Weshalb zeigt der deutsch-französische Kulturkanal „arte“ seinen Zuschauern ein antideutsches Machwerk, nämlich den Spielfilm „Der Schmerz“ nach Marguerite Duras, der im Wesentlichen nur schlecht gemachte, billige Propaganda ist?
Vieles ist – über die völlig aus der Luft gegriffene, höchstwahrschein frei erfundene Erschießungszahl hinaus - in diesem Streifen historisch unecht, manches plakativ inszeniert unsensibel aufgesetzt, dem Zuschauer vor die Nase gerieben, damit dieser irgendwann entrüstet ausruft „Die bösen Deutschen, was haben sie nicht alles angerichtet in der neuesten Geschichte, seitdem sie groß und mächtig sind! Sie haben die Franzosen wieder klein gemacht und unbedeutend, haben Britanniens Stand und Streben bedroht – und sie haben schließlich zwei vernichtende Weltkrieg angezettelt mit Millionen Opfern auch unter der Zivilbevölkerung!“
Ja, so etwa sieht man immer noch die Dinge im Ausland, auf dem Kontinent und auf der Insel, wobei selbst die Historiker nach immer darüber streiten, was Mythos ist und was der Wahrheit entspricht, weil politische Vorgaben den Gang der Forschung bestimmen.
Wenn die Forschung versagt, darf man sich nicht wundern, wenn Dichter und Schriftsteller, die es weder mit dem strengen denken, noch mit Fakten und Erfindungen ganz ernst nehmen, eigene Vorstellungen in die Welt setzen und die tatsächliche Welt über eigene Kreationen zur irrealen Fantasiewelt umgestalten, ohne Rücksicht auf die Folgen in der Gesellschaft, die Fiktionen als Wahrheiten aufnimmt und Lügen als Werte zelebriert.
Einer, der die Gefängnisse der Diktatur von innen her kennt, der physische und psychische Folter erlebt, der Politik praktiziert und darüber hinaus Geschichte nicht nur mitgestaltet, sondern auch redlich studiert hat, schaut genauer hin, wenn Geschichte „geschrieben“ oder auch nur plump inszeniert wird.
So auch ich, der Franzosenfreund, der sich – nun ganz so nebenbei – dafür interessierte, wie Franzosen ihre Geschichte aufarbeiten oder deutsche Autoren und Filmemacher die gleiche, jüngste Geschichte Frankreichs während der deutschen Besatzungszeit, im Bewusstseins dessen, was die Besatzer überall in Europa angerichtet und welchen nachwirkenden Eindruck die Deutschen hinterließen, in Frankreich, auf dem Balkan, in Skandinavien und den Niederlanden, in Griechenland, in den Staaten Osteuropas und in weiten Teilen der Sowjetunion.
Drei Spielfilme rezipierte ich etwas gründlicher, länger und tiefer über die Botschaften der Streifen mit sehr ernstem Hintergrund nachdenkend.
Zunächst sah ich zum Makrothema deutsche Besatzungszeit in Frankreich, „Kollaboration“ und „Resistance“ und Judendeportation „Die Verfolgten“, einen Spielfilm aus dem Jahr 1971 (?), in welchem französische Autoren und Filmemacher ein wundes, lange Zeit verdrängtes Thema aufgreifen und – sehr realitätsnah – Abläufe schildern, die sich so abgespielt haben könnten, mitten in Paris, als vor den Augen der Bewohner der Kapitale, tausende Mitbürger aus ihren Wohnungen geholt und in Konzentrationslager deportiert wurden – und das auf Anweisung der Kollaborationsregierung des Feldmarschalls Petain und unter Mitwirkung der Exekutivkräfte der Regierenden aus Justiz und Verwaltung.
