„Der Zug“ – und „der Todeszug“ – Authentizität oder „Literatur aus zweiter Hand“?
Der Todeszug – das makabre Thema schlechthin über das, was Menschen anderen Menschen antun können, über Auslöschung des Einzelnen in Tagen in einer geplanten Mordaktion, die kein systematisches Morden sein will.
Todeszüge gab es viele: sie führten von Stuttgart nach Riga, von Baden nach Gurs.
Dann gab es die Züge „Heim, ins Reich[1]“, Züge von einer unfreien Ecke Frankreichs[2] in eine freie Zone; noch bevor die Deutschen Rumäniens auf Stalins Anordnung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verfrachtet wurden gleich dem Vieh in Viehwaggons, rollte noch der „Todeszug von Iasi“ über die Schienen.
Zusammengepfercht wie zurückgescheuchte Lämmer in der Herde, wurden – praktisch vogelfrei erklärte - Juden auf große Fahrt geschickt, ohne Ziel, quer durchs Land, so lange, bis viele nicht mehr lebten, elend aus dem Dasein geschieden in unendlichen Qualen für die Schuld, einem bestimmten Volk anzugehören, über das nun andere richteten, nein, nicht die Deutschen Hitlers, sondern die Handlanger jener Übermenschen, die es in vielen Völkern gab, auch unter den Rumänen.
Ein Thema, ein vielschichtiges Thema – nicht unbedingt für Hollywood - das mir lange durch den Kopf ging, so, wie mir einst das Thema „Theresienstadt[3]“ durch den Kopf gegangen war. Doch da waren Skrupel, ernsthafte Bedenken.
In beiden Fällen hielt mich, den Zeitzeugen, der bisher authentisch berichtet und nicht belletristisch konstruiert hatte, ein Kriterium von der literarischen Gestaltung dieser gewichtigen Sujets ab: es wäre „Literatur aus zweiter Hand“ geworden und somit etwas Unechtes, Nichtauthentisches, also genau das, was ich anderswo[4] ablehnte und bekämpfte.
Andere Autoren kennen solche Skrupel nicht. Ja, sie gehen noch viel weiter und übernehmen die Lebensberichte echter Opfer, von Menschen, die wahrhaftig gelitten haben, und geben das das Ganze[5] – ohne besonderes Hinzutun – als eigene Schöpfung aus. Gekrönt wird schließlich solch Gauklerwerk mit einem Nobelpreis.
[1] Von den Alliierten aus der Luft beschossene Züge, in welchen viele fliehende Volkdeutsche den Tod fanden.
[2] Vgl. dazu die Verfilmung: Le train - Nur ein Hauch von Glück“, mit Jean-Louis Tritignant und Romy Schneider, die eine Jüdin auf der Flucht verkörpert
https://de.wikipedia.org/wiki/Le_Train_%E2%80%93_Nur_ein_Hauch_von_Gl%C3%BCck
[3] Ich schrieb darüber in meiner „Symphonie der Freiheit“, 2008, wo ich auch eine Zugfahrt von Deutschland nach Genf schildere, in bzw. in „Allein in der Revolte“, 2013.
[4] In dem von Stockholm honorierten Werk „Atemschaukel“, das Herta Müller nahezu vollständig von ihrem literarischen bekannten Oskar Pastior aus Siebenbürgen übernimmt, wird eine Zugfahrt der deportierten Volksdeutschen aus Rumänien in ein Zwangsarbeitslager in der Sowjetunion geschildert, in die heutige Ukraine, wohin mein Vater seinerzeit 1945 auch deportiert worden war, nach Kriwoj Rog.
[5] Das wird hingenommen, obwohl es nicht nur – wie im Fall Herta Müller - „Literatur aus zweiter Hand“ ist, sondern ein eindeutiges Plagiat.
Zusatz:
Zum Thema „Todeszug“ schrieb ich in einem Werk, das noch kommt, in
Carl Gibson
Spuren des Judentums im Taubertal, in Hohenlohe, in Franken und das Holocaust-Gedenken der Deutschen heute:
„Der Tod hat viele Formen – und das perverse Gehirn eines „Menschen“, das Verbrechergehirn, kommt auf die abstrusesten Ideen, wie man – vor den Augen der Welt – Mitmenschen, unschuldige Zivilisten, auf zynische wie brutale Art umbringen kann.
Etwas später, nachdem die Juden Badens auf die weite Reise in das Internierungslager Gurs geschickt worden waren und etwa zur gleichen Zeit, als die Württemberger ihre jüdischen Mitbürger nach Riga verfrachteten, um sie dort nach schlimmer, langer Zugfahrt in Eis und Schnee zu dezimieren, rollte ein Todeszug[1] durch Rumänien, tagelang, länger als eine Woche, um auf diese Weise über 2000 Juden zu ermorden.
Nach dem Pogrom von Iasi (Jassy) mit über 13 000 jüdischen Opfern, war dieser Transport ins Nichts ins Rollen gebracht worden, um Menschenleben einfach auszulöschen.
Viele Opfer haben kein Grab, das an sie erinnert. Es gibt keinen Ort, wo Angehörige, Freunde, Gefährten Trauerarbeit leisten können.“
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,
Naturfotograf, im August 2021
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2021.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen