Unverändert:
"Nach meiner Heimat zieht`s mich wieder" -
wieder "daheim"
in Sackelhausen, im Banat, nach 30 Jahren (2009)
Nach meiner Heimat zieht`s mich wieder
Es ist die alte Heimat noch
Die selbe Lust, die selben frohen Lieder
und alles ist ein andres doch.
Die Quellen rauschen wie vor Jahren
Im Walde springt wie einst das Reh
Von ferne hört ich Heimatglocken läuten
die Berge spiegeln sich im See.
Am Waldessaume steht eine Hütte
die Mutter ging dort ein und aus J
etzt sehen fremde Menschen aus den Fenstern
es war einmal mein Elternhaus.
Ich ging zum Friedhof zu meiner Mutter
ich kniet mich nieder vor ihr Grab
O könnt ich ewig, ewig bei dir bleiben
ja weil ich keine Heimat mehr hab.
(...) Volksweise, Text und Tondichter vermutlich anonym, der Text variiert leicht.
Der Text dieser Weise, die wir Jugendlichen an lauen Sommerabenden einst sangen,
wenn eine gemeinschaftliche Serenade angesagt war,
kam mir auf dieser Reise wieder in den Sinn,
nostalgisch als Reminiszenz an unbeschwerte Tage -
jetzt war die wehmütige Botschaft Wirklichkeit geworden.
Die Heimat war da und zugleich allzu fern in der Zeit versunken.
Die Erinnerung an schöne Tage, erlebt in der Geborgenheit der deutschen Gemeinde,
hielt noch einiges wach.
Banater Landschaft - Wildblumen aller Art, Zichorie und Klatschmohn
Sag' mir, blühn zu Haus die Kornblumen schon,
Sag' mir, blüht zu Haus der purpurne Mohn ... (Volksweise, Polka)
Nachdem wir die Grenze glücklich passiert hatten, fuhren wir weiter ... in den Tag.
Nach etwa 100 Kilometern Fahrt durch die Banater Heide kündigte sich die
Großstadt der Region an: Temeschburg, die Stätte meiner Geburt
und gleich daneben - fast schon mit der Stadt verbunden - Sackelhausen, das Dorf,
wo ich meine Kindheit und Jugend verbracht hatte.
Das im Westen Rumäniens gelegene Temeschburg (Timisoara) ist - wie Hermannstadt (Sibiu) und Kronstadt (Brasov) in Siebenbürgen
- ein beliebter Investitionsstandort für westliche Firmen. Die globale
Wirtschafts- und Finanzkrise führte auch im aufstrebenden Rumänien zu
manch einem Baustopp.
Unmittelbar am Stadtrand: Ein Werk des asiatischen Chip-Produzenten "Flextronics" .
Wir streiften die Stadt nur kurz und fuhren weiter gegen Westen in Richtung: Sackelhausen.
Charakteristisch für die Gegend und Rumänien - ein Kilometerstein verweist auf die unmittelbare Nähe der Ortschaft
Das "weiße Kreuz" - fast schon da!
Auf dieser Strecke (Temeschburg, Hatzfeld (Jimbolia) - jugoslawische
Grenze herrschte früher ein reger, allerdings einseitiger Grenzverkehr
mit hunderten "kleinen Händlern" aus der serbischen Region Zdrenanin.
Hier am Kreuz wurde die erworbene Ware umgepackt und verstaut.
Mit neu errichteten Unternehmensgebäuden wächst das Dorf der Stadt entgegen
Die "alte Mühle" - vor dem Zweiten Weltkrieg bereits eine Aktiengesellschaft.
Ich erinnere mich noch: Mit Großvater brachten wir den Weizen zur Mühle - schon nach Minuten war das Mehl gemahlen.
Heute verfällt das Gebäude.
Die Quellen rauschen wie vor Jahren
Im Walde springt wie einst das Reh
Von ferne hört ich Heimatglocken läuten
die Berge spiegeln sich im See
Im Walde springt wie einst das Reh
Von ferne hört ich Heimatglocken läuten
die Berge spiegeln sich im See
Ein erster Blick auf das Heimatdorf, so wie es vor Jahrzehnten war
Ein vertrautes Bild - die Volksschule in der Ortsmitte von Sackelhausen.
