https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/8598-radio-im-kalten-krieg-kreuzzug-fuer.html
"Lockruf des Goldes",
ein Kapitel gegen Hetze für Geld: War der antikommunistische Dissident Carl Gibson ein Kalter Krieger?
"Ein Lockruf des Goldes",
Auszug
aus: Carl Gibson, Symphonie der Freiheit Widerstand gegen die
Ceauşescu-Diktatur Chronik und Testimonium einer Menschenrechtsbewegung
in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,
Leseprobe
Ein Lockruf des Goldes
Nach
einer ruhigen, traumlosen Nacht und einem mageren Frühstück in der
Schwabinger Pension machte ich mich wieder auf den Weg quer durch den
Englischen Garten, zum Sender. Dort traf ich den Redakteur und Moderator
wieder, den Noel Bernard mir vorgestellt hatte. Er hieß ganz zufällig
und vielleicht symptomatisch für sein bayrisches Umland Max.
Wir
begaben uns in das Aufnahmestudio, in einen kleinen sterilen Raum, in
dem es nichts weiter gab als ein Tischchen, zwei Stühle und ein
Mikrophon. Die Technik war jenseits des Fensters untergebracht. In
dieser unerquicklichen Atmosphäre, von der ein ferner Hörer nichts ahnt,
sollte ich nun enthemmt über mein Leben reden, über die Erfahrungen,
die ich gemacht hatte, unmittelbar und frei. Gleich stiegen wir in die
Diskussion ein, nachdem Max Bănuş mich in einer Vorrede seinem Publikum
vorgestellt und darauf verwiesen hatte, dass ich als noch relativ junger
Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien kaum
Rumänisch-Unterricht gehabt hätte und aus diesen Gründen das Rumänische
nicht umfassend beherrsche. Dann ging er zügig und professionell zur
Sache über. Max fragte geschickt und lenkte das Gespräch so, dass alle
Essenzen gut verständlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich
wurden. Die Interviews, die noch vor dem Senden bearbeitet wurden, zogen
sich einige Stunden hin. Schließlich waren wirklich alle
Entwicklungsstationen ausgeleuchtet und alles Wichtige gesagt.
Erleichtert atmete ich auf.
Nach
der erledigten Arbeit setzten wir uns in der Kantine des Hauses noch
einmal zusammen, aßen etwas und sprachen über verschiedene Themen, auch
über künftige Dinge. In diesem Kontext machte mir Max ein Angebot: „Das
war eine schöne Story“, summierte er jovial. „Wenn du das willst, können
wir noch viel mehr daraus machen!“
Etwas
verblüfft horchte ich auf. Noch bevor ich seine unbestimmten
Perspektiven ergründen konnte, fuhr er fort: „Es wäre denkbar, aus
deiner nicht alltäglichen Vita eine Serie zu machen, die wir dann über
Wochen verteilt ausstrahlen wie die Sendung Thesen und Antithesen aus Paris, gestaltet und betreut von dem, dir sicher bekannten Kritikerpaar Monica Lovinescu und Virgil Ierunca. Wir
könnten aus jedem Kapitel deiner Biographie eigene Folgen machen, die
junge Menschen im Land ansprechen. Wir könnten dann den Sachen tiefer,
differenzierter auf den Grund gehen, so dass auch einfachere Menschen
die regimekritischen Aktivitäten im Land verstehen“, spekulierte er mit
unverkennbarer Begeisterung. Als ihm aber auffiel, dass ich weder mit
spontaner Zustimmung reagierte und auch sonst nicht besonders
enthusiastisch dreinblickte, sondern mich eher nachdenklich reserviert
verhielt, ohne rechte Lust, das Angebot aufzugreifen, warf er noch einen
Köder aus, indem er fast überschwänglich ausrief: „Bedenke, du sitzt
hier auf einem Sack voller Geld. Du brauchst nur zuzugreifen! Wenn wir
das Projekt gemeinsam durchziehen, kannst du dabei eine Menge Geld
verdienen, richtiges Geld, das du bei deinen kommenden Studien sicher
gut gebrauchen kannst!“
Geld!?
Viel Geld!? Das klang nicht schlecht. Eine sanfte Versuchung kroch hoch
mit dem unbestimmten Klang des Goldes. Doch hinter diesem Lockruf
erkannte ich intuitiv, von menschlicher Sympathie und humanistischer
Absicht kaschiert, die nicht ganz reine Stimme eines Kalten Kriegers.
Die Ost-West Konfrontation tobte immer noch. Wir lebten in der
Breshnew-Ära, noch Jahre vor Reagans Machtübernahme. Der Einmarsch der
Sowjets in Afghanistan stand noch bevor. Das State Departement der
Vereinigten Staaten arbeitete an der moralischen Destabilisierung des
Ostens. Und Radio Freies Europawar ein ausgewähltes Mittel dazu.
