Der „Appenzeller“ an der Käsetheke im Supermarkt Oder Nicht nur der Preis zählt, sondern auch das Prinzip
Mein Leib- und Hauskäse ist der „Greyerzer“; trotzdem nehme ich dann und wann auch einmal einen „Appenzeller“ mit, weil die „Appenzeller“ nicht nur etwas von Ur-Demokratie verstehen, sondern auch vom Herstellen guter Käsesorten unterschiedlicher Reifestufen von mild bis rezent“, würzig!
Da war jetzt einer im Angebot, in Goldfolie, zu 2, 59 Euro hundert Gramm. Gerade richtig für Käsespätzle oder für so nebenbei, zu einem Gläschen Rotwein.
Also verlangte ich nach einer Scheibe von dem großen Stück, einem Viertelleib, der noch verlockend da lag, hinter Glas, zum Bestaunen!?
Schnell wollte mich die Verkäuferin mit einem schon verpackten Stückchen abspeisen, denn das hatte man der noch ziemlich unsicher wirkenden Neuen wohl so beigebracht? Die Leiterin der Abteilung musste her – und tatsächlich: sie wagte sich an das große Stück aus Appenzell und schnitt mir die begehrte Scheibe herunter.
„Wie reif ist der Käse?“ wollte ich wissen.
„Mindestens acht Monate gereift“, war die spontane Antwort.
„Das kann nicht sein“, meine Replik, denn ein Blick hatte genügt, um festzustellen, dass man mir hier einen jungen Käse andrehen wollte, einen Schweizerkäse speziell für deutsche Zungen hergestellt, für Supermärkte und Discounter, nicht für Gourmets, die gewohnt sind, Käse vor Ort einzukaufen, in Appenzell, in Greyerz oder in Frankreich gleich mit dem dazu passenden Wein.
Ich beharrte auf die Überprüfung auf einer noch intakten Verpackung – und tatsächlich: 4 – 5 Monate Reifezeit waren dort angegeben und keine 8 Monate.
Also erzählte man den ahnungslosen Kunden Märchen, täuschet eine Qualität vor, die nicht gegeben war, bot eine Mogelpackung an für gutes Geld – und hatte überhaupt kein schlechtes Gewissen dabei, eben, weil Täuschungen dieser Art in Deutschland inzwischen zum guten Ton gehören.
Einer versucht den anderen übers Ohr zu hauen, im Kleinen wie im Großen. Der Getäuschte bleibt auf dem Schaden sitzen.
Nach ein paar Takten Klartext mit juristischen Verweisen auf Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht, denn über Prinzipien oder Wirtschaftsethik wollte ich im Laden nicht weiter sprechen, wurde der Fauxpas eingesehen, von der Leiterin der Abteilung und von dem Markleiter, den ich auch noch kommen ließ, ebenso.
Eine Entscheidung blieb – nach anderen ähnlich erlebten Fällen - auch diesmal aus.
Als ich dann weg war, ging die gleiche Prozedur bestimmt weiter, denn die systematische Täuschung der Endkunden ist im sauberen Deutschland keine Seltenheit mehr – nicht nur bei Billigprodukten aus China, die man in einem zivilisierten Staat überhaupt nicht zum Verkauf zulassen dürfte, sondern auch bei Markenprodukten, die eigentlich keine Qualitätsprodukte mehr sind, sondern gezielt in Umlauf gebrachte „Mogelpackungen“, oft angepriesen über irreführende Werbung und fragwürdige Auszeichnung und Beschreibung.
So schlittert Deutschland in den Banditenstaat, in den Staat der Raubritter, die - über das etwas andere Wegelagerertum und freche Beutelschneiderei - zu Milliardären werden, unangreifbar wie die Veste des Mittelalters über dem Tal.
Sau mit Ferkeln (gesehen in Appenzell, in der Schweiz)
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Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph,
ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,
politischer Essayist,
Naturfotograf,
im September 2022
(zwei Jahre nach der Krebs-Erkrankung bzw. Operation)
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2022.
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