wo es Tabus gibt -
staatfinden– entgegen
scharfer Proteste jüdischer Kreise nicht nur aus Israel, die von einer
antisemitischen Aktion und Manifestation sprechen.
Eine
Gratwanderung!
Wie
frei ist der Schwede, der Deutsche, der Amerikaner?
Konsequenz
oder Zurückhaltung?
Jedes
Land wird seine Debatte führen müssen, eine Debatte auch über absolut gesetzte
geistige Freiheit und offener Meinungsbekundung, die den Regierenden viel Ärger
bereiten wird, die aber für die Katharsis einer Nation, die sich erhalten will
oder noch selbst finden muss, unerlässlich ist – in Schweden, noch mehr in den
USA, dahinter aber auch – bei aller historischen Last – auch in Deutschland.
Sonst wird der Deutsche, der sich selbst zurücknimmt, zensiert, mehr und mehr
unfrei – das aber ist die Wurzel aller Übel; denn Unfreiheit - nach ideologischer
Bevormundung und Umerziehung - mündet irgendwann immer in eine Diktatur.
Blasphemie ist, nach Präsident Macron, ein Akt der Meinungs- und Gewissensfreiheit!?
Im
Land der Aufklärer, der Menschenrechte und der Revolution muss Spott
erlaubt sein. Und doch es gibt Grenzen des Spotts, schon im Alten
Testament, wo die Spötter den Gottlosen und Ruchlosen gleichgesetzt
wurden! Schlechte Karten für Voltaire, Heine und Nietzsche?
Damals, vor Jahren, als blindwütige Terroristen in Paris zwölf
Karikaturisten der Satire-Zeitschrift „richteten“, fanatisiert im
religiösen Verblendungswahn exekutierten, feige wie brutal Wehrlose
ermordeten, bezog ich Position – kritisch, gegen die Massenmeinung, aber
auch und vor allem gegen angeblich solidarische, an sich jedoch
heuchlerische Haltung der Politik europa-, ja, weltweit, mit dem
Argument der Toleranz und des gegenseitigen Respekts zwischen den
Kulturen und Glaubensrichtungen, die zusammenleben wollen oder dies
sozial bedingt müssen. Das ist im postkolonialen Frankreich der Fall, in
Großbritannien, in den Niederlanden, in Belgien, Spanien und Italien,
wo viele Muslime seit Jahrzehnten mit der Staatsnation zusammenleben.
Wer also die Muslime auf politisch-kultureller Ebene zum Freiwild macht,
wird mit dem Hass und den Früchten des Hasses, Mord und Krieg, leben
müssen.
Es leben nun einmal Millionen Muslime in Frankreich, in Deutschland.
Also gilt es auch deren Kultur, spezielle deren Religion gilt es zu
respektieren; nicht nur halbherzig in Lippenbekenntnissen, sondern voll
und ganz – mit allen rechtlichen und ethischen Auswirkungen!
Statt, im Einklang mit den Hauptströmungen und Stimmungen im Volk Partei
zu ergreifen, statt ein fragwürdiges Prinzip zu verteidigen, muss der
Staat, allen voran der in Frankreich noch übermächtige Präsident,
Frieden stiftend für Ausgleich sorgen, statt die Feuerbrunst des Hasses
erneut anzufachen.
Blasphemie, ganz egal in welche Richtung eine Gottheit verunglimpft
wird, trifft immer den einfachen Gläubigen, der über keine Instrumente
einer angemessenen Gegenwehr verfügt. Also springt der schlichte
Terrorist, einer, der nichts zu verlieren hat, aber das Paradies mit den
72 versprochenen Jungfrauen gewinnen kann – im Einklang mit seinem
verhöhnten Glaubensbruder und den eigenen religiösen Überzeugungen ein;
und er handelt – wie er wirklich glaubt: gerecht!
Seine Auffassung des Koran, die keine Verunglimpfung Allahs duldet, noch
eine Karikierung des Propheten Mohammed, ist ihm dabei ein Leitbild.
Gleichzeitig ist dem schlichten Islam-Gläubigen aus dem Volk die
freigeistige Spötterei eines durch die Aufklärung gegangen Franzosen,
der möglichweise auch noch ein metaphysisch Geläuterter, ein Atheist
ist, fremd, fremd wie die Toleranz, die alle hinnimmt, auch wenn es
bereits dekadent ist. Strenggläubige – bei orthodoxen Juden ist das
nicht anders – und frivole Freigeister treffen aufeinander in einem
Zusammenprall grundverschiedener Kulturen. Es kracht – doch es kracht,
weil der aufgeklärte Europäer mehr über interkulturelle Zusammenhänge
wissen müsste als ein schlichter Streiter des Islam, den man gezielt
radikalisiert und zum Morden losgeschickt hat.
Die Früchte der Konfrontation zwischen Glaubensrichtungen oder Kulturen
sind bekannt: Terror, Bürgerkrieg und Krieg. Vom Populismus getragen,
geblendet, wird also manchmal auch der erste Mann im Staat zum
Brandstifter, ja, zum Akteur, der dort zündelt, wo eigentlich mit Macht
gelöscht werden sollte.
Frankreich hatte seine Bartholomäusnacht, damals, als jene im rechten
Glaubens auf ihre Kontrahenten aus dem protestantischen Lager losgingen,
alle bestialisch niedermetzelten und totschlugen, mitten in Paris.
Ähnliches kann sich jederzeit wiederholen, nicht mehr im Signum des
Kreuzes, aber unter neuem Vorzeichen – gegen die Gläubigen unter dem
Halbmond, gerade dann, wenn der Staat in missverstandener Toleranz die
Bedingungen dazu schafft! Also wehret den Anfängen, auch hier!
Macron sollte nicht über Blasphemie philosophieren, sondern sich um die
tatsächlichen Probleme kümmern, die Frankreich auf dem Gebiet der
Integration und eines humanen Miteinander hat.
Menschenrechte und ein Leben in Würde für alle Bürger des Staates
Über
einen Friedhof schreitend, habe ich unlängst über das Zusammenleben
grundverschiedener Kulturen nachgedacht, beginnend mit den Ursachen, die
zu den ersten schweren Pogromen gegen Juden führte, 1298, dann zur
Pest-Zeit im Jahr 1339, bis zum Holocaust und Auschwitz, als auch die
Franzosen der „Kollaboration“ ihre jüdischen Mitbürger an die Henker
auslieferten. Sind wir heute, in Zeiten der Radikalisierung und
religiöser Konfrontation, gegen solche Entwicklungen gewappnet?
Eine abseitsgelegene Grabstätte eines Moslems auf einem Friedhof hier in
der christlich-katholischen Region hat mich berührt.
Wenn es politische Wille ist, dass Muslime in Deutschland, in Frankreich
nicht nur als „Gastarbeiter“ wirken, sondern hier, im christlichen
Abendland, auf Dauer leben, dann muss man die Würde dieser
andersgläubigen Menschen voll und ganz respektieren und fördern, indem
man – wie im Falle der Juden – nun auch die Religionsfreiheit der
Muslime ernst nimmt; und das, indem man Moscheen baut, den Muizin
unbehelligt vom Minarett rufen lässt und indem eigene muslimische
Friedhöfe angelegt werden, so wie es die Juden hier seit Jahrhunderten
praktizieren.
Die Würde des Menschen geht über das Leben hinaus. Jeder soll frei sein,
zu seinem Gott zu beten und jeder soll – ein Einklang mit der These
Friedrichs des Großen – nach eigener Facon glücklich werden, auch indem
er seinen religiösen Riten treu bleibt.
Das Verhöhnen des Andersseins – und das verkennen die oberflächlichen
Spötter aus Paris eklatant – kommt einer Herabwürdigung der
Menschenwürde gleich, für die aufrechte Franzosen während der
Französischen Revolution von 1789 doch – Leib und Leben opfernd –
gestritten haben.
Menschenrechte und ein Leben in Würde für alle Bürger des Staates –
daran sollte sich Präsident Macron erinnern; ferner an das Prinzip, das
Gewalt, auch geistig-ideeller Natur, Gegengewalt erzeugt wie im Fall der
Terroristen, deren Mordtaten – jenseits von gesundem Humor –
unnötigerweise provoziert wurden.
Carl Gibson in Paris, 1979.
Mehr zu Carl Gibson, Autor, Philosoph, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/person/gnd/111591457
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Religion verbiegt die - noch intakte, jungfräuliche,
gesellschaftlich unverdorbene - Seele des Kindes für alle Zeiten.
Als Wahrheiten ausgegebene Geschichten, Mythen und Märchen
führen zu einem inneren Zwiespalt, der im späteren Leben nicht immer aufgelöst
werden kann. Einige bleiben in dem Irrglauben, den einige für die einzige
Wahrheit ausgeben, gefangen, ohne die Kraft zur Befreiung aufzubringen, werden
ängstlich, menschenscheu und weltfremd, kurz unglücklich, weil der ferne Gott
im hohen Himmel den Suchenden im irdischen Jammertal nicht viel geben kann,
aber alles erwartet, bedingungslose Unterwürfigkeit in Kirche und Staat im
blinden Glauben.
Aus Freud, den der Vater religionsfern erziehen ließ,
wurde, was ich erst jetzt erfuhr, dann auch kein frommer Jude, sondern ein
scharfer Kritiker der Religionen.
|
Girolamo Savonarola, Worms, Detail.
Savonarola,
Teil eines Reformatoren-Denkmals in Worms am Rhein
|
Die weltliche Macht unterwirft sich der – fast zwei
Jahrtausende hindurch alleinherrschenden– Kirche.
In dem modernen EU-Staat Polen, hervorgegangen aus zwei Weltkriegen
und einer kommunistischen Diktatur, ein Land, in dem aufgrund eines rückwärtsgewandten
Konservativismus katholischer Prägung auch in der Justiz die Uhren anders ticken,
ist es auch heute noch so, gerade jetzt, in aufgeklärten Tagen, in welchen man
dem polnischen Papst und eingefleischten Antikommunisten Karol Wojtyla
das Gleiche vorwirft, wie dem deutschen Papst Ratzinger, nämlich das systematische
Vertuschen der ungezählten Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen
Kirche der jüngsten Tage.
Es geschah, um den – seit vielen Jahrhunderten schon arg
ramponierten – Ruf der einzig wahren Kirche zu retten, einer Kirche, die schon
korrupt war und moralisch verwerflich agierte, noch bevor die Erneuerer
Savonarola und Luther auftraten.
Der freundliche Kardinal Karl und der emeritierte Papst
Benedikt XVI. gingen in die Ewigkeit, ohne sich für das verwerfliche Handeln
der sündhaften Kleriker rechtfertigt zu haben. Der Bischof von Osnabrück, einer,
der den Missbrauch toleriert und mitgetragen hatte wie andere Bischöfe auch,
trat gerade zurück, weil er nicht mehr bleiben konnte. Kardinal Marx,
Bischof Bätzing und andere fromme Leute aber wollen sich der Aufarbeitung des
großen moralischen Versagens weltweit stellen, nicht länger Wasser predigen,
aber Wein trinken, nur um die – schon zum Tode kranke – Kirche zu retten,
weiter machend wie bisher!
In Polen jedoch soll der verstorbene Papst, der
für einige Strenggläubige längst ein Heiliger ist, seine ewige Ruhe haben und
nicht weiter belästigt werden mit – jetzt publik gewordenen - Vorwürfen aus dem
Erdenleben, die nur Verleumdungen sind und der gesamten wahren Kirche schaden wollen!
Versagen hin, Versagen her – man dürfe die
Autorität nicht zerstören, wenn nicht danach ein vollständiger Werte-Zerfall
einsetzen soll, meint man im Volk der Polen, während die längst
übertolerant oder gar schon dekadenten Deutschen mit der Nivellierung ihrer geistig-ethischen
Basis durchaus keine Schwierigkeiten haben.
Cui bono? Der PIS-Partei wird es nützen,
wenn kein etablierter Politiker Polens sich gegen den Papst stellen und die
späte Rufschädigung nicht mitmachen wird – und somit auch nicht gegen die
katholische Kirche!
Ja, im modernen Staat Polen, der gerade massiv gegen den
russischen Aggressor Putin aufrüstet und dessen Politiker, historisch bedingt,
allem misstrauen, was aus Deutschland kommt, aus dem innig geliebten
Nachbarland, dass die 1,3 Billionen Reparationsforderungen für
Weltkriegsschäden nicht aufbringen will, werden die Uhren auch in naher Zukunft
weiter anders ticken, ganz nach dem Vorbild der katholischen Kirche, die immer schon
verdrängte, was nicht gefiel, um so den eigenen Weg durch die Geschichte zu
beschreiten – bis zum heutigen Tag.
Sein Gott schickte ihm späte
Leiden, vielleicht, damit auch er, der arme Sünder, über seine Verfehlungen
noch in diesem Leben nachdenkt?
Auch er, der joviale Kleriker, hat
fast alle getäuscht, indem er das große Gaukelspiel mitmachte, als Bischof und
erster Katholik der Deutschen nach dem Papst.
Ja, Karl Lehmann täuschte aktiv
und mit einem Lächeln im Gesicht, unschuldig und als Menschenfreund, obwohl er
alles wusste,
eben, weil er ein guter Christ seiner Kirche war, einer bigotten Kirche, die
den Glauben über die Wahrheit setzte. Der Papst war ihm in Sachen
Selbstunterwerfung ein Vorbild!
Und Christus?
Was zählt schon Gott im hohen
Himmel, wenn eine Institution im irdischen Sündenpfuhl bestehen muss!?
Es mag sein, dass Ratzinger als
Theologe und Kardinal die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Reform der
katholischen Kirche erkannt hat; als Papst aber konnte er sie nicht
durchsetzen; die Tradition des Papsttums war dagegen.
Also erging es dem deutschen
Papst nicht besser als der Queen in Großbritannien.
Beide Individuen unterwarfen sich
der Institution bis hin zur Selbstverleugnung. Der eine stellte den Ehrgeiz des
Erneuerns zurück, um Bestehendes zu bewahren; die andere opferte das eigene
Glück und das der gesamten Familie für das Königtum und den Thron.
Beide, Königin und Papst,
handelten gegen ihre Zeit! In bester Absicht und im Einklang mit dem Gewissen?
Vgl. auch:
In der Demokratie kommt es nicht
darauf an, den Systemkritiker zum Schweigen zu bringen; er soll ruhig weiter
aufschreien, denn großen Schäden wird er nicht anrichten, da überhört wird, was
er aussagt, da nicht verstanden wird, wie er es sagt, vor allem aber, weil
seine Botschaften tausendfach von Lügen aller Art überlagert werden, von Mythen,
die das Volk verwirren und vom tieferen Nachdenken über bestimmte Zeitphänomen
und Entwicklungen abhalten.
Was einzig wichtig ist und zählt
aus der Sicht der Mächtigen, die regieren und bestimmen: das Verführen der
Massen, der Vielen, der „Vielzuvielen“, wie Nietzsche es ausdrücken würde, weil
in der Demokratie bestimmt, wen die Schafe wählen – wie im Christentum, wo man
bereits die Lämmer verführt und vielfach schändet, um die eingeschüchterten
Schafe ruhig zu halten – auf der Weide und im Stall.
Hunde aller Art leisten dabei
nützliche Dienste.
|
Ecce Homo - Memento.
Christus am Kreuz im Arkau-Wald, Bad Mergentheim.
|
Der Zölibat brachte sie hervor.
Wer am Zölibat festhält wie der deutsche Papst, der will auch keine Reform der
katholischen Kirche.