Nur
wollte ich kein zusätzliches Mittel sein - und lehnte deshalb ab. Ein
Hauch von Käuflichkeit lag in der Luft - nicht viel anders als bei den
Kommunisten, die konzessionsfreudigeren Mitmenschen auch die Möglichkeit
zur Karriereerfüllung boten. Mir reichten vorerst die beiden
Interviews, in denen ich ganz neutral dargelegt hatte, was sich ereignet
hatte; in denen ich unmissverständlich, fern von jeder ideologisch
motivierten Hetze, jenes gesagt hatte, was gesagt werden musste.
Instrumentalisiert werden wollte ich nicht. Und billig hetzen wollte
ich schon gar nicht. Denn Hetze, das lehrte die Geschichte, schuf immer
und überall auf der Welt nur Hass, Destruktivität, Zwist und Krieg.
Auch
war nicht die Person Ceauşescus mein deklarierter Gegner, gegen den
andere polemisierten. Mein Gegner war das kommunistische System selbst,
das doktrinär, dogmatisch und menschenverachtend war. Falschen Werten
hatte ich den Kampf angesagt, der Pseudomoral und der Heuchelei, jener
unausrottbaren Pest, die von vielen Bürgern mitgetragen wurde, in Ost
und West. Dort sah ich die Wurzel des Übels, nicht in einer lächerlichen
Führerfigur, die nicht anders funktionierte als die Marionette des
Puppenspielers. Der Puppenspieler aber - das war eine Mehrzahl: Der
Apparat, die Nomenklatur und die vielen Profiteure des Regimes.
Meine
Interviews wurden in den kommenden Jahren mehrfach ausgestrahlt und
erreichten Millionen Menschen hinter dem Eisernen Vorhang, auch die
Securitate. Anscheinend wurde meine Geste verstanden. Die Securitate
schickte kein Mordkommando. Als ich nach den Gesprächen im Studio wieder
durch den Englischen Garten streifte und noch einmal über alles
nachdachte, war ich heilfroh dem Lockruf des Goldes widerstanden zu
haben. Damit hatte ich mich einer Instrumentalisierung entzogen und
meine Freiheit,
die mir über alles ging, gewahrt. Jetzt hatte ich immerhin ein paar
hundert Mark in der Tasche, mein Honorar für die Mitwirkung: das erste,
selbst verdiente Geld im Westen. Also beschloss ich, es gleich gut
anzulegen, fuhr zum Münchner Hauptbahnhof und kaufte mir dafür eine
Fahrkarte nach Paris.
Auszug
aus: Carl Gibson, Symphonie der Freiheit Widerstand gegen die
Ceauşescu-Diktatur Chronik und Testimonium einer Menschenrechtsbewegung
in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,
Leseprobe
Pestsäule und Dom, Temeschburg,
OTB-Organisator Georg Weber, 1982 in Dortmund
Bürgerrechtler Carl Gibson zur Zeit der UNO-Beschwerde gegen Ceausescu (1981)
in Rottweil
Kathedrale, Temeschburg
ZK - hier schlug das Herz der KP des Dikatators
Ceausescus Palast
Carl Gibson, Lesung
Ein Pressebericht, Tauber-Zeitung, FN (2008)
Carl Gibson, Symphonie der Freiheit,
Dettelbach, 2008, 418 Seiten.
Dettelbach 2008, 418 Seiten - Leseprobe
Zeitzeuge und Autor Carl Gibson
Philosoph Carl Gibson
Mehr zum "Testimonium" von Carl Gibson in seinem Hauptwerk in zwei Bänden,
in:
"Symphonie der Freiheit"
bzw.
in dem jüngst (Februar 2013) erschienenen zweiten Band
"Allein in der Revolte".
Copyright: Carl Gibson (Alle Rechte liegen beim Autor.)
Fotos: Monika Nickel
Auszug aus: Carl Gibson,
Symphonie der Freiheit
Widerstand gegen die Ceauşescu-Diktatur
Chronik und Testimonium einer Menschenrechtsbewegung
in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,
Dettelbach 2008, 418 Seiten - Leseprobe
Zeitzeuge und Autor Carl Gibson
Philosoph Carl Gibson
Mehr zum "Testimonium" von Carl Gibson in seinem Hauptwerk in zwei Bänden,
in:
"Symphonie der Freiheit"
bzw.
in dem jüngst (Februar 2013) erschienenen zweiten Band
"Allein in der Revolte".
Copyright: Carl Gibson (Alle Rechte liegen beim Autor.)
Fotos: Monika Nickel
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,
Naturfotograf, im August 2021
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2021.
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