Sonntag, 9. Januar 2022

Mutterliebe und Kannibalismus in der Ukraine während der Hungernot in stalinistischer Zeit Oder Wenn eine Mutter sich ihren Kindern als Mahlzeit anbietet

 

     Mutterliebe und Kannibalismus in der Ukraine während der Hungernot in stalinistischer Zeit 

Oder 

Wenn eine Mutter sich ihren Kindern als Mahlzeit anbietet

Die Iren wissen, was Hunger bedeutet; die Franzosen, die unter preußischer Besatzung in der Großstadt Paris vom Hunger getrieben Hunde, Katzen und sogar Ratten verzehrten, wissen es auch. Aber auch die Deutschen überall im Land kennen den Hunger aus den Tagen des Dreißigjährigen Krieges, als aus Baumrinde Brot gebacken und angeblich auch eklige Nacktschnecken verzehrt wurden, aber auch aus den Hungerjahren der kargen Nachkriegszeit, als die Berliner – statt fettem Eisbein mit Kraut – die Kartoffelschalen auflasen und durchkochten, die von russischen Soldaten in den Graben vor der Kaserne gekippt worden waren.

Der Mensch, die Krone der Schöpfung, sank noch unter das Tier, das nicht alles frisst, nur, weil der Hunger, ein starker Trieb, der stärkste Überlebenstrieb überhaupt, zu Handlungen antrieb, die nichts mehr mit der Würde des Menschen zu tun haben.

Als Folge der Enteignung bäuerlicher Betriebe und der Zwangskollektivierung auf Stalins Geheiß, soll es in der Ukraine zu einer schlimmen Hungerkatastrophe von biblischem Ausmaß gekommen sein – mit Millionen Hungertoten. Noch drastischer als in dem Märchen von Hänsel und Gretel aus der Sammlung der der Gebrüder Grimm, sollen Bauern, denen man das Saatgut genommen hatte, vom Hunger getrieben seinerzeit ihre jüngsten Kinder getötet haben, damit die größeren Geschwister irgendwie überlebten – und eine Mutter, so wird berichtet[1], soll ihren Leib sogar den Kindern zum Mahl angeboten haben, nur um das Überleben der Nachkommen zu ermöglichen.

Extremsituationen dieser Art, die sich tief in das Bewusstsein eines Volkes einprägen und nicht verdrängt werden können, erklären bis zu einem gewissen Grad die gegenwärtigen Konflikte zwischen Ukrainer und Russen, die noch zu einem blutigen europäischen Krieg führen können.

Wie mit dem Wunsch und dem politischen Willen nach politischer Eigenständigkeit und Souveränität auseinanderstrebende Völker 1918 das Ende der Habsburger-Monarchie besiegelten, so zerfiel das große Völkergefängnis unter rotem Vorzeichen Sowjetunion nach dem Abtritt Gorbatschows in der GUS.

Die zwischenvölkischen Probleme aber, das zeigt die ähnlich gelagerte Situationen Kasachstans, wo Aufruhr in diesen frühen Tagen des Jahres 2022 zu bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen mit vielen Toten führt, verweisen darauf, dass historische Ursachen nicht ignoriert werden dürfen.

Wer die Völker des europäischen Ostens verstehen will – und das gilt auch für die Polen, Balten und die Folgestaaten Jugoslawiens – der muss die spezielle Geschichte dieser Staaten verstehen, was heute in Deutschland eben so wenig der Fall ist wie in der EU, wo blauäugige Politiker - über die Köpfe der Völker hinweg – bestimmen, und das auch noch mit gutem Gewissen!

 

 

    „Political correctness“ kastriert das freie Denken

und behindert, ja, verhindert die „historische Wahrheitsfindung“, da der politisch korrekt vorgehende Historiker in einer Art Selbstzensur Tabuisiertes vermeidet, Klippen umschifft, nur um nicht anzuecken[1].

Enge Denkbahnen führen zu schmalen Erkenntnissen, zu Unvollständigkeiten im Ergebnis der Analysen und Betrachtungen, die noch sehr weit von der exakten historischen Wahrheit entfernt sind.

Ja, auch wenn die Historiografie keine exakte Wissenschaft ist, kann die „historische Wahrheit“ sehr genau sein, wenn sie auf Fakten beruht, etwas im Fall „Katyn“, und wenn Gründe der Staatsraison oder sonstige Einschränkungen ideologischer Art nicht – interpretationsbestimmend - darüber gestellt werden.

Aus einer Diktatur kommend, sah ich die Dinge so, noch bevor ich meine historischen Studien aufnahm; und heute, vier Jahrzehnte später, ist meine – konsequent nach außen vertretene - Sicht in dieser Frage immer noch die gleiche. Einer, der dies ähnlich sieht und mehr durchdringt als ich in meiner Ecke, ist der vor einigen Jahren verstorbene Philosoph Michel Serre, der auch in Stanford wirkte, ein produktiver Publizist, der trotzdem überhört wurde, weil die - vom ihm zurückgewiesene - „Political correctness“ inzwischen das gesamte Geistesleben der westlichen Welt überlagert und alles einseitig determiniert, was aus diesen Denkschienen erwächst: eine Wissenschaft, die keine ist, mit Methoden, die keine echten Methoden sind, sondern Wege der Selbstbeschränkung, der Selbstkastration, der Verhinderung.

Unfreies, verkrüppeltes Denken führt zu keiner Wahrheit, sondern ist ein Instrument der Irreführung und der Täuschung in den Händen derer, die, fern von der Wahrheit an sich oder der historischen Wahrheit – andere hinters Licht führen wollen, um selbst zu bestehen, um, aus der Lüge heraus, ihren Willen zur Macht umzusetzen, um ganze Länderstrukturen zu verändern und ganze Völker – der Unfreiheit überantwortet – zu knechten.

Roosevelt und Churchill handelten so, als sie – aus Gründen der Staatsraison – die Kriegsverbrechen ihres Alliierten Stalin nicht nur in Katyn tolerierten und die Wahrheit über Katyn über Jahrzehnte hinaus verhinderten. Hitler, der unbedingt besiegt werden musste, war das größere Übel – und Hitlers Entfernung von der Macht hatte absolute Priorität.

Das mag man aus machtpolitischer Sicht verstehen; trotzdem muss man es nicht auch noch ethisch billigen und moralisch tolerieren; schließlich wurde der Kampf gegen Nazi-Deutschland unter demokratischem Vorzeichen und im Namen der Moral, der Aufklärung und des Humanismus geführt, bis hin zum Abwurf der – überhaupt nicht mehr moralisch begründbaren – Atombomben in Hiroshima und Nagasaki.

Was die Machtpolitik an Denkmustern und Handlungsweisen vorgibt, muss den - korrekt arbeitenden - Wissenschaftler, der bei seinen Forschungsprojekten nur seinem Gewissen unterworfen ist, nicht kümmern. Er kann frei denken und ideologisch uneingeschränkt forschen, wenn er es will, wenn er die „intellektuelle Redlichkeit“ und die „innere Wahrhaftigkeit“ aufbringt, von der – der fröhliche Wissenschaftler - Nietzsche spricht.

Davon aber sind wir in der „Gaya scienza“ von heute - nicht nur an der deutschen Alma Mater - weit entfernt.



[1] Mehrfach verwies ich darauf in der Causa Herta Müller, wo die „Forschung“ alles umschifft, was nicht in das – politisch etablierte, ergo „korrekte“ – Bild der zu politischen Zwecken inszenierten Autorin passt.

 

 

 

 


 

Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,

Naturfotograf, im August 2021





Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/

 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.



Copyright: Carl Gibson 2022.





 

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