Dann sah ich Volker Schlöndorffs „Das Meer am Morgen“ mehrfach, außerplanmäßig auch noch den „Zug“, „Le train[1] - Nur ein Hauch von Glück“, mit Jean-Louis Tritignant und Romy Schneider, die eine Jüdin auf der Flucht verkörpert, und schließlich „Der Schmerz“, einen Spielfilm, den ich als misslungen betrachte und in die Nähe eines ideologisch motivierten Machwerks rücke, das aus dem Geist des Chauvinismus und des Revanchismus entstanden ist – mit destruktiver Absicht unter Einsatz von fragwürdigen, irreführenden, anrüchigen Mitteln der Manipulation und der gezielten Täuschung.
Drei Filme und noch ein vierter zu Ereignissen aus sehr tristen, die Menschen erniedrigenden Tagen, Filme über Krieg, Verfolgung, Besatzung, Deportation im Herzen Europas – als Protagonisten zwei Nationen, die den Kultur- und Zivilisationsbegriff jeweils für sich reklamieren und die sich als Völker von Kulturschaffenden und Wissenschaftlern definieren, - trotz Kolonialismus- als geistige Avantgarde der Menschheit.
Drei, vier Filme zu einem großen Thema – da bietet sich ein Vergleich automatisch an, ja, er drängt sich auf, wenn man genauer hinschaut und – wie auch sonst in langjähriger Zeitkritik von Voltaire, über Heine und Nietzsche in die neueste Zeit – die „intellektuelle Redlichkeit“ als Messlatte ansetzt.
„Chapeau!“, sage ich beim ersten Film. Der Franzose nimmt sich die Ereignisse rund um der Deportation französischer Juden aus dem Judenviertel in Paris vor und arbeitet dieses Kapitel der nationalen Schande auf, ohne die deutschen Besatzer speziell an dem Geschehen zu beteiligen. Was Franzosen Franzosen angetan haben, wird in dem Film prägnante eingefangen – und dahinter: die Schäbigkeit des Menschen überhaupt, des niederen Charakters, der zwar existenziell denkt, der aber, fern von Egos und Moral, nur sich selbst kennt und der das Leiden der anderen zum eigenen Vorteil nutzt.
Viel differenzierter hingegen Volker Schlöndorff in „Das Meer am Morgen“, in diesem besonderen Spielfilm, der viele interessante und gewichtige Aspekte einfängt, der, neben den Porträts der Hauptakteure General von Stülpnagel und Ernst Jünger, die Bilder sympathischer Kommunisten zeichnet, den aufrichtigen französischen Christen neben dem deutschen Heuchler in Uniform, und sogar noch Raum findet, um, so nebenbei, selbst den Helden des Ersten Weltkrieg zu würdigen, Feldmarschall Petain, in dessen Namen sich die Kollaboration vollzieht. Zweimal sah ich aufmerksam zu und schrieb anschließend darüber, nicht minder beindruckt als nach den „Verfolgten“.
Dann aber kam der Scherz mit dem „Schmerz“ einer Literatin, die das Buch zu einem Film ablieferte, der mich, da schlecht gemacht, von Anfang an nicht faszinierte. Zwei Anläufe brauchte, um mich in die Situation hineinzuversetzen. Viele Fragen drängten sich auf, Unbefriedigendes auch in der Darstellung der Thematik mit einer Protagonistin, die nicht begeistert, ja, verkrampft und unecht spielt, noch bevor die ominöse Erschießungszahl fiel – 150 000 erschossene Kriegsgefangene allein im KZ Buchenwald?
Ein Historiker, der auf dem Gebiet etwas bewandert ist, weiß sofort, dass diese Zahl nicht stimmt. Also reagierte auch ich, einer, der Buchenwald ausgiebig besichtigt und darüber berichtet hatte, recht konsterniert und hatte fast schon keine Lust mehr, den Streifen zu Ende zu verfolgen, im Bewusstsein, ein propagandistisches Machwerk vor mir zu haben, das mit unseriösen, wissenschaftlich nicht belegten Zahlen operiert.
