Sonntag, 9. Januar 2022

Katyn, der verfluchte Ort, fordert neue Opfer – und wieder sind es Polen!

 

  Katyn, der verfluchte Ort, fordert neue Opfer – und wieder sind es Polen!

Geschichtsbewusste erinnern sich: Ein Flugzeug fiel vom Himmel, Ein Flugzeug auf dem Weg nach Katyn: an Bord, Mitglieder der polnischen Regierung und einer der Kacinski-Brüder, Lech[1], aus der konservativen PIS-Partei, aufrechte Polen unterwegs, um an ein Kriegsverbrechen der besonderen Art zu erinnern, an Stalins-Verbrecher-Hypothek, an die Auslöschung der polnischen Elite an dem Unort Katyn. Alle Bordinsassen kamen bei dem Flugzeugabsturz ums Leben.

Hatte da jemand nachgeholfen? Raum für Verschwörungstheoretiker und Buchautoren, die gerne im Trüben fischen, aber auch ein Thema für Historiker, die wissenschaftlich zurückblicken auf das Verbrechen von Katyn[2] und nachfragen, wer für die Massenerschießung vom mehreren tausend Polen, in sowjetische Kriegsgefangenschaft geratene Reserveoffiziere der polnischen Armee verantwortlich ist: Stalins Handlanger im April 1940 oder die deutsche Wehrmacht ein Jahr darauf, 1941?

 

 

 Vgl. auch:

 

 

 

 Warte nur, bis die Archive geöffnet werden … zum Fall Katyn

Als ich, der in der roten Diktatur verteufelte Deutsche, im Jahr 1979 als antikommunistischer Dissident und „freier Gewerkschaftsgründer in Temeschburg“, im Banat, abgeurteilt, frisch aus dem Gefängnis entlassen, nach Deutschland kam, wusste ich bereits, dass das der deutschen Wehrmacht angelastete Verbrechen in Katyn und in den Nachbarlagern, wo viele Tausend Polen durch Genickschuss hingerichtet und in Massengräben geworfen worden waren, den Schergen Stalins zuzuschreiben war.

Doch Katyn war in Deutschland, seinerzeit, als die SPD die Ost-West-Entspannungspolitik nicht gefährden wollte, kein Thema.

Ganz im Gegenteil: Wer etwas Schuld von den moralisch schwer beladenen deutschen Schultern nehmen wollte, indem er historische Fakten offenlegte, geriet sogar in Verdacht, Geschichtsklitterung zu betreiben und Kriegsverbrechen über Aufrechnung verniedlichen, ja, ungeschehen machen zu wollen.

Die Presse mied das Thema Katyn – und die Wissenschaft umschiffte es auch, ein Zustand, der bis in das Jahr 1993 anhielt, als Jelzin das Material über Katyn freigab, das Gorbatschow noch unter Verschluss gehalten hatte, nicht anders als seinerzeit mitten im Weltkrieg Roosevelt und Churchill.

Eine empfehlenswerte Dokumentation, gezeigt von „arte“[1], mit Quellen zur stalinistischen Geschichte auch in der Ukraine, zwingt zur neuen Auseinandersetzung mit der Materie, gerade jetzt, wo ein sich zuspitzender der Konflikt zwischen der Ukraine und Putins Russlands einem Höhepunkt entgegenstrebt.



[1] https://www.arte.tv/de/videos/087406-000-A/stalins-henker/

 

 

 

    „Political correctness“ kastriert das freie Denken

und behindert, ja, verhindert die „historische Wahrheitsfindung“, da der politisch korrekt vorgehende Historiker in einer Art Selbstzensur Tabuisiertes vermeidet, Klippen umschifft, nur um nicht anzuecken[1].

Enge Denkbahnen führen zu schmalen Erkenntnissen, zu Unvollständigkeiten im Ergebnis der Analysen und Betrachtungen, die noch sehr weit von der exakten historischen Wahrheit entfernt sind.

Ja, auch wenn die Historiografie keine exakte Wissenschaft ist, kann die „historische Wahrheit“ sehr genau sein, wenn sie auf Fakten beruht, etwas im Fall „Katyn“, und wenn Gründe der Staatsraison oder sonstige Einschränkungen ideologischer Art nicht – interpretationsbestimmend - darüber gestellt werden.

Aus einer Diktatur kommend, sah ich die Dinge so, noch bevor ich meine historischen Studien aufnahm; und heute, vier Jahrzehnte später, ist meine – konsequent nach außen vertretene - Sicht in dieser Frage immer noch die gleiche. Einer, der dies ähnlich sieht und mehr durchdringt als ich in meiner Ecke, ist der vor einigen Jahren verstorbene Philosoph Michel Serre, der auch in Stanford wirkte, ein produktiver Publizist, der trotzdem überhört wurde, weil die - vom ihm zurückgewiesene - „Political correctness“ inzwischen das gesamte Geistesleben der westlichen Welt überlagert und alles einseitig determiniert, was aus diesen Denkschienen erwächst: eine Wissenschaft, die keine ist, mit Methoden, die keine echten Methoden sind, sondern Wege der Selbstbeschränkung, der Selbstkastration, der Verhinderung.

Unfreies, verkrüppeltes Denken führt zu keiner Wahrheit, sondern ist ein Instrument der Irreführung und der Täuschung in den Händen derer, die, fern von der Wahrheit an sich oder der historischen Wahrheit – andere hinters Licht führen wollen, um selbst zu bestehen, um, aus der Lüge heraus, ihren Willen zur Macht umzusetzen, um ganze Länderstrukturen zu verändern und ganze Völker – der Unfreiheit überantwortet – zu knechten.

Roosevelt und Churchill handelten so, als sie – aus Gründen der Staatsraison – die Kriegsverbrechen ihres Alliierten Stalin nicht nur in Katyn tolerierten und die Wahrheit über Katyn über Jahrzehnte hinaus verhinderten. Hitler, der unbedingt besiegt werden musste, war das größere Übel – und Hitlers Entfernung von der Macht hatte absolute Priorität.

Das mag man aus machtpolitischer Sicht verstehen; trotzdem muss man es nicht auch noch ethisch billigen und moralisch tolerieren; schließlich wurde der Kampf gegen Nazi-Deutschland unter demokratischem Vorzeichen und im Namen der Moral, der Aufklärung und des Humanismus geführt, bis hin zum Abwurf der – überhaupt nicht mehr moralisch begründbaren – Atombomben in Hiroshima und Nagasaki.

Was die Machtpolitik an Denkmustern und Handlungsweisen vorgibt, muss den - korrekt arbeitenden - Wissenschaftler, der bei seinen Forschungsprojekten nur seinem Gewissen unterworfen ist, nicht kümmern. Er kann frei denken und ideologisch uneingeschränkt forschen, wenn er es will, wenn er die „intellektuelle Redlichkeit“ und die „innere Wahrhaftigkeit“ aufbringt, von der – der fröhliche Wissenschaftler - Nietzsche spricht.

Davon aber sind wir in der „Gaya scienza“ von heute - nicht nur an der deutschen Alma Mater - weit entfernt.



[1] Mehrfach verwies ich darauf in der Causa Herta Müller, wo die „Forschung“ alles umschifft, was nicht in das – politisch etablierte, ergo „korrekte“ – Bild der zu politischen Zwecken inszenierten Autorin passt.

 

 

 

 


 

Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,

Naturfotograf, im August 2021





Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/

 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.



Copyright: Carl Gibson 2022.





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