Montag, 24. Januar 2022

Der Admiral muss von Bord Oder Das System entlässt einen treuen Diener. Soldatenlos: gehorchen, töten, schweigen: Eine Frage der Ehre? Zum Sturz eines politisch Abkommandierten aus der deutschen Marine

 

   Der Admiral muss von Bord 

Oder 

Das System entlässt einen treuen Diener. 

Soldatenlos: gehorchen, töten, schweigen: Eine Frage der Ehre? Zum Sturz eines politisch Abkommandierten aus der deutschen Marine

 

 

Wie gleicht sein Los dem Todesflug des Ikarus: er stieg hoch, um tief zu fallen! In Hybris?

Er war kein Unwürdiger! Die vielen Auszeichnungen auf der weißen Uniform, verliehen von der Bundesrepublik Deutschland, verweisen auf Meriten für Volk und Staat, für die europäische Gemeinschaft im NATO-Bündnis.

Und doch musste dieser Hochgewachsene in Uniform[1] „seinen Hut nehmen“ und „von Bord gehen“, weil er es gewagt hatte, frei zu denken und – zum Verdruss vieler Heuchler in der Politik – auch noch zu reden.

In der Sache war es durchaus richtig[2], was der hohe Offizier aussagte. Nur taktisch war es unklug, kam zur Unzeit und passte vor allem nicht in die Anti-Haltung des Westens gegen Putin, in dem man den „Aggressor“ ausgemacht hat – und gegen den jetzt Stimmung gemacht wird, selbst auf üble Art, damit das – vielfach gegängelte - Volk alles Kriegerische mitträgt, was da vielleicht in kurzer Zeit noch kommen mag.

Der Vize-Admiral wurde einbestellt, zur Brust genommen und zur Raison gerufen, de facto öffentlich demontiert und degradiert, nicht viel als der „große Diktator“ Chaplins Marschall Hering zurückstutzt – und der Admiral selbst, der plötzlich vergessen hatte, dass ein Soldat nicht zum Denker bestimmt ist, sondern nur zu gehorchen hat, auch wenn Idioten und Verbrecher aus der Politik befehlen, stimmte, einsichtig geworden, ein in das „Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa“!

Was wird nun aus dem hohen Offizier der Bundesmarine, der am Vortag in Indien noch ein Vorzeigeoffizier war? Wird er nach Canossa pilgern, ins Kloster gehen, wird er sich auf der „Gorch Fock“ einschiffen lassen, auf große Fahrt nach den Inseln der Seligen, um sich irgendwo absetzen zu lassen zwecks stiller Einkehr und tieferer Besinnung?

Wie kann einer, der kraft seines – vernünftigen – Denkens so hoch in der Militärhierarchie einer Demokratie aufstieg, über Nacht aus der Bahn geworfen werden und ins Nichts zurückfallen?

Eine Frage der Ehre? Bleibt diese auch auf der Strecke? Der mündige Deutsche, der gerne auch für andere denkt und handelt, sollte einmal gründlich über die ethische Laufbahn seiner Offiziere nachdenken!

Wenn der Schuft zum Tyrannen aufsteigt und ein ganzes Volk ins Unglück stürzt, ist das Geschrei nach militärischem Widerstand groß.

Wenn ein „verantwortungsbewusster“ Offizier dann aber – vorausschauend und durchaus im Konsens mit dem gesunden Menschenverstand – denkt und das auch ausspricht, was er erkannt hat, dann wird er über Nacht aus dem Amt entfernt, öffentlich zum Nichts gemacht, nur, weil die aktuell Regierenden im Augenblick einer anderen – von der Staatsraison diktierten – Sicht der Dinge unterworfen sind.



[2] Putins kluge und mit Können ausgeübte Machtpolitik verdient in der Tat Respekt, auch, wenn die Folgen und Auswirkungen mit den – nicht ganz klar definierten – Interessen des Westens kollidieren. Das Chapeau gilt auch für den Gegner solange es beim Fairplay bleibt.

 

 Vgl. auch:


1.      Meine Ehre heißt Treue“ – hat der deutsche Soldat noch eine Meinung und das Recht, diese frei zu äußern? Widerstand oder falsch verstandene Loyalität von den deutschen Soldaten Ernst Jünger zu Helmut Schmidt – offene Fragen

Wann darf er reden?

Wann muss er schweigen?[1]

Wann muss er den Politikern das Reden überlassen, jenen Gestalten, die ihre Meinung mehrfach an einem Tag ändern, die heute so reden und morgen anders, je nach Situation, je nach Position, immer opportunistisch, ja, heuchlerisch, einmal sich auf Prinzipien berufend, auf Werte und Traditionen; ein anders Mal diese Prinzipien und echten Werte ignorierend, mit Füßen tretend, weil Tages- und die Machtpolitik es so fordern!?

„Meine Ehre heißt Treue“ – das galt bei der SS[2].

Was sind die Soldaten? „Bürger in Uniform“? Bürger zweiter Klasse, deren Bürgerrechte beschnitten sind? Bürger, die ihre Meinung – also auch ihre Haltung zu innen- wie außenpolitischen Fragen - für sich behalten sollen, ohne diese offen auszudrücken?

Auf diese Weise wurde Hitler möglich! Wer redete, wurde – wie in den finsteren Zeiten der Inquisition – öffentlich gekreuzigt und verbrannt! Er kam vor ein „Kriegsgericht“- wie der noch blutjunge Sohn Ernst Jüngers, Ernst, der es gewagt hatte zu sagen, der Führer müsse gehängt werden; oder er wurde vor den „Volksgerichtshof“ gezerrt und öffentlich von NS-Richter-Schergen wie Freisler des Hochverrates beschuldigt, abgeurteilt und bald darauf hingerichtet, während der fügsame deutsche Soldat – etwa in der Person des späteren Bundeskanzlers Helmut Schmidt aus der SPD – als loyaler Untertan in Uniform im Gerichtssaal saß und dem Walten des Unrechts zusah, ohne aufzumucken, die Regungen des eigenen Gewissens einem blinden Gehorsam unterwerfend! Damals war Krieg – und ein Patriot war ein Patriot, obwohl der Führer ein Verbrecher war, ein Menschheitsverbrecher.