Das Problem ist alt. Und jeder
auch noch so „große Theologe“, was
immer das sein soll, kann den uralten Konflikt zwischen Natur und Unnatur nicht
ignorieren.
Die Stimme der Natur – das ist
der überaus mächtige „Sexualtrieb“, der viel, fast alles bewegt auf der Welt,
der den Einzelnen glücklich und oft auch unglücklich: er ist da und bestimmt
auch die Existenz der – ach, so keuschen – Priester, der Freunde „des
Bräutigams“ –
man höre und staune!
Wie der einzelne Katholische
Priester damit fertig wird in seinem Kämmerlein oder in der düsteren
Bruderzelle im Kloster, wird ein Geheimnis bleiben.
Die Opfer der Kinder- und
Nonnenschändereien durch katholische Priester kennen die Antwort bereits, auch
der Papst und die Welt – und doch geschieht immer noch nicht genug, um den
Missbrauch, den auch die heuchlerischen Protestanten kennen, für alle Zeiten zu
unterbinden.
Entwurf:
An die Bahre zu pilgern, um einem
Idol die letzte Ehre zu erweisen, das ist mir heute fremd, stößt mich ab, ganz
egal, wer dort liegt und wessen Leichnam der staunenden Welt dort vorgezeigt
wird! Gladiator oder Papst – tot ist tot!
Und wer weiß, wie man mit dem
aufgedunsenen Leib des Borgia im Vatikan umsprang, nachdem man ihm die goldenen
Ringe vom Finger gezogen und ihn auch sonst noch gründlich beraubt hatte, der
wird die Lust verlieren, die Heiligen der Jetztzeit nach dem Ableben aus nächster
Nähre zu würdigen, der Leiche die Reverenz erweisend, während die Seele des Verstorbenen
längst bei ist … oder in der Hölle!
Der offene Sarg – mit den
geliebten Toten!?
Ich kenne ihn aus den Tagen meiner
Kindheit und aus jener Gegend, wo es Brauch war, die Verstorbenen zwei, drei Tage
in ihrem Wohn- oder Sterbezimmer aufzubewahren, ohne jede Konservierung und so
lange, bis fast die gesamte Gemeinschaft Abschied genommen hatte, in Andacht,
im Gebet, unter Tränen, in tiefer Trauer und empathischer Anteilnahme. Der Duft
des mit Rosmarinzweigen über den Leichnam verspritzten Weihwassers überlagerte
den leichten Modergeruch im Raum, der aufkam, wenn es draußen heiß war und kein
Wind wehte. So schied mein Großvater, so gingen Generationen von uns – fast wie
jetzt der Weltfußballer und der deutsche Papst.
Pele hing damals, 1977, im Nebenzimmer
an Wand, als Poster und in Lebensgröße, aus dem fernen Deutschland ins Banat
geschickt, gleich neben Beckenbauer und den Brüdern Krämer, während ich, der
ehemalige Ministrant, seit Jahren im verein gespielt hatte. Sport, Fußball –
das war eine eigene Welt noch vor der anderen Welt.
Später verkehrten sich die Dinge –
und der Fußball wurde ebenso unwichtig wie Kirche. Für mich!
Und heute, ein halbes Jahrhundert
später? Ich sehe die Menschen strömen und frage mich, was treibt sie an, die
Massen? Was treibt sie an, um hochzuschauen zum Vorbild? Und stelle fest: der
kleine schwarze Mann hat nicht nur sein Volk bewegt, die Brasilianer, sondern alle
Schwarzen Amerikas, nur mit seinen natürlichen Gaben, mit seinem Talent und
seinem unverfälschten Wesen. Pele, ein Vorbild für die Armen auf der Welt, für Menschen,
die hinauf wollten, hinaus aus dem Elend der Favelas, und somit – unfreiwillig -
in moralischer Mission unterwegs, doch ohne ein Moralist zu sein, während der
Papst als Stellvertreter Christi auf Erden die „moralische Instanz“ an sich
verkörperte, aber eklatant versagte – auch er, gleich der Queen in England, weil
die Institution - hier die apostolische Kirche, dort das weltliche Königtum – über
das Schicksal der Person gestellt war.
Pele, in manchen Dingen ein
Immoralist wie Don Juan, ein ganz profaner Materialist, triumphierte lachend,
während der sich selbst aufopfernde Märtyrer und Christ sich hingab, um die
Idee zu retten.
Was ist Natur, was Unnatur? Was
entspricht dem Menschen mehr der Idealismus einer Königin Elisabeth I., die das
Glück ihrer Familie den Prinzipien und der Staatsraison unterordnet opfert, daneben
der Papst, als guter Deutscher von Haus aus ein Idealist und unterwürfiger
Diener der Kirche, oder der Naturmensch Pele mit seiner Lebensfreude und dem
Lachen?
Die noch naturnahen Brasilianer,
die auch gute Christen sind, können und werden beide Haltungen verstehen,
gutheißen, während der abendländische Mensch, der nicht zum Heuchler werden
will, sich wird entscheiden müssen: zwischen aufgeklärtem Sein mit Verstand wie
Vernunft und der Religion, die Glauben einfordert – und unkritische Verehrung!
Entwurf:
Regensburg, das Castra Regina
des Marc Aurel, eine meiner Lieblingsstädte in Deutschland, war sein Wirkungsort
damals, Anfang der Achtziger Jahre, als ich, zwischen Wien und der anderen
Donau-Stadt hin und her pendelnd, als Forschender viel Zeit an der alten
Universität verbrachte, doch ohne je eine theologische Vorlesung besucht zu
haben. Antiklerikal ausgerichtet, galt mein Interesse der Philosophie – und Professor
Ratzinger war keine Persönlichkeit, die große Massen Studierender angezogen
hätte, schon gar keine Ketzer oder potenzielle Reformatoren des - in eigenen
Strukturen erstarrten - Christentums an dessen Spitze ein stockkonservativer
Papst aus Polen stand.
Das Christentum – eine Machstruktur
mit großem Magen,
das – über das Gottesgnadentum - die weltliche Macht sanktionierte,
stützte, um sich selbst zu erhalten.
Das ist so – zum Missfallen aller
aufrechten Philosophen – bis zum heutigen Tag.
Das Christentum, für viele
Gläubige Lebenssinn und Trost, ist für mich nur eine verlogene, ja, eine ruchlose
Weltanschauung, eine Institution der Macht und der Machtentfaltung, die nicht
nur ganze Länder aufgefressen, sondern vor allem Menschen vernichtet hat, große
Individuen und ganze Völker, darunter viele Naturvölker, die es heute gibt,
weil Missionare wüteten und eine Religion der Liebe verbreiten, die Tod und
Auslöschung bedeutete.
Das Christentum ist weitaus verlogener
noch als das Judentum, das – neben dem Aufruf zur Ausrottung im Namen eines
Gottes – auch noch einiges mit Philosophie, mit Weisheit und gelegentlich, über
das Mythische hinaus, mit historischer Wahrheit zu tun hat, dort, bei David und
Salomo, ja, selbst Poesie im Hohen Lied, das sich auch in der Bibel nicht, im
alten Teil, wo Schriftgelehrte die Feder führten und Pharisäer, Leute wie Saulus,
der Christenhasser, der zum Erfinder des Christentums werden sollte, dem der „große
Theologe“ Joseph Ratzinger aus Markl in Oberbayern ein frommer, bescheidener Diener
sein sollte, ein Leben lang, auch als Papst.
Irren ist menschlich. Und auch
Päpste irren selbst in dogmatischen Fragen. Ergo irrte auch Joseph Ratzinger,
der den roten Hut nahm, ohne zum Kommunisten zu werden. Was kaum einer weiß und
nirgendwo betont wird: dieser Papst mit deutschen Wurzeln, der Nation des
Antisemiten Luther entstammend, dieser Bibelexeget, den man – aus gutem Grund -
einen „Schriftgelehrte und Pharisäer“ nicht nennen soll, war auch der Chef der
Inquisition, mehr geistiger Kontinuator als formal.
Und der einsteige Soldat des
Führers für Volk und Vaterland war auch ein guter Soldat des Christengottes,
des Vaters dahinter und des Heiligen Geistes im lebenslangen Versuch, Verstand
und Mythos miteinander zu versöhnen, um die Zeiten zu überstehen wie bisher
auch, wobei gelegentlich, was verzeihlich ist, im Eifer des Gefechts des
modernen Kreuzritters Antisemitisches und Antiislamisches durchblitzen!
Schließlich kann ein guter Katholik, der die eine wahre Religion voll und ganz
verinnerlicht hat, nicht gleichzeitig auch noch frommer Jude oder fanatischer
Moslem sein!
Was heute, wo gestandene Männer und
durch und durch abgebrühte Politiker der ganz zynische Art wie Chorknaben
dastehen, und einer kontrovers diskutierten, polarisierenden Persönlichkeit der
ganz konservativen, rückwärtsgewandten Ausrichtung huldigen, verlogene Grabreden
redend wie am Sarg der Queen und an anderen Gräbern profaner Zeitgenossen auch,
unter den Teppich gekehrt, öffentlich verdrängt, tabuisiert wird, das sind essenzielle,
substanzielle Grundfragen, die auch ein – sogar einsichtiger - Joseph Ratzinger
nicht lösen konnte.
Kann der Verstand des modernen,
aufgeklärten Kultur- und Zivilisationsmenschen mit dem Mythos des Christentums leben,
zusammenleben, was auch für die Religion der Juden und den Islam gilt?
Oder widersprechen sich Glaube
und wissenschaftliches Wissen so fundamental, dass der Einzelne sich
entscheiden muss? Bilden Religionen in allen möglichen Formen nicht Vorstufen
und Einstiegstreppen in Verschwörungstheorien, indem sie in Tausend Geschichten,
die der Gutgläubige auch glauben soll, den Erkennenden auf Irrwege leiten, in
den Neben, ins Dunkel führen, nicht ans Licht?
Bundespräsident, Kanzler, Hinz
und Kunz würdigen, was nicht zu würdigen ist, einfach, weil es dazu gehört in
einer heuchlerischen Gesellschaft, die sich christlich definiert, wobei das
Christentum – mit seiner weltweit propagierten Liebe auch mit dem Schwert des Konquistadoren
und den Männern in dunkler Kutte auf fernem Kontinent – noch viel
heuchlerischer Daherkommt als das – nicht missionierende – Judentum, der wild
gewordene, deshalb aber gut durschaubare Islam oder Religionen der Inder und
Japaner, die, nicht viel anders als alte Griechen und Römer, aus Religion und
Vernunft ein pragmatisches Existenzmodell formten, dass in die Zeit passt und
mit dem Menschen besser zurechtkommen als mit einem sture, starren Katholizismus,
der sich längst selbst überlebt hat.
Was Katholiken – und mit diesen auch
der rückwärtsgewandte Joseph Ratzinger, der mehr erkannt als andere und Konsequenzen
zog im Rückzug
aus den höchsten Amt der Christenheit – nicht erkennen wollen, das ist die
eigene Dekadenz, die von Anfang an da ist, weil das Christentum an sich – und das
gilt auch für die reformierten Formen nach Savonarola und Luther –
eine Form der Unnatur darstellt, etwas, was dem lebenswerten Leben, der humanen
Lebensführung in vielen Punkten krass entgegengesetzt ist, kulminierend im
Zölibat, das seit zwei Jahrtausenden moralische Entgleisungen der niederträchtigsten
und abstoßendsten Art nach sich zieht: Kinderschändung und Nonnenschänderei,
wobei einzelne Bräute Christi dem überriechenden
Bruder in der Kutte zugeführt werden.
Von dem Konflikt Natur-
Unnatur, den schon der liebenswürdigste alle Kritiker des Christentums, Giovanni
Boccaccio in seinem vielgelesenen „Dekameron“ hundertfach
beschreibt und der sich über den Don-Juan-Mythos bis in die jüngste Zeit zieht,
wusste auch der Bischof, der Kardinal und auch der Papst Joseph Ratzinger, ohne
sich dem Grundübel „Zölibat“ zu stellen, ohne den Missbrauch für alle
Zeiten abstellen – über eine Reform der katholischen Kirche, die nur sich für
die wahre hält!
Lasset die Kinder zu mir kommen … und
die Nonnen!!! Was ist nach Borgia besser geworden im Vatikan?
Einsehend, dass er als Einzelner
ein seit zweitausend Jahren funktionierendes System der Macht nicht wird
verändern können, zog Joseph Ratzinger die Konsequenzen und trat als Papst Benedikt
XVI. zurück!
Eine große Geste!
Ein anderer Papst, ein Südamerikaner,
der einen Massenmörder nicht
beim Namen nennen kann, ein Hoffnungsträger der Christenheit, von dem auch die
restliche Welt mehr erwartete als von dem scheidenden Wojtyla-Loyalen Joseph Ratzinger,
machte weiter – wie bisher, ohne dass sich Wesentliches geändert hätte.
Der Jüngste Tag, der Tag der
Abrechnung, an dem nicht nur christliche Würdenträger vor ihren Schöpfer treten
werden, die Protzbischöfe ohne
Holzkreuz, Kardinäle ohne roten Hut, die Borgias und Ratzingers ohne Mitra und
Stab als bloße, arme Sünder, umgeben von irdischen Akteuren der Macht, von Kaisern
und Königen, vom Lumpengesindel aus den pseudochristlichen Parteien, wird
vielleicht nicht mehr fern sein, wenn der Diktator mit der Kerze, Putin, weiter
walten darf, ohne von der großen „moralischen“ Instanz Kirche in die Schranken
gewiesen zu werden.
Die Kirche heute, in der Zeit
schweigender Philosophen:
eine versagende Kirche, eine Kirche der Versager?
Carl Gibson
Natur ist meine Gottheit - Der starke
Gott, der schwache Gott und der Kommende
Von Jahwe über Jesus zu Dionysos!?
Jud, Christ, Moslem … und die freien Natur-Verehrer, die Pantheisten
der Neuzeit?
Die Bibel
wiedergelesen - Nachdenken und Nachdenkliches über die Ideen und
Wertvorstellungen religiöser Juden, über lebensfrohes Heidentum, lebendige Weltreligionen,
Islam, Mystik und das real existierende Christentum unserer Tage (aus philosophisch-historischer
Sicht)
Eine
abendländische „Disputation“ im Monolog nach Voltaire, Heine und Nietzsche.
Über die von
Menschen gemachten Gottheiten des Alten und des Neuen Testaments, über
Gottesvorstellungen und Attribute Gottes aus der Sicht eines freigeistigen,
religiös toleranten Ethikerst der Gegenwart in Betrachtungen, und Reflexionen,
Sentenzen und Maximen
Gedanken
über religiöse Leitbilder und ethische Instanzen in gottferner Zeit
Religionsgeschichtliche
Betrachtungen eines Freidenkers ex cathedra – nach Nietzsche
Bibel-Paraphrasen
Die größte Tat des Josef Ratzinger
Der Rücktritt als Papst!
Dahinter steht die Einsicht, dass alte Leute senil
werden und Senile fehlbar sind, auch als Papst. Nun kann er Einkehr halten und
als emeritierter Professor wie Papst, fehlbar sein im Wissen und im Glauben.
„Disputation“
- Kann man als Deutscher heute noch frei über jüdische Themen schreiben?
Nach dem Holocaust? Ohne anzuecken? Ohne sich
selbst zu zensieren, wenn Gefahr besteht, missverstanden zu werden? Kann man
noch humorvoll schrieben – wie Heine in der „Disputation“?