Foto: Carl Gibson
Wenige Schritte weiter ortseinwärts vis- á- vis der katholischen Kirche
Die Kirche steht noch am alten Platz - und gelegentlich läuten sie auch noch,
die Glocken der Heimat!
Ohne anzuhalten fuhren wir gleich in die Kleine Kreuzgasse, wo zur "Schwarzwälder Gasse" gehörend, mein Elternhaus steht.
Die orthodoxe Kirche der Rumänen in Sackelhausen (Sacalaz) heute in der Kleinen Kreuzgasse.
Seit meiner Verhaftung am 4.April 1979 unmittelbar nach der SLOMR-Gründung hatte ich das Elternhaus nicht mehr betreten.
Eine sentimentale Angelegenheit, die Wiederkehr!
Seltsame Gefühle kamen auf.
Das Elternhaus ist noch da.
Aufgeschreckt durch den Lärm des vorfahrenden ausländischen PKW, öffnet sich das Türchen im Lattenzaun.
Der neue Besitzer entdeckt uns.
Sein Gesicht hellt sich auf, als ich mich zu erkennen gebe.
Wir werden eingeladen, die ehemalige Wohnstätte zu besichtigen. Dankend nehmen wir an.
Am Waldessaume steht eine Hütte
die Mutter ging dort ein und aus
Jetzt sehen fremde Menschen aus den Fenstern
es war einmal mein Elternhaus
die Mutter ging dort ein und aus
Jetzt sehen fremde Menschen aus den Fenstern
es war einmal mein Elternhaus
Ein Blick in den Innenhof - das Dach ruht immer noch auf den weiß gestrichenen Pfeilern aus Holz.
Die Reben sind noch da.
Die Obstbäume und Rosen sind verschwunden.
Hof und Garten sind zusammengewachsen. Der Garten ist nur karg bestellt.
Schuppen, Hinterhof mit Trockenklo und der Vieh-Stall sind noch da.
Mich zieht es gleich die Treppe hoch - hinauf auf den Dachboden.
Wo einst Getreide, Mehl, Wein und Schnaps in Krügen lagerte, ist heute alles leer gefegt.
In
der Selch-Kammer, wo früher die Schweineschinken und Würste geräuchert
wurden, sehe ich nur noch trockenes Pech und Spinnweben.
In der Kammer - ein Hauch von Bescheidenheit und Ärmlichkeit - der "Kachelofen" steht noch.
Auf dem Boden in der Ecke kauert die kranke Gattin des Hausherren auf einer Matratze.
"Das ist der Besitzer des Hauses", stellte mich der Neueigentümer vor.
Er, selbst ein Deportierter, der von zwei schmalen Renten lebt, war mit meiner Vita vertraut.
Fast so bekannt wie das "schwäbische Bad" - Das Trockenklo, jetzt wie einst!
Die Diele - unverändert! Die vom Nachfolger übernommene Garderobe hat drei Jahrzehnte gehalten.
Im Mittelzimmer - neue Dekoration kündet von Frömmigkeit
Meine Familie hatte seinerzeit darauf verzichtet, im Rahmen der "Restitution" diese zu 10 Prozent des Verkehrswertes an den Staat zwangsverkaufte Immobilie zurückzufordern.
Dafür war man dankbar.
Die Führung ging durch alle Räume. Einiges war fast noch unverändert - nach mehr als 30 Jahren.
In der einst üppig gefüllten "Speis" - leere Regale.
Vor dem Anwesen der Großmutter Gibson in der Neugasse - auch hier schauen jetzt "fremde Leute aus dem Fenster" ...
Der Rom, Sohn des Viehhirten im Ort, glaubte sich noch an mich zu erinnern.
Hier in der Neugasse verbrachte ich glückliche Tage
inmitten einer frohen Kinderschar.
Der große Garten mit zahlreichen Obstbäumen grenzte an ein weites Feld -
das war die "Freiheit der Kindheit".
Die Gemeindeverwaltung, links "Kulturhaus" mit dem Ballsaal,
rechts: die Polizei. Freud und Leid liegen dicht beieinander.
Erinnerungen an Vorladungen und Verhaftungen werden wach.
Die Lust, länger zu verweilen, schwindet.
Die
katholische Kirche steht noch mitten im Dorf, verwaist - vis- á- vis,
wo früher die "kleine Konditorei" war, hat man einen "Langosch"-Stand
eröffnet.