Ernst Jüngers Sohn wurde, wie der Pour-le-Mérite-Träger später annahm, an der Front, in Italien, wahrscheinlich von eigenen „Kameraden“ aus der SS „liquidiert“, während ein fügsamer, getreuer Helmut Schmidt[3] mit gebeugtem Haupt die dunklen Tage überlebte, um dann später zu bereuen und in Sühneleistungen diverser Art Gutes zu tun.

Fragen bleiben.

Was darf der deutsche Soldat reden?

Wann muss er reden?

 



[1] Vgl. dazu meine Ausführungen zu dem Fall des jüngst abgekanzelten Vize-Admirals der Bundesmarine Schonach in dem hier publizierten Beitrag:

Der Admiral muss von Bord Oder Das System entlässt einen treuen Diener. Soldatenlos: gehorchen, töten, schweigen: Eine Frage der Ehre? Zum Sturz eines politisch Abkommandierten aus der deutschen Marine.

[2] Ich schrieb darüber in meinem Dissidenten-Testimonium.

[3] Auch darüber schrieb ich seinerzeit.

 

 

    „Political correctness“ kastriert das freie Denken

und behindert, ja, verhindert die „historische Wahrheitsfindung“, da der politisch korrekt vorgehende Historiker in einer Art Selbstzensur Tabuisiertes vermeidet, Klippen umschifft, nur um nicht anzuecken[1].

Enge Denkbahnen führen zu schmalen Erkenntnissen, zu Unvollständigkeiten im Ergebnis der Analysen und Betrachtungen, die noch sehr weit von der exakten historischen Wahrheit entfernt sind.

Ja, auch wenn die Historiografie keine exakte Wissenschaft ist, kann die „historische Wahrheit“ sehr genau sein, wenn sie auf Fakten beruht, etwas im Fall „Katyn“, und wenn Gründe der Staatsraison oder sonstige Einschränkungen ideologischer Art nicht – interpretationsbestimmend - darüber gestellt werden.

Aus einer Diktatur kommend, sah ich die Dinge so, noch bevor ich meine historischen Studien aufnahm; und heute, vier Jahrzehnte später, ist meine – konsequent nach außen vertretene - Sicht in dieser Frage immer noch die gleiche. Einer, der dies ähnlich sieht und mehr durchdringt als ich in meiner Ecke, ist der vor einigen Jahren verstorbene Philosoph Michel Serre, der auch in Stanford wirkte, ein produktiver Publizist, der trotzdem überhört wurde, weil die - vom ihm zurückgewiesene - „Political correctness“ inzwischen das gesamte Geistesleben der westlichen Welt überlagert und alles einseitig determiniert, was aus diesen Denkschienen erwächst: eine Wissenschaft, die keine ist, mit Methoden, die keine echten Methoden sind, sondern Wege der Selbstbeschränkung, der Selbstkastration, der Verhinderung.

Unfreies, verkrüppeltes Denken führt zu keiner Wahrheit, sondern ist ein Instrument der Irreführung und der Täuschung in den Händen derer, die, fern von der Wahrheit an sich oder der historischen Wahrheit – andere hinters Licht führen wollen, um selbst zu bestehen, um, aus der Lüge heraus, ihren Willen zur Macht umzusetzen, um ganze Länderstrukturen zu verändern und ganze Völker – der Unfreiheit überantwortet – zu knechten.

Roosevelt und Churchill handelten so, als sie – aus Gründen der Staatsraison – die Kriegsverbrechen ihres Alliierten Stalin nicht nur in Katyn tolerierten und die Wahrheit über Katyn über Jahrzehnte hinaus verhinderten. Hitler, der unbedingt besiegt werden musste, war das größere Übel – und Hitlers Entfernung von der Macht hatte absolute Priorität.

Das mag man aus machtpolitischer Sicht verstehen; trotzdem muss man es nicht auch noch ethisch billigen und moralisch tolerieren; schließlich wurde der Kampf gegen Nazi-Deutschland unter demokratischem Vorzeichen und im Namen der Moral, der Aufklärung und des Humanismus geführt, bis hin zum Abwurf der – überhaupt nicht mehr moralisch begründbaren – Atombomben in Hiroshima und Nagasaki.

Was die Machtpolitik an Denkmustern und Handlungsweisen vorgibt, muss den - korrekt arbeitenden - Wissenschaftler, der bei seinen Forschungsprojekten nur seinem Gewissen unterworfen ist, nicht kümmern. Er kann frei denken und ideologisch uneingeschränkt forschen, wenn er es will, wenn er die „intellektuelle Redlichkeit“ und die „innere Wahrhaftigkeit“ aufbringt, von der – der fröhliche Wissenschaftler - Nietzsche spricht.

Davon aber sind wir in der „Gaya scienza“ von heute - nicht nur an der deutschen Alma Mater - weit entfernt.



[1] Mehrfach verwies ich darauf in der Causa Herta Müller, wo die „Forschung“ alles umschifft, was nicht in das – politisch etablierte, ergo „korrekte“ – Bild der zu politischen Zwecken inszenierten Autorin passt.

 

 

 

 


 

Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,

Naturfotograf, im August 2021





Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/

 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.



Copyright: Carl Gibson 2022.






 

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