Wer gut spotten will, muss innerlich frei sein,
nicht durch Skrupel begrenzt wie der Deutsche, der, einmal historisch
eingeschüchtert, nicht mehr ganz frei sein kann. Freiwillig ausgebremst
verkommt die erstrebte Wahrheit letztendlich zur halben Wahrheit, die oft schon
eine Lüge ist.
Die
arroganteste aller Religionen ist das Christentum
Seit es da ist, gesellschaftlich Fuß gefasst hat,
strebt es zur Macht, sich über das Judentum erhebend, aus dem es herstammt, und
über den Islam.
Leider wurde ich in diese Glaubensrichtung
hineingetauft, ungefragt. Erst im Todesalter des Nazareners trat ich endlich
aus der Amtskirche aus, nachdem ich mich schon lange Jahre, meinem Gewissen
gehorchend, von der – mir oft absurd und realitätsfremd erscheinenden - Doktrin
gelöst hatte. Voltaire, Heine und Nietzsche wirkten im Lösungsprozess als
Katalysator.
Das Christentum ist nicht nur ein Affront gegen das
Judentum; es beleidigt auch jede Religion der Naturvölker.
Drastisch?
Wer den Judenhass aus der Welt schaffen will, der
muss das Christentum ausrotten, mit Stumpf und Stiel, denn das Christentum ist
durch und durch judenfeindlich – und das von Anfang an.
Meine Definition des Christentums
Der fette Kardinal, der zum Fasten aufruft – damit
ist die Wesenheit dieser Weltreligion erfasst, des Pudels Kern. Es ist doch
alles Heuchelei, Tamino!
Das Christentum – die arrogante Weltanschauung
Die Menschheit war schon mehr als viertausend Jahre
alt, da machte eine Sekte sich breit, entsprungen aus Judentum wie später auch
der Islam: Das Christentum!
Einmal da, wollten sie die Alleinigen sein, die
einzig, gegen die Mutter rebellierend, und alle bekämpfend, die sich diesem
Alleinanspruch widersetzen sollten – bis zum heutigen Tag.
Übermensch Wölki
Ich denke, dass dieser Kardinal einen Spiegel im Haus
hat. Vielleicht sollte er guten Gebrauch davon machen und einmal hineinschauen.
Wer die christliche Kirche
verspottet, wird mit dem deutschen Bundesverdienst-Kreuz geehrt!
Ist das so? Dann muss ich mich,
um auch ein „Kreuz“ zu erhalten, schleunigst an die Arbeit machen, gegen das
Kreuz ankämpfen, auf das Christentum einschlagen, gegen diese Religion, die
ich, ungeachtet der Wahrhaftigen, die guten Willens sind, für eine verruchte
Weltanschauung halte, für ein Instrument der Machtergreifung und Machterhaltung
- und das seit fast 2000 Jahren!
Zahlreiche Beiträge dazu sind
schon geschrieben, liegen seit Jahren in Schublade, ein ganzes Buch - von der
Veröffentlichung der Texte habe ich bisher angesehen, weil es besonders bei
Büchern auf den Zeitpunkt ankommt, auch auf die volle Kraft des Autors, der,
über das geistige Schaffen hinaus, seine Positionen vertreten muss.
Das
war im Jahr 1982 in dem von Kommunisten gedruckten Schmutzbändchen
"Niederungen".
Es
sollten noch fünf Jahre vergehen, bis Herta Müller, mit dem kommunistischen
Agitator Richard Wagner in zweiter Ehe verbunden, die Welt des roten Diktators
Ceausescu verlassen sollte, um in dem bis dahin verachteten Deutschland
Aufnahme zu finden.
Die
Leute, die Deutschland regieren, ehrten beide antideutschen Renegaten des
Kommunismus mit dem Bundesverdienstkreuz -
und die katholische Kirche schwieg
wie so oft!
"Moderne "Hostienschändung" - Die Verhöhnung christlicher Sakramente bei
Herta Müller – und der besondere Dank der CDU wie CSU, Blasphemisches
bei Herta Müller. Auszug aus: Auszug aus: Carl Gibson Heimat, Werte
und Kultur der Banater Schwaben in den Zerrbildern Herta Müllers - Das
„deutsche Dorf im Banat“, „Reich der Grausamkeit“ und „Hölle auf
Erden“!?
Christus am Kreuz
Wer die christliche Kirche verspottet,
wird mit dem deutschen Bundesverdienst-Kreuz geehrt:
Aus dem Kapitel:
Christentum, christliche
Werte und Symbole;
Moderne "Hostienschändung" - Die Verhöhnung
christlicher Sakramente bei Herta Müller – und der besondere Dank der CDU wie CSU
Die
Katholiken Alois Glück aus der CSU und Bernhard Vogel aus der CDU werden sicher
begeistert sein und frohlocken,
wenn sie in meditativer Versenkung lesend verinnerlichen, wie Herta Müller mit den Symbolen und Sakramenten der Heiligen Kirche
umgeht,
namentlich
mit dem Leib Christi in der Hostie, die
bei ihr zu einem profanen Nahrungs- und Überlebensmittel reduziert wird.
Da Herta Müller mit der Verhöhnung bereits unter dem
Kommunisten begann– vielleicht inspiriert
von ihrem atheistisch-materialistisch, marxistisch-leninistisch-stalinistischem
Umfeld und ihrem roten Ehemann – bleibt sie auch im Westen dabei,
ohne
Rücksicht auf die religiösen Gefühle der Banater Schwaben und Donauschwaben wie
Bischof Zollitsch aus Freiburg, die nahezu allesamt Katholiken sind.
An
Allerheiligen feiern die Seelen Kerwei,
höhnte Herta Müller
damals in Ceaușescus Reich zur Freude aller roten Atheisten.
Frau Margit, in deren Stadt-Wohnung das „erzählende
Ich“ aus „Herztier“ ein Zimmer
angemietet hat, backt nicht nur die zur „Hostie“ bestimmten Oblaten aus, sie
ernährt sich auch von den übrig bleibenden Krümeln des Gebäcks, dass bei - der
nicht besonders bibelfesten - Herta Müller durchgängig als „Hostie“ bezeichnet
und als solche – also als Leib Christi – verhöhnt wird.
Dass erst durch eine rituelle Handlung des Priesters,
durch das Weihen der Oblaten-Teig zur „Hostie“ wird und somit zum Leib Christi,
kümmert die in Detailfragen durch die Bank schwache Autorin nicht.
Der Prozess der
Transsubstanziation fällt unter den Tisch – Eine Hostie ist für die Materialistin Herta
Müller eine Hostie, ganz egal, ob sie von Frau Margit vor der Weihe oder
von der geisteskranken Großmutter –
in bereits geweihten Zustand – aus dem
Kelch des Kirchenaltars geklaut und aufgegessen wird.
Für
Herta Müller zählt nur der Spott,
das
Verspotten der „Hostie“,
des
katholischen Ritus und der christlichen Symbolik!
Dafür
aber gaben ihr die Christen aus der CDU den Preis der Konrad Adenauer-Stiftung,
ganz im Gedenken an den Alten Mann und Katholiken aus Köln.
Und
die CSU überreichte der gleichen Verhöhnerin
des Christentums den Bayerischen
Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst, vielleicht deshalb, weil
Maximilian auch ein verkappter Protestant und Ketzer war?
Was der emeritierte
deutsche Papst und frühere Chef der „Inquisition“ dazu meint, ist mir nicht
bekannt.
Er plädiert vielmehr für das Eintreten in die Harmonie
der
„Symphonie
der Freiheit“,
der auch der
ehemalige Ministrant Carl Gibson - schon vor dem päpstlichen Ausspruch - als Werk-Autor
in einem Tausend-Seiten Opus das Wort redete.
Christentum, Kirche und religiöse Gefühle –
manchmal schlägt die
plumpe Provokation zurück –
und die späte Stunde der Wahrheit!
Blasphemisches
bei Herta Müller
Die beiden großen christlichen Parteien in
Deutschland, die CDU und die CSU, haben die lange Zeit höchst
deutschlandskeptische Herta Müller spätestens ab 2004 (KAS-Literaturpreis) für sich vereinnahmt und dann diese kontrovers
diskutierte, stark polarisierende Autorin aus dem Banat auch noch mit diversen
Ehrungen bedacht, ja überhäuft, wohl, um die eigene Ikonen-Wahl nach außen zu rechtfertigen
ohne dabei zu bedenken, wen sie ehren
– eine Person mit falschem Nimbus, die von Anfang an gegen die eigene deutsche
Minderheit hetzt, die aber auch das Christentum, die Gestalt Christi und die
Sakramente der katholischen Kirche verhöhnt, ja bis zur Blasphemie steigert.
Belegstellen gezielt praktizierter Blasphemie der
geschmacklosen Art finden sich zuhauf in Herta Müllers Hetz-Werk– beginnend mit
dem noch in der kommunistischen Diktatur und mit dem Segen der Kommunisten
verfassten antideutschen wie antiklerikalen Schmäh-Bändchen „Niederungen“. Den Ideologen und christlichen Strategen sind diese Details noch nicht
aufgefallen, vielleicht aus deshalb nicht, weil keiner aus deren Reihen
große Lust verspürte, im geistigen Sumpf zu waten. Doch es besteht Hoffnung! Spätestens beim Vorschlag zur Seligsprechung der Heroine im
unheiligen Gefolge der Jeanne d‘ Arc wird man genauer hinsehen! Jesuiten und
Benediktiner können schließlich lesen!
Auszug aus:
In
die Ukraine hat er es noch nicht geschafft, noch nach Moskau, wo man ihn nur
bedingt sehen will, dieser Nachfolger Petri und Oberste Hirt der Christenheit,
dem der deutsche Papst den Stuhl räumte und der als Hoffnungsträger antrat, um
-Böses austilgend - Teile der Menschheit miteinander zu versöhnen, Christen mit
Atheisten, mit den Angehörigen anderer Weltreligionen, mit Naturreligionen und Naturvölkern,
insofern Letztere noch da sind und nicht ausgerottet wurden im Missionierungs-
und Vernichtungswahn der Christenheit im destruktiv-kolonialistischen Vormarsch
weltweit bis hin ins Ferne Asien nach China und Japan.
Fast
überall ist das -inzwischen moralisch höchst fragwürdige - Christentum
gescheitert.
Was
will der Papst bei den Ureinwohnern Nordamerikas, die man – im Namen
Christi über die christlichen „Konquistadoren“ und Eroberer im Süden des
Kontinents und auch im Wilden Westen des Nordens fast vollständig ausgerottet
hat?
Vergebung
bitten für einen systematisch betriebenen Genozid an 15 Millionen Indianern?
Wer
spricht darüber?
Wer
spricht heute über die vielen Tausend Verbrechen, die Namen des Gottessohnes
Jesus von Nazareth in den Jahren 1800 bis 1990 allein auf kanadischen Boden an
den „First Nations“ begangen wurden, ja, heute, wo auch in Deutschland
immer mehr Schandtaten bekannt werden, die Kinderschänder aus den Reihen der
katholischen Kirche zu verantworten haben und die heute dicke Bände füllen?
Der
Gott der Christenheit, insofern man an ihn glaubt, hat das bestimmt so nicht
gewollt!
Lasset
die Kinder zu mir kommen!
Und
die kindlichen Völker? Völker, die alle ihre Gottheiten hatten und haben,
Naturgottheiten, die schon da waren und wirkten noch bevor es die uralte
Religion der Juden und den daraus emanierenden Monotheismus mit der
Dreieinigkeit, das Christentum, gab!?
Fluch
auf das Christentum,
schrieb Nietzsche in „Ecce homo“.
Verfluchen
werden auch noch viele andere Opfer dieses realexistierende Christentum der
Machtmenschen, der Päpste und Könige, die Menschen ans Kreuz nagelten, als Ketzer
und Hexen verfolgten, auf Scheiterhaufen verbrannten, die ganze Nationen ausrotteten
und einfache Naturvölker, die nur mit der Natur existieren wollten, harmonisch
im Einklang mit sich selbst und dem Universum.
Werden
die „First Nations “, die Ureinwohner Nordamerikas, der christlichen Kirche die
vielen Verbrechen verzeihen, die, fern von jeder Humanität, begangen wurden, nur,
um Menschen zu quälen, zu schinden, umzubringen und um ganze Stämme auszurotten,
vom Erdboden zu vertilgen, um diesen für sich selbst zu nutzen, als Eigentum,
als geraubtes Eigentum?
Werden
die „First Nations “ auch den weltlichen Herren, den Regierungen der ehemaligen
britischen Kolonie und Teil des Commonwealth, den Politikern Kanadas mit
Trudeaus Sohn an der Spitze, verzeihen?
Die
Geste aus dem Vatikan kommt spät, flankiert von dem Hinweis mit der Knute,
deutsche Moralisten dürften die Kirche Christi nicht erneut aus eigenen Antrieben
heraus reformieren wollen, gleich Luther Anno dazumal, auch dann nicht, wenn
die absonderlichen Taten der katholischen Kinderschänder zu Himmel schreien!
Heuchlerisch
– wie seit fast 2000 Jahren:
Der
Papst gibt vor, wie es zu sein hat im Christentum, wem verziehen wird und wie
es weiter geht … in den Untergang!
Mögen
sie dahinfahren,
würde ein Nietzsche sagen!
Sie
haben es nicht besser verdient!
Wer
den Ostblock-Kommunismus noch bewusst miterlebt hat, etwa als Dissident oder
Oppositioneller, der weiß es aus eigener Erfahrung: alle Kulte in den
Ostblockstaaten waren geheimdienstlich unterwandert, in der DDR ebenso wie
in Rumänien, wo ich unter den Gläubigen Jahre lang nach antikommunistischen
Mitstreitern suchte, um kaum welche zu finden.
Mann
Gottes auf Erden, Joachim Gauck könnte da ein Wörtchen mitreden, auch
über die Art, wie man eine Arbeiter- und Bauern-Diktatur überlebt; und
Pfarrerstochter Angela Merkel, deren Familie Kontakte in das
Honecker-Umfeld nachgesagt werden, ebenso. Auch würde es mich nicht wundern,
wenn selbst der polnische Papst, Karol Wojtyla, bei
aller antikommunistischen Ausrichtung während seiner Zeit als Bischof und
Kardinal auch in irgendeiner Form mit dem polnischen Geheimdienst während Giereks
und Jaruzelskis Zeiten zusammengearbeitet hat, nur um als Repräsentant der
Kirche und mit der Kirche im Sozialismus zu überleben.
Die
Angst bestimmt in der Diktatur, die Furcht vor Repressalien. Die Einzelbürger
wussten das wohl, aber auch die Akteure in den Kirchen, die – bis auf
wenige Ausnahmen – mit der Staatsmacht kooperierten, mit der Partei und den
Geheimdiensten, weil es nicht anders ging.
Wenn
sich nun herausstellt, dass auch Putins oberster Pope, Patriarch Kyrill,
einst für den russischen Geheimdienst tätig war,
dann ist das keine Novität, über die man sich groß wundern sollte, sondern
entspricht der über Jahrzehnte praktizierten kommunistischen
Unterwanderungstradition, aus der die jetzige Kumpanei Kyrills mit dem
verbrecherischen Kriegsführer Putin erwächst.
Stalinismus
und Kirche – wie passt das zusammen?
Das
geht ganz hervorragend, indem der aus dem KGB herstammende Neo-Stalinist
Putin eine Kerze anzündet und Patriarch Kyrill das Weihrauchfass schwingt
und sich ein orthodoxes Halleluja in den Bart murmelt, für den verlogenen
Diktator und für das verblödete
Volk der Russen, das den Zirkus mitmacht, während die orthodoxen Popen der
Ukraine – im Krieg viel näher an dem geschundenen Volk im Leiden – diesem
orthodoxen Christentum schon
lange den Rücken gekehrt haben.
Vgl. dazu meinen Beitrag, den ich vor
Wochen publizierte, als Thema der Volksverdummung: Der Macho aus dem Kreml und der
orthodoxe Patriarch aller Russen aus der ersten Reihe in Putins Muppet-Show,
genannt Duma, wobei ein ganzes „verführtes“ Volk mitmacht!
Die
Volkverdummung nach innen geht weiter – und Patriarch Kyrill macht mit, während
der Papst in Rom schweigt und die Protestanten kuschen.
Die
Kirche Christi hat sich weit von der Botschaft Christi entfernt – und Mörder
können ihr Ding tun, das Volk nach innen verdummend, nach außen aber
brandschatzend und mordend wie schon lange nicht mehr.
Putin,
der den Kommunismus im Kerzenschein wieder aufleben lässt, die Tyrannis in der
Antike, ja, selbst die rote Diktatur an Grausamkeit weit übertreffend, ist
inzwischen ein schlimmerer Verbrecher als Stalin, der in der Stille der Nacht
morden ließ, exekutieren, deportieren ließ am laufenden Band, während Putin das
am helllichten Tag und vor den Augen der durchführen lässt. Der Diktator ordnet
an, befielt – und nicht minder verbrecherische Russen führen die Befehle aus, einfache
Soldaten, die, wie es scheint in der Armee zu Mördern erzogen wurden und primitive
Generäle, die nicht besser sind als der Führer im Kreml, dessen Morden deutsche
Generäle – wie Merkel-Berater Vad – mit
Defaitismus begegnen wollen.
Putins
5. Kolonne ist inzwischen überall
Und
ihr Wirken reicht bis hinein in die Beratergremien des deutschen Kanzlers.
|
Ecce Homo - Memento.
Christus am Kreuz im Arkau-Wald, Bad Mergentheim.
|
Der
alte Mann in Rom ziert sich – und das schon seit Wochen, ohne den Aggressor aus
Russland zu verurteilen!
Auch
findet dieser Franziskus – als ein der Moral verpflichteter Christ - nicht die rechten
Worte, um die Leiden der unschuldigen Opfer in der Ukraine zu beschreiben und
um Putin, der frech Christus zitiert, zurückzupfeifen.
Was
wohl Jesus wohl zu dieser Haltung sagen würde?
Der Jesus der Bergpredigt?
Also
frage ich mich – als Kritiker des Christentums und als ethischer Philosoph:
Ist
dieser Stellvertreter Gottes auf Erden integrer als der Patriarch aus Putins
Duma, der die Waffen segnet, die in der Ukraine unschuldige Menschen töten?
Vgl. auch:
Und
das Böse hat ein Gesicht!
Mit
diesem brutalen Angriffskrieg mit vielen Tausend Toten Zivilisten hat der neuzeitliche
Teufel Putin die Menschheit in die Zeit vor Hitler zurückgeworfen.
Mit
diesem verbrecherischen Krieg gegen das Völkerrecht, in Russland „Spezialoperation“
genannt, und gegen alles, was der zivilisierten Menschheit heilig ist, hat
Putin, der Stalins Taten verblassen lässt, das – duldsame - Volk der Russen zu
einem Volk der Aussätzigen gemacht, zu einem Paria-Volk; und es
wird lange dauern, bis man die Russen wieder in den Kreis der friedfertigen,
kultivierten Völker der Welt aufnehmen wird.
Putin
hat
– wie von weitsichtigen Köpfen befürchtet – die Russen ihrer Zukunft
beraubt.
Im Schatten Luthers - Savonarola – Der Vorläufer der Reformation aus Italien
Leseprobe aus:
Carl Gibson,
Koryphäen der Einsamkeit und Melancholie in Philosophie
und Dichtung aus Antike, Renaissance und Moderne, von Ovid und Seneca zu
Schopenhauer, Lenau und Nietzsche.
Das Werk ist vergriffen.
Copyright: Carl Gibson 2020.
|
Girolamo Savonarola, Worms, Detail.
Savonarola,
Teil eines Reformatoren-Denkmals in Worms am Rhein
|
8. Girolamo Savonarola – Der melancholische Reformator vor der Reformation.
Am 23. Mai 1598 wurde Girolamo Savonarola im
Zentrum von Florenz gehängt und dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt,
nachdem er mehrere Tage auf brutalste Weise gefoltert worden war, ohne
zu gestehen oder zu widerrufen. Aus der Sicht seiner Henker, des
dekadenten, machtblinden wie inkompetenten Borgia Papstes Alexander VI. und seiner Handlanger, war der große Reformator der Christenheit ein Herätiker und Schismatiker, nicht anders als, um nur einige illustre Namen zu nennen, der vom Papst gebannte, große deutsche Mystiker Meister Eckhart Jahrhunderte vor ihm oder Giordano Bruno, ebenfalls auf einem italienischen Scheiterhaufen im Feuer endend, bald nach ihm.
Heute ist gewiss, was schon damals zu vermuten war: Die Exekution Savonarolas war ein eiskalter Justizmord im Geiste der Inquisition.
Das Todesurteil stand bereits fest, lange bevor die Anschuldigungen und
Ketzerei-Vorwürfe überhaupt geprüft worden waren. Es war eine gezielte
Hinrichtung, die aus klerikalen wie machtpolitischen Gründen
herbeigeführt und forciert wurde.
Doch wer war Hieronymus Savonarola, dieser einsame Asket und melancholische Charakter, wirklich? Die
Meinungen über die - mehr von charismatischer Sendung als von blindem
Fanatismus erfüllte - Persönlichkeit, die Königen trotzte, geniale
Geister der Zeit in ihren Bann zog, unter ihnen geniale Naturen wie
Michelangelo, Sandro Botticelli oder Giovanni Pico della Mirandola, über den visionären Reformator vor Luther, der
dem Papsttum den moralischen Krieg erklärt hatte, sind nach wie vor
kontrovers und klaffen, je nach weltanschaulichen Standpunkt und Lager,
weit auseinander.
Für einzelne Betrachter ist Savonarola schon
aus ideologischen Gründen ein wild gewordener, lebensfeindlicher
Dominikaner, ein obskurer Prediger des Untergangs, ein falscher Prophet
und Scharlatan, der den humanistischen, kunstgetränkten Geist der
Renaissance zugunsten eines primitiven Urchristentums abwürgen und im
lichten Florenz eine Theokratie, einen obskuren Gottesstaat, errichten
wollte. Für andere Interpreten hingegen repräsentiert er den großen
Nachfahren von Jan Hus.
Seinen Befürwortern und geistigen Gefolgsleuten gilt er durch die
Jahrhunderte hindurch als geistiger Erneuerer und Wegbereiter des
Protestantismus, als Präreformator der christlichen Kirche schlechthin,
als zielstrebiger, glaubwürdiger Vorläufer Luthers und Calvins, kurz,
als der überzeugte, innerlich wahrhaftige Christ. Das alles betrifft die
religiös ausgerichtete Wertung. Ferner sieht man in Savonarola aber
auch den Sozialreformer, den politischen Visionär und frühen „Einiger
Italiens“. Von Martin Luther selbst stammt ein Ausspruch, er verehre Savonarola wie einen Heiligen.
Das
schon zu Lebzeiten des polarisierenden Präreformators mit
Diskreditierungsabsicht in die Welt gesetzte und rücksichtslos
verbreitete pejorative Savonarola-Bild
hat hauptsächlich weltanschauliche Ursachen. Es variiert und
polarisiert auch heute noch je nach eingenommener Perspektive.
Andererseits beruht die Negativ-Einschätzung dieser historischen
Persönlichkeit von Rang auf Unkenntnis des spärlich bekannten und nur in
geringem Umfang ins Deutsche übertragenen Werkes. Komplexe historische
Zusammenhänge sowie eine übersteigerte Ästhetisierung der
Renaissance-Epoche verfälschen eine objektive Einschätzung dieser
besonderen Gestalt der Theologie ebenso. Ein markantes Beispiel für
Savonarolas Abwertung liefert - der bekanntlich zum gesamten Christentum
auf Distanz gehende - Goethe an jener Stelle, an welcher er auf das Gespräch zwischen Savonarola und dem sterbenden Lorenzo de’ Medici,
dem Prächtigen, zu sprechen kommt. Der große deutsche Heide und
leidenschaftliche Bewunderer der Renaissancekunst ergreift dabei
eindeutig Partei und schlägt sich auf die Seite des freigeistigen
Kunstförderers Lorenzo de’ Medici, ohne tiefer nach zeitspezifischen,
sozialen und politischen Implikationen zu fragen und ohne zu bedenken,
dass der gleiche bewunderte Freigeist und Kunstmäzen, zugleich auch ein
machtpolitisch orientierter Despot war, ein Fürst, der die von
Savonarola promulgierten
und instaurierten republikanischen Verhältnisse in Florenz aus
familiären und machtpolitischen Erwägungen ablehnen musste. In seiner
idealisierenden Würdigung der Renaissance-Epoche in Geist und Kunst,
betont ein antiklerikal gestimmter Goethe etwas entrüstet: „Diesem großen, schönen, heiteren Leben setzt sich ein fratzenhaftes, phantastisches Ungeheuer, der Mönch Savonarola,
undankbar, störrisch, fürchterlich entgegen und trübt pfäffisch ein die
dem mediceischen Haus erbliche Heiterkeit der Todesstunde.“
Goethe orientiert sich in dieser eindeutig überspitzt polemischen Charakterisierung an der Überlieferung des Pico della Mirandola,
deren Glaubwürdigkeit – bei allem Respekt vor Picos charakterlicher
Integrität – doch nicht selten angezweifelt wird. Pico, ein viel
bewunderter Philosoph der Zeit und prominentes Mitglied der platonischen
Akademie in Florenz, jüngerer Freund Lorenzos und später überzeugter
Anhänger Savonarolas, berichtet: Savonarola,
auf Wunsch des Fürsten an dessen Sterbebett gerufen, soll für die
Erteilung der Absolution folgende Bedingungen gestellt haben: „Erstens müsst Ihr bereuen und wahre Zuversicht in Gottes Gnade empfinden.“ Lorenzo stimmte zu. „Zweitens müsst Ihr Euren auf üblem Weg errungenen Reichtum aufgeben.“
Darüber dachte der Fürst zunächst nach, stimmte dann aber zu.
Schließlich soll Savonarolas letzte Forderung in dem Satz kulminiert
haben: „Drittens müsst Ihr dieser Stadt die Freiheit wiedergeben.“ Der Prächtige soll sich daraufhin enttäuscht abgewandt haben und ohne Absolution gestorben sein.
Der Spätromantiker und kritische Katholik Nikolaus Lenau folgt in seinem – in der Habsburger-Monarchie als zeit-, religions- und systemkritisch empfundenen – „Savonarola“-Epos ähnlichen, vielleicht auch identischen Quellen. Sein Savonarola fordert von Lorenzo, der aus der Sicht des historischen Savonarola, trotz aller Milde und Philanthropie, doch auch den Typus des Despoten, ja Tyrannen, verkörpert:
„Lorenzo! gib die Freiheit wieder,
Der Republik ihr altes Recht,
Das uns gekämpft, geschmeichelt nieder
Dein übermüthiges Geschlecht!“
Auch im Epos Lenaus wird der an sich unmoralische, ja machiavellistische Versuch des Savonarola, das Einführen demokratischer Strukturen und politischer Freiheiten von der Erteilung christlicher Sakramente abhängig zu machen, scheitern. Lorenzo wird ohne Segen sterben.
Angelo Poliziano, der Humanist, Poet und Erzieher von Lorenzos Kindern hingegen, hat eine andere Sterbesituation übermittelt. Nach Polizianos Testimonium soll Lorenzo ein Festhalten am Glauben, Besserung und mutige Todesbereitschaft zugesagt haben. Daraufhin soll er im gemeinsamen Gebet mit Savonarola und mit dessen Segen von dieser Welt geschieden sein.
Was ist Mythos, was entspricht der historischen Wahrheit? Fakt ist: Der
Prächtige hat den lauteren Bußprediger nicht nur Jahre lang in seinem
Machtbereich geduldet, er hat ihn sogar geschätzt. Nach einer
überlieferten Aussage von Lorenzo de’ Medici, will er selbst in Savonarola den einzig wahren Mönch erkannt haben, dem er im Leben begegnet sei.
Wird zudem bedacht, dass weitere Geistesgrößen der Renaissance, namentlich Michelangelo, Botticelli, Pico und
andere herausgehobene Persönlichkeiten aus Kunst, Philosophie und
Dichtung der gleichen Faszination - des auch existenziell überzeugenden -
Altruisten erlagen, dann erscheint Lorenzos Beurteilung durchaus
plausibel. Daraus spricht ferner eine hohe Wertschätzung des einfachen
Geistlichen, der, nachdem er schon einige Jahre in einem florentinischen
Kloster verbracht hatte, auf Pico della Mirandolas Intervention hin sich endgültig für ein Bleiben in Florenz entschied.
Savonarolas Wirken
als charismatischer Prior von San Marco, ja sein Wirken in Florenz
überhaupt, wäre ohne ein gewisses Wohlwollen Lorenzos auch nie möglich
gewesen. Lorenzo zog es vor, ihn wohlwollend zu dulden, obwohl es auch
viele Gründe gegeben hätte, den aufrührerischen Mönch Savonarola aus den Mauern der Stadt zu vertreiben.
Auch heute noch, lange nach Epikur und
Savonarola, ist das Versagen oder Spenden der Sakramente ein probates
Mittel der Kirche, die verängstigten Schäflein der Christenheit
zusammenzuhalten.
8.1. Gott geweihtes Leben in stiller Einkehr und früher Protest aus der Klosterzelle.
Savonarola,
1452 in der bedeutenden norditalienischen Stadt Ferrara geboren, war
der zweite dieses Namens, der die Italiener aufhören ließ. Bereits sein
Großvater, Michael Savonarola,
war ein in humanistischen Kreisen Europas bekannter Arzt und gern
zitierter Schriftsteller. Als guter Kenner der Antike vermittelte dieser
dem Enkel, auf dessen besondere Begabungen er früh aufmerksam geworden
war, die lateinische Grammatik. Als konsequenter Christ weckte er in ihm
auch einen Sinn für innere Werte, für religiöse Innerlichkeit,
Moralität und Wahrhaftigkeit.
Reformatorische Bestrebungen im politischen wie religiösen Bereich waren prägende Kennzeichen der Zeit. Bereits Michael Savonarola soll
die Kleriker jener Tage ermahnt haben, von der allgegenwärtigen
Heuchelei Abstand zu nehmen. Stattdessen sollten die Wasserprediger und
Weintrinker den Gläubigen jene Wertvorstellungen vorleben, die sie von
der hohen Kanzel herab der breiten Masse vorpredigten. Damit war ein
geistlich-geistiges Erneuerungsprogramm wesentlich vorgezeichnet, jene
Botschaft, die Enkel Girolamo Savonarola zum Lebensinhalt erheben sollte: Die Reformation der katholischen Kirche in Rückbesinnung auf die eigentlichen Werte des Christentums.
Nachdem Girolamo Savonarola die
Ausbildung der sieben freien Künste abgeschlossen hatte, verließ er das
wohlbehütete elterliche Umfeld in Ferrara und suchte, ohne seine Eltern
von seinen Plänen unterrichtet zu haben, den Weg in die mönchische Einsamkeit, das Leben in der Abgeschiedenheit.
Mit der Aufnahme in einem Dominikanerkloster in Bologna, verbunden mit
der Hoffnung, auf diese Weise seinen eigenen Weg unabhängig gehen zu
können, entschied sich der Novize, fern von gesellschaftspolitischen
Ambitionen, zunächst nur für das Gott geweihte Leben in stiller Einkehr.
8. 2. Zeitkritik und Fragen der Moral in „Weltflucht“ und „De ruina mundi“- Vom Verderben der Welt.
Wie aus späteren Briefen an die Eltern hervorgeht, strebte der junge Savonarola bewusst ein weltabgewandtes, einsames Leben in der Klosterzelle an, um über Meditation und Gebet zur
seelischen und geistigen Besinnung zu finden. Als Erklärungsversuch
seiner Antriebe ließ er dem Vater ein Manuskript zukommen. Es trägt die
bezeichnende Überschrift „Weltflucht“ und dürfte - bis zu einem gewissen Grad - von Petrarcas gleich lautendem Werk inspiriert sein. Doch anders als Petrarca,
der, wie weiter oben erörtert, seinen Weg zur Wahrheit primär in der
philosophischen und künstlerisch-poetischen Auseinandersetzung sucht,
konzentriert sich der junge Savonarola,
dem Dichten und Philosophieren noch nicht ganz abgeneigt, vor allem auf
die Weisheiten und Lösungsansätze der Bibel, speziell auf das Neue
Testament sowie auf die - für sein Bewusstsein, Selbstverständnis, Haltung und Auftreten wichtigen, ja maßgebenden - Bücher alttestamentarischer Propheten.
Weltflucht, das war für Savonarola, dem - wie seinen Vorbildern Dante und Petrarca - ein Hang zur Melancholie nachgesagt
wird, ein entschlossenes Eintauchen, ja Abtauchen in die
Abgeschiedenheit und Einsamkeit, ein asketisches Leben in der kargen
Zelle eines Mönchs bis hin zum gottgewollten Märtyrertod.
Vertiefte
Bibelstudien prägen diese monastische Lebensphase, ferner Exegese und
Meditation über Bibelsentenzen. Nahezu alle seine Erkenntnisse bezog
Savonarola aus
seinen - bis hinein in die mystische Versenkung - gesteigerten
Auseinandersetzungen mit der Heiligen Schrift. Aus Botschaften reiften
Gewissheiten heran, die dann an der bestehenden Realität in der
Gesellschaft überprüft werden sollten.
Was
war vom wahren Geist des Christentums, wie er aus der Bibel sprach, in
der Zeit des Borgia-Clans, der Mediceer und anderer Tyrannen noch
übrig? Wer
nach den Gründen sucht, die, neben der religiösen Radikalisierung, jene
alsbald einsetzende Politisierung des Dominikanermönchs begründen, wird
deren Wurzeln bereits in einem Frühwerk vorfinden, richtungweisend
ausformuliert in einem Lehrgedicht. Das Werk mit der alles bezeichnenden
Überschrift „De ruina mundi“, Vom Verderben der Welt atmet ganz die befreiende Luft Petrarcas, der als unverkennbarer Spiritus rector im jungen Girolamo weiterwirkt. In diesem Pamphlet zeichnet der spätere Glaubensbruder Meister Eckharts das Bild einer verkehrten Welt,
einer Welt, deren Werte auf dem Kopf stehen und in welcher nicht mehr
der gütige Gott der Christenheit regiert, sondern der Leibhaftige. Das
Gute ist unten, das Böse oben. Alle Sitten sind verkommen – und mit ihr
die für die Erhaltung der Werte zuständige katholische Kirche. Die ganze Welt der Christenheit – ein Sodom und Gomorra? Oder ist nur ihr Nabel krank – Rom und der Vatikan?
„Wenn ich die Welt hier seh so bös verkehret,
und ausgegeben ganz, und ausgeleeret,
gar alle Tugend, jede schöne Sitte. (...)
das Szepter ist gefall’n in Räuberhände;
Sankt Peter naht sich seinem Ende;
Dort wird verprasset Raubgut, ungezählt:
Mich wundert nur, wie noch der Himmel hält.
Siehst du denn nicht den spöttischen Verschwender,
(...)
Merk auf den Kuppler wohl, den Knabenschänder
in Purpur – weh! Ein eitler Blender;
der Haufen folgt ihm und die Blinden schwärmen!
Mußt du nicht auch in bittrem Ekel härmen,
dass dieses schwelgerische Schwein sich freut,
man deine hohen Lobgesäng’ ihm beut,
entwendet von Jasagern, die da mitgenießen –
dieweil die Deinen sind von Land zu Land verwiesen.
Glückselig heutzutag, der lebt von Raub
Und besser satt wird von der andern Blut (...)
So einer wird die Ehr der Welt verderben,
der Bücher, Schriften nimmt, voll Büberei, in Acht,
Aus jeder Schlechtigkeit ein trefflich Handwerk macht.
Die Erde neigt sich so bedrückt dem Laster zu,
dass nie allein sie abtun mag die Bürde:
zugrund’ geht Rom, Haupt ihr und Würde (...)
und jedermann bemüht sich, die Wüste auszubreiten:
Vorüber sind die frommen, sind die keuschen Zeiten. (...)
Mein Lied, o lasse niemals dich betören
dass an dem Purpur du dich hieltest feste;
Flieh hohe Hallen und Paläste
und sorge, dass dein Wort nur wen’ge hören:
denn aller Welt wirst du den Frieden stören.“
„Die Wüste wächst – Weh dem, der Wüsten birgt“, wird Nietzsche, der große Kirchenkritiker der neuesten Zeit, viel später ausrufen. Angewidert vom Zerfall der Werte der Christenheit wird er dann auch - aus der Einsamkeit seiner Wüste heraus - der Verwüstung Einhalt gebieten und zur Umkehr und Neuwertung ausrufen: Umwertung aller Werte.
Fast ein halbes Jahrtausend vor Nietzsche liefert Savonarola das
historische Vorspiel dazu – als Agierender die gesamte Vita dem hehren
Ziel unterwerfend, doch zunächst noch mit einem Pamphlet moralischer
Entrüstung, das auf dem Hintergrund einer inneren Wahrhaftigkeit
entstand.
Neben den zahlreichen lyrischen Anlehnungen an Petrarca, die darauf verweisen, wie intensiv sich der junge Savonarola mit
dem paradigmatischen Vorbild seines lange exilierten Landsmannes
auseinandergesetzt haben muss, fällt auch die geistige Nähe des einsamen
Dominikanermönchs zu dem zwar frommen, aber auch antiklerikal
ausgerichteten Dichter auf. Ähnlich wie Petrarca, der die Missstände in
der Papstresidenz Avignon geißelte, so kritisiert Savonarola von
Bologna und später von Florenz aus das dekadente Papsttum in Rom. Rom,
die Ewige Stadt und das Zentrum der Christenheit, wird für ihn zum
Symbol des allgemeinen Niedergangs, des gesellschaftlichen wie des
moralischen, während die Christenheit von Florenz aus, wo das
eigentliche Herz Italiens schlägt, reformiert werden soll.
Bezeichnend
ist, dass in diesem Gedicht, welches vermutlich um 1472 entstanden sein
dürfte, klerikale Zustände in Rom gebrandmarkt werden, die noch nicht
in die Amtszeit des berüchtigten Borgia-Papstes fallen. In einem Anfall
von hypertropher Polemik gegen das moralisierende Christentum und gegen
die Reformation sollte Nietzsche später in seinem „Antichrist“ die Zeit des Borgia als das Leben auf dem Papstthron verherrlichen und in seiner eigenwilligen Umkehr, die Werte erneut auf den Kopf stellen.
In
Wirklichkeit war die Zeit der Borgias, des Vaters wie des Sohnes
Cesare, ein absoluter Höhepunkt moralischer Dekadenz, nicht aber ihr
Anfang und auch nicht ihr Ende. Auch die Zeit davor, die Michael
Savonarola und
sein Enkel Girolamo bewusst erleben, war nicht sittlicher. Mord, Raub,
Betrug, Rache, Machtmissbrauch aller Art gehörten zum Alltag. Nicht
anders als in der römischen Antike zur Zeit Caligulas und Neros,
wo jeder jeden umbrachte, der ihm bei der Ausübung der Macht gefährlich
werden konnte, die eigenen Blutsverwandten, die Mütter, Väter und
Kinder nicht ausgenommen, war jedermann dem Tod geweiht. Wer die Macht
innehatte, ob geistlich oder weltlich, versuchte, diese um jeden Preis
und auf Kosten anderer durchzusetzen, seit Machiavelli sogar
unter pseudolegitimer Außerkraftsetzung moralischer Kategorien mit
staatsphilosophischem Segen. So wurden ganze Fürstentümer geboren und
vernichtet.
Der
nicht unwichtige Aspekt, dass die Renaissancezeit nicht nur eine
geistige Wiedergeburt des antiken Geistes darstellt, sondern als
gesellschaftspolitisch brutale Zeit gelten muss, wird auch heute noch
und gerade von jenen vergessen, die in der Renaissance nur eine Kunstepoche sehen. In
ihrer Neigung zur Idealisierung werden die Aspekte des trivialen,
politischen Alltags nahezu ignoriert. Noch schlimmer ist, dass in einer
Welt des Niedergangs auch die höchste moralische Instanz der
Christenheit, das Papsttum, in sich verkommen ist. Deshalb reagiert der
junge, von der Reinheit der christlichen Lehre und des wahren
Christenmenschen durchdrungene Savonarola mit massiver Enttäuschung auf seine Zeit, in welcher, die Amtskirche als Hüterin der Moral eklatant versagt hat.
Der
Papst, Stellvertreter Gottes auf Erden, einsames unantastbares und
unfehlbares Apogäum der Christenheit, ist zur Inkarnation der Sünde
verkommen: Man kennt ihn als „Knabenschänder“, umgeben von Opportunisten, von Lobhudlern, Speichelleckern und „Jasagern, die da mitgenießen – dieweil die Deinen sind von Land zu Land verwiesen“. Während die Wahrhaftigen verbannt werden und ins Exil gehen müssen - wie bald auch ein Pico bis nach Frankreich flüchten muss -
macht sich die Lüge überall breit und nistet sich dauerhaft auf dem
Thron der Christenheit ein, wohlgemerkt, noch vor Rodrigo Borgia alias Alexander VI. .
Eine Welt, die dem Laster zuneigt, die auf Purpur setzt, „aus jeder Schlechtigkeit ein trefflich Handwerk macht“, die keine sittliche Struktur aufweist, ist wert, dass man sich von ihr abkehrt, ihr entsagt: „Flieh hohe Hallen und Paläste“, jene
Stätten der Verkommenheit, sittlicher Verrohung und offensichtlicher
Dekadenz, wo die - nur wenigen vorbehaltene - Stimme der Wahrheit nie
gehört werden wird.
Rückzug ist angesagt. Die Einsamkeit der Zellenwände bietet
ein solches Asyl und ermöglicht die Rettung der eigenen Seele in einer,
alles Geistige und Geistliche bedrohenden Umwelt.
Seneca und Petrarca klagten seinerzeit mit Vehemenz an. Sie benannten die Übel und stellten deren Verursacher an den Pranger – Girolamo Savonarola folgt
ihrem Exempel – aus innerster Überzeugung heraus, aus Verantwortung und
aus gesellschaftlicher Notwendigkeit. Dabei sehnt er sich aufrichtig
nach der längst verlorenen, natürlichen Ursprünglichkeit des
Urchristentums, des Christentums der Märtyrer, nach dem einfachen
christlichen Leben, nach Menschlichkeit und zwischenmenschlicher
Solidarität, nicht nach Reichtum, Purpur, Prunk und Pomp, die er als eitel und nichtig ansieht – Vanitas auch hier.
Savonarola, Predigten und Schriften. Ausgewählt, biographisch geordnet und erläutert von Mario Ferrara. Salzburg 1957. S. 24ff.
8.3. Kritik des Christentums sowie des dekadenten Papsttums im poetischen Frühwerk - „De ruina Ecclesiae“ oder „Sang vom Verderben der Kirche“, (1475).
Dem gesellschaftskritischen Gedicht von dem Ruin der Welt,
in welchem das Versagen der moralischen Ordnungsmacht Amtskirche
bereits angeprangert wurde, folgt ein weiteres Poem des seelisch noch
unverfälschten Jungmönchs Savonarola über den tatsächlichen Ruin der Kirche, „De ruina Ecclesiae“ oder „Sang vom Verderben der Kirche“. In dieser frühen Dichtung mit Pamphlet-Charakter aus dem Jahr 1475, rückt der Reformationsgedanke
in den Mittelpunkt der Zeitkritik des Dreiundzwanzigjährigen, bestimmt
von der aufrichtigen Sehnsucht nach baldiger geistig-spiritueller
Erneuerung der Kirche von den Ursprüngen ausgehend hin zu einer
geläuterten, wahrhaftigen Ebene:
„Du keusche Magd, wohl darf ich es nicht wagen,
Doch stimm ich ein in deine bittern Klage.
Wie bist du doch so fern den selgen Zeiten,
Da sich die Märtyrer dem Tode weihten!
Der Heil’gen Kirche schwand in Himmelsferne
Und harret unser in dem Reich der Sterne.“
Der aufstrebende jugendliche Savonarola,
der sich jetzt schon in der Tradition frühchristlicher Märtyrer sieht,
jener im Kolosseum den Löwen Geopferten, lässt die Kirche selbst,
allegorisch als hehre Mutter apostrophiert, die Wurzel des Unheils bezeichnen. Es ist dies die – seit Lorenzo Valla als plumpe Fälschung erwiesene – „Konstantinische Schenkung“,
mit welcher in der Abwendung vom Geistigen und der Zuwendung zum
Materiellen der Niedergang des römischen Katholizismus begann:
„Da nahm die hehre Mutter meine Hände
Und führte weinend mich in öd Gelände
Und sprach zu mir: „Als einst zu Rom einzogen
Des Reichtums und der Weltlust wilde Wogen,
Da fing Verderben an und alles Leiden,
Und Kummer nahte mir von allen Seiten.“
Im „öd Gelände“, also in der Einsamkeit, werden dem nach Wahrheit Suchenden – von höherer Warte aus – die Augen geöffnet. Nach Savonarola sind
Besitztum und „Weltlust“ die Wurzel aller Übel, Sünden und
Verkommenheit, jenes Irdisch-Profane und Materielle, welches alles
Heilige und Geistige untergräbt wie vernichtet. „Kummer“ (aegritudo),
Ciceros Begriff für Melancholie oder „Weltschmerz“ erwachsen aus dem Verderben, aus dem Niedergang der christlichen Kirche.
Ein
darunter leidender Mönch klagt an, findet aber in seinem Gedicht noch
keinen echten Ausweg aus der verfahrenen Situation. Bald darauf wird er
noch mutiger werden, Forderungen stellen. Lange vor Luther und anderen Reformatoren ist es Savonarola, der in Rückbesinnung auf die Werte der Kirche der Heiligen, die geistige Erneuerung anmahnt, indem er drei klare Thesen formuliert:
Die Kirche ist krank –
sie muss reformiert werden –
sie muss bald reformiert werden!
Das geeignete Forum zur Umsetzung dieses gewaltigen Programms nach Jan Hus und vor Martin Luther sollte Savonarola erst im weltoffenen Florenz finden, im Kloster San Marco, zu dessen Prior man ihn bald ernennen wird. Weshalb verschlug es den angehenden Erneuerer der Christenheit in das Herz der Toskana, in die Stadt des Prächtigen?
Nach
Savonarolas fester Überzeugung war das aufgeklärte Renaissance-Florenz
mit seinen vielseitig begabten und politisch freiheitlich orientierten
Bürgern, der Ort, wo ein „neues Jerusalem“ entstehen konnte.
Deshalb sollte gerade von Florenz aus der kranke Organismus der
Gesamtkirche kuriert und – wie die Kunst der Antike – zu neuem Leben
erweckt werden. „Rinascita“!
Diese „Wiedergeburt“ in allen Bereichen von Geist und Kunst sollte auch die Kirche erfassen und zukunftsfähig machen. Die alles umfassende „Reformation“ war jedoch nicht die Laune eines Einzelnen, auch nicht das Gebot einer lichten Stunde, nein, jene „Erneuerung“ zum Besseren hin, war ein Programm, ein Diktum der Zeit,
das von objektiven Notwendigkeiten bestimmt wurde. Zur konkreten
Umsetzung neureformatorischer Bestrebungen stand dem einfachen
Geistlichen Savonarola faktisch aber nur ein Mittel zur Verfügung: das Wort, das das Bewusstsein verändernde, freie Wort in der Predigt von der Kanzel herab, das für ihn, den spät berufenen Propheten, das Wort Gottes war.
8.4. „Poenitentiam agite“! – Buße, Einkehr, Rückbesinnung, Katharsis.
Savonarola war
ein virtuoser Prediger, immer in der Lage, seine Zuhörer zu faszinieren
und für seine Sache zu gewinnen. Dabei kam es ihm jedoch nicht darauf
an, als versierter Rhetor, Populist und gar Demagoge die Zustimmung
breiter Bevölkerungsschichten, ja der Massen in der - damals etwa
einhunderttausend Einwohner zählenden - Stadt Florenz zu finden oder
Anhänger um sich zu scharen, um sich selbst politisch zu profilieren
oder eine Partei anzuführen wie früher der eine oder andere Volkstribun
in Rom. Überzeugt, Florenz müsse von einer kompetenten, juristisch
unabhängigen Bürgerelite regiert werden, setzte der seit seinen
Aristoteles-Studien mit politischer Theorie und Verfassungskunde wohl vertraute Savonarola mehr
auf sein geistig-moralisches Wirken – er zielte und zählte auf eine
eintretende Bewusstseinsveränderung, auf Erneuerung und Reform über
Buße, innere Einkehr, seelische Reinigung und Läuterung. Dahinter stand
auch die historische Erfahrung, dass in einer Gesellschaft, wo es immer
mehr Schlechte als Gute geben werde, die Massen von Autokraten recht
einfach manipuliert werden, auch über billige Ablenkung, über Brot und Spiele und öffentlich promulgierte Pseudo-Werte. Als ihm die Macht schließlich doch noch zufiel, setzte Girolamo Savonarola, der alles andere als politisch naiv war, nicht auf die Durchsetzung politischer Ziele mit den Mitteln der Despotie oder der Tyrannis, wie etwa ein Cesare Borgia im
Kirchenstaat als virtuoses Genie des Bösen. Ganz im Gegenteil: Der
Dominikaner in der Kutte appellierte vielmehr an die Einsicht der
Bildungsbürger, der Aristokraten und selbst der Künstler, die er mit
Verstand, Vernunftargumenten und auch emotional über seine
charismatische Ausstrahlung für die sozial-religiösen, politischen und
gesetzgeberischen Reformideen zu begeistern suchte.
Ungeachtet hoher politischer Sensibilität und Empathie kam beim späten Savonarola dann auch ein missionarischer Fanatismus auf,
eine Bilderstürmerwut getragen von einem Hass auf alles Lebensfrohe und
Schöne in der Kunst, der die geistig-künstlerischen Errungenschaften
der Renaissance bedrohte und tatsächlich zurückwarf. In seinem Eifer,
das neu zu errichtende Jerusalem gleich in wenigen Jahren vollenden zu
wollen, verstieg sich Savonarola,
der unermüdliche Streiter Gottes, gelegentlich in kühnste Visionen und
apokalyptische Prophezeiungen. Die eigenen hohen moralischen Erwartungen
aus den Augen verlierend und durchdrungen von einer höheren Mission,
die es auch mit ethisch fragwürdigen Mitteln durchzusetzen galt, agierte
der Mönch nicht viel anders als die Redner im alten Rom im Geiste von
Zuckerbrot und Peitsche.
Einmal
versprach der Prior von San Marco das kommende Paradies auf Erden; galt
es aber die Gläubigen von den Heerstraßen der Sünde zurückzurufen, um
sie auf den schmalen Pfad der Frömmigkeit und christlichen Tugend zu
leiten, dann drohte er alttestamentarisch resolut mit Heimsuchungen,
Katastrophen und Untergangsszenarien aller Art, ja mit himmlischer
Vergeltung für den Fall, dass die uneinsichtige Bürgerschaft von Florenz
seinem Appell zur religiösen Neuausrichtung nicht folgen würde. Von
urchristlichem Sendungsbewusstsein durchdrungen und wohl auch schon
geblendet, rief der Mönch - wie später Luther mit den gleichen Worten - zur Umkehr auf, ebenso zur reinigenden Buße nach dem Motto: „Poenitentiam agite“!
In seinem Übereifer für die gute Sache, für ein gottgefälliges, puristisches Leben, wie später von Luther oder Calvin gefordert und durchgesetzt wurde, unternahm es Savonarola gleich
in einem Atemzug, alle geistigen Gegner seiner Ziele und der Sache des
wahren Glaubens anzugreifen, die Philosophen der Antike, denen er selbst
viel verdankte und deren Nachfahren im Humanismus ebenso wie obskure
Sackgassen der Geistesgeschichte, etwa die populäre Astrologie.
Ja, selbst die erhellende Philosophie der Zeit in zutiefst humaner
Ausprägung vertreten und verkündet von einem seiner glühendsten
Anhänger, von Pico della Mirandola, blieb nicht unverschont.
Girolamo Savonarola wollte
die sittliche Erneuerung der florentinischen Gesellschaft, die
Zementierung der Moral und die Ausrottung der Dekadenz der Zeit - um
jeden Preis. Sein Endziel war jedoch nicht, wie oft behauptet und von
Gegnern ins Feld geführt eine „Theokratie“, ein
archaisch-rückständiges Staatsgebilde mit einem Mönch als geistliches
und weltliches Oberhaupt in einer Person, wie wir es heute noch in
islamischen Kulturen vorfinden, sondern eine echte „Republik“, eine
liberale, demokratische Staatsform, die sich am Regierungssystem der
Republik Venedig orientierte, ohne jedoch an der Position des Dogen
festzuhalten.
Nicht viel anders als manch ein radikaler Utopist vor, neben und nach ihm, von Augustinus, über Thomas Morus bis
hin zu den Ahnvätern des Kommunismus im 18. und 19. Jahrhundert, die,
zwar radikal im Ansatz, einem echten Humanismus das Wort zu reden
versuchten, erstrebte auch Savonarola ein
Stadt- oder Stadt-Staatsmodell, in welchem sich die Bürger einer
sittlichen Erneuerung unterwerfen, fromm werden, zur Beichte gehen, sich
seelisch reinigen und die alten Rivalitäten und Feindschaften
vergessen.
Auf
diesem ethischen Fundament sollte eine human orientierte, auf das
Gemeinwohl bedachte Gesellschaft errichtet werden. Um den erstrebten
edlen Endzweck möglichst bald zu erreichen, scheute der italienische
Reformator, wie bereits betont, aber auch nicht davor zurück, die
Grenzen von Ethik und Moral zu überschreiten, immer wieder auf die
Endabrechnung am Jüngsten Tag verweisend, auf die allen drohende Rache
Gottes. Dieses Androhen von himmlischen Bestrafungen und an die Wand
gemalten Untergangsszenarien, ein an sich erpresserisches Instrument
seelischer Nötigung, war Savonarolas einzige Waffe, um Florenz und seine
Bürger, die er für die besten und klügsten in Italien hielt, zur Räson
zu rufen und sie in die Schranken zu weisen. Doch dieses methodische
Vorgehen war auch ein Fehler, ein fataler Fehlschritt, der den lauteren
Bußprediger angreifbar machte und schließlich sein tragisches Schicksal
bestimmen sollte: das Ende am Strick und in den Flammen des
Scheiterhaufens.
Bei diesem Thema befand er sich auf einer Ebene mit Leonardo da Vinci, der in seinen Tagebüchern die seinerzeit noch hoch im Kurs stehende „Nekromantie“ scharf geißelt und ablehnt.
8.5. Savonarolas Humanismus-Kritik und seine Zurückweisung der Astrologie – ist die Philosophie eine Magd der Theologie?
In der Predigt „Ein Herz und eine Seele im Herrn“ aus dem Jahr 1493 wettert ein etwas wild gewordener Savonarola: „Geh
fort nach Rom und durch die ganze Christenheit; in den Häusern der
großen Prälaten und der großen Herren befaßt man sich mit nichts als mit
Dichtung und Redekunst. Geh nur hin und sieh: du wirst sie finden,
humanistische Bücher in der Hand – und tun so, als vermöchten sie mit
Vergil und Horaz und Cicero die Seelen leiten.“
Savonarola konstruiert,
ja forciert einen krassen Gegensatz zwischen dem antiken Humanismus der
Hellenen und Römer, der in der Gegenwart der Renaissance in Italien
seine Wiedererweckung findet, einerseits und seinem
kathartisch-asketischen, dem Seelenheil und Jenseits zugewandten
Christentum andererseits, wobei der radikalisierte Dominikanermönch das –
aus seiner Sicht nahe an der Sünde angesiedelte – Schöne dem an sich
Wahren und Guten, dem Summum bonum des Thomas von Aquin, also
Gott, entgegensetzt. Statt Ästhetik und Ethik miteinander zu versöhnen,
wie es der alte und neue Humanismus begreift und lehrt, verdammt
Savonarola das Sinnlich-Angenehme insgesamt, um nur noch ein utilitaristisches Ethos gelten zu lassen. Wahr und gut ist nur Gott – und der Prediger Savonarola ist sein Prophet!
Unmittelbar
auf Savonarolas Schlag gegen den Humanismus seiner Zeit folgen Angriff
und Abrechnung mit der pseudowissenschaftlichen Astrologie jener Tage.
Von moderat konservativen Geistern wie Ficino immer noch toleriert, ja anerkannt, wird diese Disziplin, die in den Augen Savonarolas als eine Art sündhafter Mystizismus erscheint, von diesem ebenso wie von Pico, Lorenzo de’ Medici, vor allem aber von Leonardo da Vinci vehement abgelehnt und bekämpft: „Willst
du sehen, wie man die Kirche durch die Hand von Astrologen regiert? Es
gibt keinen Prälaten und keinen großen Herrn, der nicht irgendwelchen
vertrauten Umgang mit irgendeinem Astrologen hätte, der ihm auf den
Punkt genau die Stunde vorhersagt, zu der er ausreiten oder irgendetwas
anderes tun oder unternehmen soll. Und es würden die großen Herren
keinen Schritt über den Willen der Astrologen hinaus tun.“
Savonarola selbst
war ein strenger Determinist, fest überzeugt, ein Werkzeug des
göttlichen Willens zu sein, ein Instrument ohne Selbstzweck, das von
Gott gebraucht wird, das von Gott je nach Bedarf eingesetzt wird und das
dieser schließlich – ohne Rücksicht auf die Person und ihre Verdienste –
einfach fallen lässt oder wegwirft, ohne dass der Mensch den höheren
Sinn dieser Tat erkennen und begreifen kann. Eine Festlegung des
Menschen und seines Schicksals über die Astrologie, an der selbst noch Johannes Kepler und – bis zu einem gewissen Grad selbst Pico und neben diesem auch Ficino sowie Lorenzo de’ Medici festhalten sollten, erschien Savonarola zutiefst suspekt. Während ein mathematikgläubiger Empiriker wie Leonardo da Vinci als Ingenieur die Astrologie als Pseudowissenschaft abkanzelte und radikal abwies, bot das bereits kontroversierte Erkenntnismittel Astrologie Savonarola, dem äußerst versierten Redner und gründlichen Kenner der Scholastik, besonders der Werke des Thomas von Aquin,
eine gute Möglichkeit, die gesamte neuplatonisch-humanistische
Philosophie der Zeit polemisch, ja demagogisch anzugreifen, indirekt die
alte Frage neu thematisierend, ob die Theologie die Magd der Philosophie sein solle oder umgekehrt. „Auch
unsere Prediger haben die Heilige Schrift beiseitegelegt und sich der
Astrologie und der Philosophie ergeben und diese predigen sie auf den
Kanzeln und machen sie zur Königin; und die Heilige Schrift behandeln
sie wie eine Magd, denn sie predigen Philosophie, um gelehrt zu
erscheinen, und nicht, weil sie ihnen dazu diente, die Heilige Schrift
auszulegen.“
Die übermäßige Beschäftigung mit heidnischem Schrifttum, speziell mit Platon und vor allem mit Aristoteles, dessen Wiederentdeckung von Ficino und Pico sehr
erfolgreich betrieben wurde, ärgerte den Dominikaner, der in frühen
Jahren gerade Aristoteles parallel zur Bibel gründlich studiert hatte,
vor allem deshalb, weil die geistigen Debatten der Gelehrtenwelt die
Bürger von Florenz vom bibeltreu-puristischen Christentum ablenkten.
Savonarola,
der aus der relativen Einsamkeit seines Klosterdaseins heraus - bei
Ablehnung des gesamten ästhetischen Bereichs und der Künste - massive Gesellschaftskritik betreibt, zieht sich als Theologe und Denker immer mehr zu den Wurzeln des Urchristentums zurück, dorthin, wo er Ursprünglichkeit, innere Wahrhaftigkeit, erste und letzte Wahrheit vermutet.
Savonarola, Predigten und Schriften. S. 111.
Savonarola, Predigten und Schriften. S. 111.
8.6. Sozialreformer Savonarola - „De Simplicitate vitae christianae“ - Von der Schlichtheit im Christenleben.
Viele weitere Predigten und Abhandlungen, manche
von ihnen aufgrund ihrer hohen Brisanz indexiert, oft in Latein, kaum
gedruckt und weitgehend unbekannt, konkretisieren Savonarolas
Vorstellungen von einem wahren christlichen Leben und einer wahrhaftigen
christlichen Kirche. Eine dieser Schriften ist das bereits 1496 ausgearbeitete Werk „De Simplicitate vitae christianae“, in Deutsch: Von der Einfalt des christlichen Lebens oder, moderner übersetzt, Von der Einfachheit im Christenleben.
Die zentrale Aussage Savonarolas in dem Werk lautet: „jeder Christ“ soll „einfach leben“, denn das christliche Leben ist schlicht und einfach, ohne überflüssigen Prunk und Reichtum.
Die Kirche ist - ganz im Geist des Franz von Assisi -
für die Armen da, nicht um Reichtümer aller Art anzuhäufen oder um
irdische Paläste zu errichten. Was im Religiösen zähle, seien die
zentralen human-christlichen Werte, vor allem die Innerlichkeit und die Nächstenliebe.