In der Ortsmitte - Früher praktizierten hier Arzt und Zahnarzt
"Unterm Rad"?
Von 1966 - 1974 drückte Carl Gibson hier die Schulbank.
Eine freundliche Lehrerin führte uns durch die Klassenräume, zum Teil während des Unterrichts.
Anders als zu unserer Zeit, ist heute hier auch eine Kinderkrippe vorhanden.
Der
Gesamtzustand der Unterrichtsräume erschien mir beeindruckender als
etwa die Klassen im Nikolaus- Lenau-Lyzeum in Temeschburg.
Aus dem "Pfarrhaus" wurde ein Luxushotel.
"Modern
Times" auch in Sackelhausen, das durch die Nähe zu Temeschburg zum
begehrten Investitionsstandort wurde, auch für bundesdeutsche Firmen.
Weniger erbaulich:
Der Dorfladen (Kammerer) zugemauert -
daneben der Tanzsaal, wo früher fast alle Hochzeiten des Dorfes stattfanden,
heute ungenutzt.
Ein Loch in der Giebelwand -
Man will es kaum glauben: Nur 50 Meter vom zugemauerten alten Laden entfernt,
vis -a- vis von Carl Gibsons Elternhaus, eröffnet ein neuer Laden!
Schilda lässt grüßen - das ist die freie Marktwirtschaft in Rumänien.
Die Häuser der Banater Schwaben verfallen - es wird mehr und mehr neu gebaut.
Ich ging zum Friedhof zu meiner Mutter
ich kniet mich nieder vor ihr Grab
O könnt ich ewig, ewig bei dir bleiben
ja weil ich keine Heimat mehr hab
ich kniet mich nieder vor ihr Grab
O könnt ich ewig, ewig bei dir bleiben
ja weil ich keine Heimat mehr hab
Eingangstor zum Friedhof in Sackelhausen, Banat
Am Grab der Großeltern Maria und Johann Ott
Die frisch renovierte Friedhofskapelle wurde an die rumänische Gemeinde übergeben.
Trotzdem, die deutschen Gräber sind dem Zerfall überlassen.
Die
"Soldatengräber" aus dem Zweiten Weltkrieg sind ganz verschwunden -
neue Zeiten, neue Sitten, auch unter der Engel Ordnungen auf dem
Friedhof?
Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln und den Gräbern der Vorfahren - Sein und Zeit,
Vergänglichkeit.
Das Gras überwuchert den Stein.
Zerstörung oder Zerfall - Vanitas-Stimmung nach dem Exodus der Deutschen aus dem Banat
Nach einigen Sunden Aufenthalt in Sackelhausen ging es weiter nach Temeschburg.
Monika wollte dann noch mehr von Rumänien sehen, vor allem "Siebenbürgen" und etwas von der alten "Walachei".
Die Rückreise durch das Olt-Tal und am Donauufer bei Turnu Severin bzw. Orschowa entlang,
führte uns durch die Banater Berge, nach Reschitz und in die Semenic-Region nach Wolfsberg -
über Temeschburg und Sackelhausen ging es dann in Richtung ungarische Grenze, zurück nach Deutschland.
Auf "Siebenbürgen", die "Walachei" , die Donau am "Eisernen Tor"
und das "Banater Bergland" werde ich hier noch eingehen und einige von
den nahezu 4000 Fotos nach 4000 gefahrenen Kilometer veröffentlichen.
Werke von Carl Gibson:
Carl Gibson:
Plagiat als Methode - Herta Müllers „konkreative“ Carl Gibson-Rezeption
Wo beginnt das literarische Plagiat? Zur Instrumentalisierung des Dissidenten-Testimoniums „Symphonie der Freiheit“ –
Selbst-Apologie mit kritischen Argumenten, Daten und Fakten zur Kommunismus-Aufarbeitung
sowie mit kommentierten Securitate-Dokumenten zum politischen Widerstand in Rumänien während der Ceaușescu-Diktatur.
Rezeption - Inspiration - Plagiat!?
Herausgegeben vom Institut zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa, Bad Mergentheim. Seit dem 18. Juli auf dem Buchmarkt.
399 Seiten.
Publikationen des
Instituts zur Aufklärung und Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Europa,
Bad Mergentheim
Zur Geschichte des Kommunismus,
zu Totalitarismus
und zum Thema Menschenrechte
Aktuell in der Presse
Copyright © Carl Gibson 2014
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