Geschockt, doch mehr über die Tatsache, dass eine falsche Zahl Jahrzehnte nach den Ereignissen um 1945 immer noch im Umlauf ist und immaterielle Schäden anrichtet, als entrüstet über die Zahl selbst, sah ich mich gezwungen, fortan noch genauer hinzuschauen!
Und was sah ich, während noch andere Zahlenwerke durch die Filmszenen geisterten, auch zu dem von den Alliierten befreiten Konzentrationslager Bergen-Belsen: ehemalige Häftlinge aus deutschen Haftanstalten, die nun, in Paris, nach der langen Fahrt von Deutschland, immer noch – plakativ inszeniert – in ihrer original-gestreiften Sträflingskleidung im Bus durch die Straßen der Hauptstadt gefahren wurden, ein Folteropfer im Lazarett, auf dessen Rücken gravierende, anklagende Folterspuren zu erkennen waren und ähnliche Dinge, gut geeignet, die Deutschen an den Pranger zu stellen, die inhumanen Deutschen auf die moralische Anklagebank zu setzen für das, was sie getan hatten, aber auch für Erfundenes, auf das, wie nach dem Ersten Weltkrieg in Versailles, die Welt verstehen wird, weshalb man immer noch und bis zum heutigen auch mit dem Rechtsnachfolger des Dritten Reiches, also mit der Bundesrepublik Deutschland, ins Gericht gehen muss. Der Film entstand 2017. Verkommt bei dieser Inkonsequenz die „deutsch-französische Freundschaft“ der Gegenwart als Basis der EU nicht zur Floskel?
Was soll also die Heuchelei von Aussöhnung und Völkerfreundschaft zwischen Franzosen und Deutschen, wenn es weiterhin – und sogar im kulturellen Bereich - antideutsche Wühlarbeit gibt, Ressentiments, die das untergraben, was andere, beginnend mit de Gaulle und Adenauer, früh begannen?
Anders als ein Winston Churchill, der die Deutschen und alles Deutsche abgrundtief hasste, und, obwohl selbst ein Kriegsverbrecher, der als Politiker ganze Nationen Osteuropas der Versklavung durch Stalin preisgab, der alles tat, um Deutschland zu schaden, im Krieg und auch nach dem Krieg, in Jalta und in Potsdam, war de Gaulle, der - aus dem Exil heraus in Schlöndorffs Streifen Mitglieder der Resistance noch zur Tötung deutscher Besatzer aufruft – kein Deutschenhasser, sondern überzeugt – und das belegt eine Rede - von der wahren Größe der deutschen Nation, die im Grunde nichts anderes ist als die alte Brudernation der Franzosen - mit dem gemeinsamen Ahnherrn beider Völker: Kaiser Karl, der Große.
Vgl. auch:
Widerstand und aktive Mitwirkung: Traumatische Kapitel französischer Geschichte und die Erinnerungskultur im Film – das Bild der „Résistance“ und der „Kollaboration“ zwischen realistischer Darstellung und konstruierter Inszenierung
Ernst Jünger, mit dem „Pour le Mérite“ nach Paris. Oder Der unpolitische Soldat, der kein Mörder sein will, auch kein Tyrannenmörder. Zu Volker Schlöndorffs Fernsehfilm „Das Meer am Morgen“ – eine Empfehlung von Carl Gibson
Die deutsche Besatzungszeit in Frankreich - nach dem die Große Nation bis zum heutigen Tag demütigenden „Blitzsieg“ in dem fälschlicherweise dem „größten Feldherrn aller Zeiten zugeschriebenen „Blitzkrieg“ – hat einige illustre Figuren hervorgebracht, deutsche Soldaten im Dilemma, die sich in Teufelskreisen, vollendeten Tatsachen und im ethischen Zwiespalt gefangen, für Positionen und Haltungen entscheiden mussten, die immer nur falsch sein konnten: General vom Stülpnagel, der mächtige Kommandant des Besatzungsheeres, der ungekrönte König von Paris auf Zeit, der – gegen den eindeutigen Führerbefehl, das geistige, politische und vor allem kulturelle Zentrum der Französischen Nation nicht zerstörte, und ein Mann des Widerstands gegen Hitler fast von Anfang an, General Erwin Rommel, Kommandeur des Verteidigungswalles am Atlantik, und schließlich Pour le Mérite-Träger Ernst Jünger, Fremdenlegionär, Stoßtrupp-Führer im Kampf gegen Frankreich und England in den Anfangstagen des Ersten Weltkriegs, Käfersammler und Dichter, erfolgreicher Verfasser von „In Stahlgewittern[1]“ und anderen Büchern, die selbst in den Tagen der NS-Zeit in Deutschen Reich gelesen wurden, als Offizier abkommandiert nach Paris, um dort, im Umfeld von General vom Stülpnagel, Gutes zu tun und Böses nach Möglichkeit zu verhindern.