In seiner Schlacht für Jesu und gegen die willkürlich agierende Institution Kirche tadelt der zum Schweigen verdonnerte Mönch besonders die Prunksucht des Klerus, das Verschleudern kirchlicher Mittel oder das Verwenden der Spenden zu falschen Zwecken: „Ihr
habt viele überflüssigen Kelche und Paramente, viele Kreuze und Gefäße
von Gold und Silber. Sagt mir: warum schmilzt man sie nicht ein und
warum gibt man sie nicht den Armen? Sicher lieben die Sakramente das Gold nicht und haben keinen Bedarf dafür. Unsere
Väter hatten Kelche aus Holz; aber damals hatten die Kelche aus Holz
Priester aus Gold; und jetzt haben die Kelche aus Gold Priester aus
Holz.“
Der Bußprediger Savonarola,
der Prälaten geradezu revolutionär ins Gewissen redet und sie zugleich
im Namen Christi sowie der eigentlichen christlichen Ethik mahnend zur
Räson ruft, erkennt auch, dass selbst die „Bettelorden“ - über ihr Ziel hinausschießend - letztendlich der Habgier verfallen,
am eigentlichen Ziel vorbei zu viele Almosen einsammelnd, um diese
Spenden für eigene, profane Zwecke einzusetzen, statt die Gaben
mildtätiger Spender und Gönner den wahren Bedürftigen, den Armen zu
geben.
Sozialkritisch
ausgerichtet und alles andere als politisch naiv oder blind
fanatisiert, beobachtet der kritische Mönch das tatsächliche Leben auf
der Straße der damaligen Großstadt und stellt dabei fest, dass Armut junge Mädchen veranlasst, „ihren Körper preiszugeben“, während anderseits selbst Klosterfrauen zum Luxus neigen.
Die Botschaft der Heiligen Schrift hingegen ist auch in dieser Frage eindeutig: „Man
wird sicherlich an keiner Stelle finden, dass Christus uns befehle,
Kelche und Paramente von Gold zu machen und großartige Kirchen – wohl
aber, dass wir die Armen nähren.“
Das
sind eindeutig kritische, antiklerikale wie soziale Feststellungen
eines Sehers, der kein Phantast war, sondern ein höchst luzider
Diesseitsbezogener, ein Realist. Die Bibel ist ihm nicht nur eine
verehrungswürdige Schrift, aus der Gott unmittelbar spricht, sondern
auch ein willkommenes Mittel, um, fern jeder hermetischen Exegese, in
direkter Berufung auf Gott, das nicht nur lichtdurchflutete Umfeld der
vielgepriesenen Renaissance-Zeit konkret zu verbessern.
Ebenda. Das ganze Buch des spät berufenen Propheten und Erneuerers Savonarola ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Unterstützung der Armen, die, laut Bibel, den „Tempel Christi“ darstellen.
Alles Überflüssige sei von den Reichen und dem Klerus abzugeben und
müsse den Armen zukommen; die Kirche müsse sie – gemäß dem Vermächtnis
Christi – ernähren: „und ihr, so wie die Schriftgelehrten und Pharisäer, übergeht durch eure Verordnungen den Befehl Gottes.“ S. 253. In radikalen Ansätzen dieser Art wurzelt die Theologie der Befreiung Südamerikas.
8.7. Savonarola setzt politische Reformen durch – Über die demokratische Verfassung in Florenz zum Fernziel der Einheit Italiens.
Der oft diffamierte und angefeindete Savonarola war
keineswegs ein naiver Visionär. Hinter der Sache Gottes, der alles
untergeordnet wurde, standen stets sehr konkrete Vorstellungen von einer
neuen, demokratisch orientierten Verfassungsreform in Florenz und in
fernerer Zukunft, die Vision eines geeinten italienischen
Nationalstaates von Sizilien bis in die Alpen. Während andere große
Individuen der Zeit aus der Einsamkeit heraus und fern vom
gesellschaftlichen Dialog Kunstwerke schufen, widmete sich Savonarola im
Gespräch mit den Mitbürgern der gesellschaftlichen Umgestaltung. Dabei
entwickelte der agile Mönch und Reformator den Ehrgeiz, eine
demokratische Verfassung durchzusetzen, die dem Wohl der Stadt Florenz
und dem Allgemeinwohl seiner Bürger diente, legte aber keinen Wert
darauf, sich persönlich in das politische Alltagsgeschäft einzumischen.
Savonarola war keinesfalls selbstsüchtig oder gar machtbesessen. Er wollte keine Macht für sich, obwohl er sie hätte haben können. Als moralische Instanz und
aufrichtiger Streiter Gottes war er zu keinem Zeitpunkt bereit, diese
Position zu gefährden. Dazu war er einfach zu klug. Zwei Jahre nach dem
Tod Lorenzos des Prächtigen und der Vertreibung seines weniger vom Glück
begünstigten Sohnes Piero aus Florenz wurden die politischen Ansätze
des Dominikanerpredigers Realität. Dank seiner Autorität gelang es Savonarola, seine Sympathisanten für drei Jahre an die Regierung zu bringen. Er
blieb als einflussreicher Kopf seiner Erneuerungsbewegung, als Graue
Eminenz im Hintergrund. Florenz erhielt unter seinem Einfluss eine neue –
und was heute vergessen wird – eine weitgehend „demokratische Verfassung“, die sich in ihren Grundzügen am Regierungssystem der Republik Venedig orientierte. Venedig war seinerzeit das einzige annähernd demokratische Staatssystem auf dem Gebiet des heutigen Italien. Der Süden hingegen, das Königreich Neapel, wurde von dem gefährlichen Despoten spanischer Abstammung Ferdinand beherrscht,
während in der Mitte der Kirchenstaat der Borgias bis in die Romagna
hinein wucherte und im Norden, im Herzogtum Mailand, der Usurpator
Ludovico Il Moro die Zügel der Macht despotisch in der Hand hielt, bis Mailand von den Franzosen unter Karl VIII. erobert und annektiert wurde.
Savonarola setzte sich also auch als politischer Reformer durch,
war aber nicht in der Lage, die Macht in diesen turbulenten Zeiten, die
von zahlreichen politischen Intrigen und Grabenkämpfen geprägt war, auf
längere Sicht zu festigen und zu erhalten. Das von ihm über alles
erhobene Wort Gottes, der Glaube an das Gute, ein
christlich-humanistisch geprägtes Werte-System, sie reichten nicht aus,
um profane Waffen zu ersetzen.
8.8. Niccolo Machiavelli und Die Schwermut der Tyrannen.
Ein anderer Einsamer aus Florenz, Niccolo Machiavelli, der in der Einsamkeit des Landlebens vor den Toren der Stadt seinen „Principe“ verfasste,
und schließlich aus dem Fenster eines Patrizierhauses der öffentlichen
Verbrennung Savonarolas auf dem Scheiterhaufen zusah, notiert in seinem
bekanntesten Werk die leicht zynischen, aber treffsicheren Worte: „Moses,
Cyrus, Theseus und Romulus wären nicht imstande gewesen, ihre
Einrichtungen lange gültig zu erhalten, wenn sie unbewaffnet gewesen
wären, wie es in unserer Zeit Fra Girolamo Savonarola war.
Er fand bei seinen gesetzlichen Neuerungen den Untergang, als die Menge
aufhörte, an ihn zu glauben; er hatte kein Mittel, diejenigen, die an
ihn glaubten, zu halten, und keines, um die Zweifler zum Glauben an ihn
zu zwingen.“
Savonarola wollte
keinen autokratischen Gottesstaat, keine klerikale Diktatur
fundamentalistischer Prägung, aufgebaut auf militärische Macht und
gesichert über innenpolitischen Terror geheimer Dienste, also keinen
Staat, wie ihn seinerzeit der Vatikan-Staat des Borgia-Clans verkörperte
oder in unseren Tagen der Ajatollah-Staat Iran. Vielmehr erstrebte der
überzeugte Christ eine geistig-spirituelle Revolution, eine allgemeine
Veränderung des Bewusstseins und der Werte, nicht über abstrakte
Philosophie, sondern über einen reinen, verinnerlichten Glauben. Obwohl
Savonarola in
seinen vehementen, heute vielleicht fanatisch anmutenden Plädoyers für
die Sache Gottes gelegentlich weit über das Ziel hinaus schoss und, wie
Machiavelli treffend feststellte, mangels anderer „Waffen“ zum
zeitspezifischen Mittel der verbalen Drohung und Einschüchterung griff,
um das Bewusstsein der Massen auf seine höheren Ziele hinzulenken, war
er doch kein blinder Eiferer, sondern im Grundes seines Wesens ein
zutiefst humaner Geist, ein Mensch, dem nichts Menschliches fremd war,
schlechthin ein Humanist.
Von
anderen - als Humanisten beschimpfte - Geistern seiner Zeit unterschied
sich der bescheidene Prediger und „Asket“ hauptsächlich durch die
radikale Zurückweisung des sinnlichen Lebens im pseudoepikureischen
Sinn, gepaart mit der Missachtung, ja Verachtung der Welt des Schönen
und Angenehmen im Bereich der bildenden Kunst und der Musik. Für den
seine Zeit aufmerksam beobachtenden Landsmann Machiavelli, der manche Predigt im Kloster von San Marco verfolgte, stellte Savonarola den Typus des unbewaffneten Propheten dar, der scheiterte, ja scheitern musste, weil
er die zynischen Gesetze der realen Machtpolitik, Machtausübung und
Machterhaltung jenseits der Moral als unethisch und unchristlich
ablehnte.
Machiavelli, der zeitweise ohne politische Aufgaben, vorwiegend mit staatsrechtlichen Studien beschäftigt, ein äußerst bescheidenes, einsames Leben führte,
in der Hoffnung, die Medici, die ihn politisch lahm gelegt hatten,
würden ihm doch noch eine Stellung zukommen lassen, hatte vielfache
Gelegenheit, den Prior von San Marco in Florenz in Leib und Seele und im
vollen Furor zu erleben, ihn engagiert predigen zu hören und speziell
seinen klarsichtigen Ausführungen über die Tyrannis zu folgen, zu deren Repräsentanten Savonarola auch
die Familie der Medici zählte. Es ist denkbar, ja wahrscheinlich, dass
Machiavelli, zumindest in den erfolgreichen Jahren des Charismatikers,
der Anhängerschaft Savonarolas angehörte, weniger aus religiöser
Überzeugung, sondern vielmehr aus staatspolitischer Einsicht, denn die
Wertschätzung des Savonarola blieb selbst nach dessen Hinrichtung
erhalten. Wie aus einem Schreiben hervorgeht, verfolgte Machiavelli im
Jahr 1497, also kurz vor dem Ableben des politischen, sozialen und
religiösen Reformators mehrere Predigten Savonarolas als einfacher
Zuhörer und berichtete anschließend darüber – im Auftrag oder freiwillig – nach Rom, wohl in die unmittelbare Umgebung des direkten Widersachers Papst Alexander VI., der Savonarola zuerst mit einem „Schweigegebot“ belegt hatte, um ihn schließlich auch zu exkommunizieren, nachdem Mordanschläge auf Savonarola mehrfach gescheitert waren. Machiavelli berichtet: „Er
predigt wieder, weil die neue Signoria zu wählen war und er schon den
Scheiterhaufen roch. Die Stadt nämlich, seinen Ungehorsam gegen den
Papst erfahrend, und seiner Prophezeiungen, die nichts anderes als
Unheil enthielten, bis zum Überdruss müde, fing an, sich gegen ihn zu
wenden. Deshalb wollte er sein schlimmes Los hinausschieben.“
An anderer Stelle schreibt er an den florentinischen Geschäftsträger in Rom Recciardo Becci: „Als
... er sah, dass er seine Gegner in Florenz nicht mehr zu fürchten
brauchte, hat er den Mantel gewechselt, und da er nicht mehr nötig hat,
seine Partei durch Verwünschung ihrer Gegner und durch Erregung der
Furcht vor einem Tyrannen einig zu halten, so tut er nunmehr keine
Erwähnung mehr von einem Tyrannen oder der Lasterhaftigkeit der Gegner,
sondern sucht alle gegen den Papst aufzuregen und gegen ihn und seine
Abgeordneten aufzuwiegeln.“
Die Wesenheit des Borgia Papstes konnten Zeitgenossen auf zwei Begriffe reduzieren: Simonie und Sodomie. Borgia
war durch Stimmenkauf auf den Thron Petri gelangt und hatte sich dort
als Verwalter eines großen Hurenstalls, als Knabenschänder, Wüstling und
Giftmischer einen Namen gemacht, bevor er – mit allen Mitteln der
Kirche – zur Vernichtung des einfachen Dominikanerpredigers Savonarola ansetzte.
Vater
Borgia, von dem berichtet wird, dass er zu seiner - ebenso berüchtigten
- Tochter Lucrezia ein inzestuöses Verhältnis unterhalten haben soll
und Spross Cesare waren seinerzeit allgemein als ruchlose,
rücksichtslose Machtmenschen und Verbrecher verschrien. Ihre
Prinzipienlosigkeit war geradezu sprichwörtlich. Der Papst führe das nicht aus, was er sage, während Cesare, nie sage, was er zu tun gedenke, hieß es von beiden.
Wer
sich konkret mit dem Borgia-Clan anlegte, hatte Repressalien und
Vergeltung zu befürchten, ganz egal ob Individuum oder Gemeinschaft. Das
galt auch für das Welt-Zentrum Florenz. Eben aus dieser existenziellen
Notwendigkeit heraus bröckelte letztendlich die Solidarität der
Florentiner mit „ihrem“ Savonarola,
eben weil die unmittelbare Bedrohung durch Rom schwerer wog und
existenziell mehr verunsicherte als die angedrohten Heimsuchungen
Savonarolas, die irgendwann in ferner Zukunft all diejenigen treffen
sollten, die sich vom rechten Weg des Herrn entfernten.
Machiavellis -
nachträglich wohl zurechtgebogenen - Briefaussagen wirken vor allem
deshalb etwas tendenziös, weil der politische Beobachter den genauen
Text der überlieferten Predigten kannte. Auch wusste der scharfe
Analytiker sehr genau über die tatsächlichen parteipolitischen
Verhältnisse in Florenz Bescheid. Die „Arrabiati“, die sogenannten Rabiaten, Anhänger
der Medici und konservative Aristokraten, die allesamt seit Savonarolas
Neuordnung der politischen Verhältnisse in Florenz sehr viel verloren
hatten, wollten den Status quo ante, die Restauration der früheren Besitzstände und somit den Sturz Savonarolas, was den Interessen des Rodrigo Borgia sehr entgegenkam.
Machiavelli verfolgte
die tragische und verhängnisvolle Entwicklung als neutraler Beobachter
mit einer gewissen Sympathie für den mutigen Reformator – allerdings
ohne jede Möglichkeit einer Intervention. Vielleicht erkannte er in den
Umbrüchen sogar eine persönliche Chance zum Aufstieg? Jedenfalls bleibt
Machiavellis Bild von Savonarola,
mit dem ihn trotzdem noch viele substantielle Gemeinsamkeiten
verbinden, insgesamt wohlwollend positiv. Das haben auch neuere
Forschungen zur Thematik, im Gegensatz zu eher oberflächlichen Ansätzen
früherer Arbeiten, eindeutig bestätigt.
Inzwischen dürfte auch wissenschaftlich gesichert sein, dass Savonarolas Ausführungen zur Staatstheorie Machiavellis Schriften nachhaltig inspiriert und oft auch direkt beeinflusst haben. Dafür sprechen verwandte Textstellen im „Principe“ und in anderen Werken Machiavellis.
8.11. Christliche Ethik als geistige Basis der Staatsform – Contra Tyrannis.
Die
beste Regierungsform ist nach Savonarolas ethischer Überzeugung die
Regierung und Leitung des Staatsgebildes durch ein Haupt, mit dem
zentralen Zusatz: wenn dieses Haupt gut ist. „Aber wenn ein
solches Haupt böse ist, gibt es keine schlechtere Regierungs- und
Herrschaftsform als diese, indem ja das Schlechteste der Gegensatz des
Besten ist.“
Dies aber ist die Tyrannis, eine jener entarteten Regierungsformen, die schon in der Antike, vor allem seit Platon, verabscheut und bekämpft wird.
Savonarola beschreibt den Tyrannen in seinen sehr klaren Ausführungen zur Staatstheorie, deren letzte Fassung aus dem Jahr 1498 stammt, also kurz vor seiner Ermordung abgeschlossen wurde. Sein Tyrannenbild orientiert sich - die Tyrannis-Kritik der Antike genau kennend - an den Gewaltherrschern seiner Zeit, an Ferdinand von Neapel, Ludovico Il Moro, dem Mäzen Leonardos in Mailand, an Cosimo de‘ Medici, an Cesare Borgia, besonders aber an Lorenzo de’ Medici, den Savonarola -
als Sozialkritiker und politischer Reformator - mit völlig anderen
Augen betrachtet als die Schöngeister, Literaten, Philosophen und
Künstler um Lorenzo herum, und an den er viel schärfere ethische
Maßstäbe anlegt, als an den offensichtlichen Verbrecher Cesare Borgia, der es, wie es Machiavelli bezeugt, schaffte, nahezu alle seine politischen Gegner umzubringen.
Für die Mitglieder der philosophischen Akademie von Florenz, für Ficino, Pico, oder Angelo Poliziano war
der Erlauchte in erster Linie ein Freund und Förderer, ein Sohn der
Sonne, ein Freigeist, liberal und tolerant, ein Mäzen Michelangelos und
anderer Künstler, ein Apologet des Schönen überhaupt, der geschickte
Diplomat und erfolgreiche Geschäftsmann, der alle seine Tugenden und
Fertigkeiten einsetzte, um über den Erhalt des Hauses Medici die Stadt
und die Region Florenz zu stärken.
Für Savonarola hingegen
war Lorenzo nicht der Dichter, der melancholische Sonette schrieb,
sondern lediglich der Erbe und Fortführer einer Dynastie
selbstherrlicher Fürsten, die mit Cosimo durch Gewalt an die Macht
gekommen war, die auf ihre Weise Terror ausgeübt, politische Gegner
ermordet und Missliebige in die Einsamkeit der Verbannung geschickt hatte.
Ungeachtet
seiner Nähe zur Welt der Künste und der Akademie und seines Dichtertums
sah der Prediger in Lorenzo dem Erlauchten vor allem einen im
politischen Alltag rücksichtslosen Despoten, einen selbstherrlichen
Machtmenschen, der, zurückgezogen in die Einsamkeit seines „mundus aestheticus“, die eigenen Bürger mied, dafür aber Fremde bewirtete und für diese rauschende Dionysien veranstaltete.
Lorenzo
war für ihn schlechthin der Tyrann, der sich das nahm, was er wollte
und dabei zahlreiche Menschen ins Unglück stürzte. Er verkörperte gar
den skrupellosen, jenseits der Moral agierenden „Principe“, der sich möglicherweise nur als Kunstmäzen betätigte, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.
Das verklärte Lorenzo de‘ Medici-Bild der Nachwelt erinnert in manchen Zügen an die Stilisierung des „Algabal“ in der Poesie Stefan Georges, der seinen idealisierten und ästhetisierten Protagonisten ebenfalls in eine realitätsferne Welt des „Schönen Scheins“ versetzt.
8.12. „Der Tyrann“ trägt „alle Sünden der Welt im Keim in sich“ -
Melancholie als Krankheit: Savonarolas Typologie, Definition und
Phänomen-Beschreibung des Renaissance-Macht-Menschen und das Primat des
Ethos im Leben und im Staat.
In seiner Unterscheidung zwischen Gut und Böse fragte Savonarola nie danach, wer einer war, sondern immer nur, wie einer lebte: Der Lebenswandel, die Taten zählten – und dies bei Papst Alexander VI. ebenso wie bei Lorenzo de‘ Medici.
Savonarola schreibt
in seinen staatstheoretischen Ausführungen, die als Kommentare und
Verdeutlichung seiner oft entstellt wiedergegebenen Predigten angesehen
werden können, zu diesem Thema:
„Tyrann
ist der Name eines Menschen von üblem Lebenswandel, des schlechtesten
unter allen andern Menschen, der mit Gewalt über alle herrschen will,
und besonders, wenn er sich vom Bürger zum Alleinherrscher
aufgeschwungen hat. Darum ist als erstes zu sagen, dass er hochmütig
ist, indem er sich über seinesgleichen erheben will, vielmehr über die,
die besser sind als er, und über die, denen er unterworfen zu sein
verdiente: und daher ist er neidisch und betrübt sich über den Ruhm
anderer Menschen, und besonders seiner Mitbürger; und er kann es nicht
leiden, andre loben zu hören, wenngleich er es oftmals verhehlt und mit
Qual im Herzen zuhört; und er ist froh, wenn der Nächste geschmäht wird,
so sehr, dass er jedermann getadelt wissen möchte, damit er allein
glorreich dastünde. Und wegen der schweren Wahngedanken, Depressionen
und Ängste, die stets innerlich an ihm nagen, sucht er Genüsse wie
Medizin für seine Niedergeschlagenheit: und darum findet sich selten –
oder vielleicht niemals – ein Tyrann, der sich nicht wollüstig den
fleischlichen Genüssen hingibt. Und weil er ohne eine Menge Geld nicht
auf die Dauer imstande ist, sich die Vergnügungen zu verschaffen, die er
wünscht, muß er folgerichtig in ungeordneter Weise nach Besitz
begehren: daher wird jeder Tyrann zum habsüchtigen Räuber, denn er reißt
nicht nur die Herrschaft an sich, die dem ganzen Volk gehört, sondern
er nimmt auch das Gemeindevermögen weg, noch zu dem dazu, was er von den
einzelnen Bürgern begeht und wegholt, mit dunklen Geschäften, auf
verborgenen Wegen und manchmal ganz offensichtlich. Und aus diesem
folgt, dass der Tyrann alle Sünden der Welt im Keim in sich trägt.“
Thomas von Aquin hatte die „Acedia“ oder „Tristitia“ als die Hauptsünde ausgemacht, als die Quelle und Mutter aller Laster, aus der alle anderen Sünden hervorgehen. Savonarola, der die Schriften dieses Meister-Scholasten besonders gut kennt, namentlich die „Summa theologiae“, lehnt sich - auch in diesem Punkt - an Thomas an und identifiziert den Tyrannen als den Träger dieses sündhaften Keims.
Savonarola, Predigten und Schriften. S. 180f.
8.13. Genies des Bösen – Lorenzo de’ Medici und der Borgia-Clan.
Der hier von Savonarola beschriebene Tyrann, als dessen Prototypen in der römischen Geschichte vor allem Caligula und Nero gelten können, ist der Melancholiker überhaupt, dem letztendlich nur der Wahn bleibt. Dieser
sündhafte, mit allen Lastern der Welt ausgestattete Tyrann, zieht sich
in die Einsamkeit der Macht zurück und verfällt in ihr im Misstrauen und
Weltekel der Vereinsamung, der krankhaften Melancholie, hinter welcher
nur noch Verzweiflung und Wahn lauern.
Der
Tyrann in der höchst luziden Umschreibung Savonarolas kommt dem antiken
Machtmenschen in der Auffassung der Sophisten sehr nahe. Er steht für
das rücksichtslose Individuum, das sich nimmt, was es will, welches aber
– im Gegensatz zum ähnlich gelagerten, doch schöpferischen
Renaissance-Künstler, aus der Negativität heraus agiert. Sein
Hauptcharakterzug ist die Hybris, die Verstiegenheit oder, christlich gesprochen, die Sünde, aus der dann Laster und Krankheiten entspringen. Dieser Melancholiker-Typus hat nichts mehr mit dem illustren Menschen zu tun, mit dem Genie in der Auffassung von Aristoteles,
mit dem verklärten Feingeist, der sich in Savonarolas Umfeld der
Akademie von Florenz noch höchster Wertschätzung erfreut – nein: Er ist
das Gegenteil davon, er verkörpert das Genie des Bösen.
Das Los aller Diktatoren und Usurpatoren bis hin zu den finstern Gewaltherrschern totalitärer Systeme im 20. Jahrhundert ist letztendlich der Verfall in weltabgewandtes, die Realitäten verkennendes Irresein. Tyrannen, Usurpatoren und Diktatoren der Neuzeit werden - mit zunehmender Isolation - von Wahnvorstellungen regiert,
die oft Verbrechen in kaum noch nachvollziehbaren Dimensionen auslösen.
Neben einer Fülle negativer Eigenschaften vereint dieser Typus des Melancholikers eine Reihe charakteristischer Symptome in sich: Depressionen, schwere Wahngedanken, Ängste und die Niedergeschlagenheit, alles Merkmale, die das Phänomen der Melancholie aus psychopathologischer Sicht umschreiben.
Fast hat man das Gefühl, Savonarola konnte das geheime Schrifttum seines Landsmannes Petrarca nicht
nur gekannt, sondern sogar intensiv studiert haben, denn das, was er
als Mann Gottes anklagend zu Protokoll gibt, findet sich, wie oben
dargestellt, in Petrarcas „Secretum“ wieder, in einem geheim gehaltenen, ja vor der Welt versteckten Werk.
Bemerkenswert: Auch Savonarola akzentuiert den Aspekt der Wollust als
– an sich ungeeignetes Mittel der Melancholie-Bewältigung und Therapie.
Wie schon Savonarolas philosophischer Konterpart Ficino am Fall des Epikureers Lukrez darlegte, versucht der Melancholiker sein Leiden zu überwinden, indem er sich übermäßig in die Fleischeslust stürzt. Das sieht der asketisch lebende Prediger und Purist Savonarola ähnlich,
wenn er in seiner Beschreibung des Tyrannen als Melancholiker ein
weiteres schattenhaftes Lorenzo-Bild wachruft, das Bild des
Lasterhaften, das dieser im Bewusstsein seiner Zeitgenossen verkörperte:
„libidinoso e tutto venereo“, nämlich das des „Wollüstigen“, ja des „Wüstlings“, der sich – als „usurpatore della roba“ - zur bloßen Triebbefriedigung - und ohne Rücksicht auf den betroffenen Menschen – mit Gewalt das nimmt, was er begehrt.
Teilweise schwebt dem Zeit- und Religionskritiker Savonarola aber auch das moralisch verheerende Beispiel des Borgia-Clans vor, namentlich des Cesare Borgia, der – neben seinen vielfachen Verbrechen – auch noch den Kardinalshut trug sowie das noch verwerflichere Image des Borgia Papstes, des angeblichen Päderasten Alexander VI. – „lussurioso in ambo“, der als
geistlicher Fürst und Oberhirte in den Augen eines strengen Gläubigen
noch viel tiefer gesunken war als der weltliche Herrscher und Fürst
Lorenzo de’ Medici. Beide
Machtfiguren der Renaissance- und Reformationsepoche, der weltliche
Fürst ebenso wie der geistliche Führer, haben eine hohe moralische
Vorbildfunktion inne, der sie nicht gerecht werden. Bei Borgia, den
Savonarola noch in seiner letzten Predigt indirekt als Sohn der Wollust bezeichnet,
ist dies aber umso schlimmer, da er nicht nur eine politische Einheit,
ein Fürstentum oder einen Staat repräsentiert, sondern das geistige
Oberhaupt der gesamten Christenheit darstellt. Mit der hier eindeutig vorgenommenen Festlegung des Tyrannen auf eine krankhafte Melancholie verschiebt
sich die Melancholie-Auffassung der Zeit stark ins Negative. Als
Negativcharakteristikum stellt sie einen neuen Aspekt dar. Melancholie ist jetzt nicht mehr das Kennzeichen des genialen Individuums, kein Phänomen, das man auch noch lieben und verherrlichen kann, sondern das Stigma des Tyrannen, des Diktators, des Verbrechers: Der Gewaltherrscher
erscheint nun als der große Einsame, der, je mehr in der Hierarchie der
Machtvervollkommnung steigt, umso weltfremder und einsamer wird.
Mit
der Verknüpfung von Negativmelancholie und Tyrannis ist ein Typus
definiert, den die Literatur der kommenden Jahrhunderte noch stärker
herausarbeiten wird. Beginnend mit den großen Einsamen Shakespeares führt
die Gestaltung des Themas bis in die französische Literatur des 20.
Jahrhunderts, die sich im geistigen Umfeld der Existenzphilosophie
ausbilden wird.
Verwiesen sei hier lediglich auf die größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte, auf Hitler und Stalin, paranoide Gestalten, die im Verlauf ihres Lebens immer einsamer wurden und allen misstrauten, die um sie waren.
8.14. Thomasso Campanellas idealer Gegenentwurf zum Typus des Tyrannen in seiner christlich-kommunistischen Utopie „Città del sole“.
Das positive Gegenbild zum dekadenten Gewaltherrscher könnte Savonarola in einem Herrschertyp erkannt haben wie ihn Mark Aurel, der Philosoph auf dem Thron, verkörperte; in einem Kaiser oder Principe, der unter Beherrschung seiner eigenen Affekte eine ethisch fundierte Regierungsform umsetzt.
Thomasso Campanella, ein weiterer Dominikaner und Zeitgenosse Giordano Brunos – wie Savonarola und Bruno gesellschaftlich geächtet, verfolgt und für lange Jahre in den Kerker geworfen – nutzte sein Leben in der Einsamkeit um in seinem Sonnenstaat „Città del sole“ eine christlich-kommunistische Utopie zu entwerfen, eine Staatsform, die, wie schon bei Platon angestrebt, von erhabenen Priesterphilosophen geleitet wird. An der Spitze dieses Staatmodells sollte ein idealer Papst agieren,
ein Oberhirte der Christenheit, welcher sich vom wohl berüchtigtsten
Papst der Renaissance und aller Zeiten, von dem lasterhaften Borgia, in extremer Positivität abhob. Im Jesuitenstaat Paraguay wurde dieses Modell bis zu einem gewissen Grad umgesetzt.
Campanella, Thommaso: Philosophische Gedichte, übersetzt und herausgegeben von Thomas Flasch, Frankfurt 1996.
8.15. Golgatha - Traurigkeit und Verlassenheit in der Todeszelle und auf dem Scheiterhaufen.
Frate
Girolamo kannte aber auch noch eine andere Form der Melancholie, eine
individuelle und existenzielle. Schließlich war er sowohl als
charakterlicher wie als religiöser Melancholiker mit den negativen
Auswirkungen der Phänomene gut vertraut. Die beiden Predigten seiner
letzten Tage und Stunden „Miserere mei, Deus“ und „In te, Domine, speravi“ zeugen davon.
In
den letzten Tagen vor seiner Ermordung durch seine päpstlichen Henker
und deren Helfershelfer aus der florentinischen Bürgerschaft, muss der
Prior die einsame Zelle im Kloster von San Marco gegen eine noch
einsamere Gefängniszelle eintauschen. Diese letzte Station
unfreiwilliger Isolation wird, wie ihm bald bewusst werden sollte,
zugleich seine Todeszelle sein. Systematisch gefoltert, physisch wie
psychisch gequält und gedemütigt, durchlebt Savonarola in
jener engen, dunklen Haftzelle eine Reihe von existenziellen
Grenzsituationen, in welchen sich immer wieder tiefe Heimsuchungen von
Melancholie, Verlassenheit und naher Verzweiflung einstellen.