Etwas von diesem noblen Tun in schwerer Zeit, das auch erklärt, weshalb Ernst Jünger auch im heutigen Frankreich immer noch hoch verehrt wird, hat Volker Schlöndorff in seinem Streifen „Das Meer am Morgen[2]“ einzufangen versucht, in einem gut gemachten Fernsehfilm aus dem Jahr 2011, zu dem der deutsche Regisseur auch das Drehbuch geschrieben hat, in welchem eine zutiefst inhumame Repressalie der Vergeltungsmacht Deutschland an der Französischen Nation im Mittelpunkt steht: das sinnlose Erschießen von Geißeln in übergroßer Zahl, so angeordnet von dem – damals schon – durch und durch verbrecherischen Führer des Reiches nach dem Attentat von jugendlichen Kommunisten auf einen Besatzungsoffizier in Nantes. Weil Hitler ein Zeichen setzen wollte, sollten 150 Geißeln exekutiert werden, hauptsächlich ausgewiesene Kommunisten[3], antideutsche Patrioten, die nach Widerstandsaktionen festgenommen und in ein Lager interniert worden waren, darunter einige Jugendliche, auch Juden.
Der Film, aufgebaut auf authentische Zeitzeugnissen hauptsächlich aus den vor Ort verfassten Tagebuchaufzeichnungen und Beschreibungen Ernst Jüngers, dokumentiert und vergegenwärtigt das Schreckliche: die standesrechtliche Erschießung von 27 willkürlich, doch hauptsächlich nach weltanschaulichen Kriterien ausgewählten politischen Häftlingen in einer „Sandgrube“. Die sinnlose Aktion vollzieht sich unter Mitwirkung der Kollaborationskräfte unter Feldmarschall Petain[4], die, den Besatzungsgesetzen unterworfen, zu Handlangern der deutschen Besatzer werden, ebenso in psychische Konflikte verstrickt wie der Dichter und der General, die, eingebettet zwischen Befehl und Pflicht, genauer zwischen „verbrecherischem Führerbefehl“ und teilweise „christlichem“ Gewissen, ihre Pflicht tun müssen.
Schlöndorff, der das Drehbuch nach heutigen Erkenntnissen geschrieben hat und – einer auktorialen Gottheit gleich – mehr weiß, als die Akteure vor Ort auf beiden Seiten damals wissen konnten, kann in dem Streifen natürlich nur wenige Schlüsselmomente dieser äußerst komplexen Situation einfangen: der Dichter, der als Geistesmensch, als Literat und als Repräsentant einer anderen „Kulturnation“ den „Geschmack“ der Franzosen hervorhebt und somit das Ästhetische über Ethik und Moral erhebt, also die französische „Kultur und Zivilisation“ über dem deutschen Wesen, an dem doch die Welt genesen sollte, ansiedelt, ehrt als Soldat die Uniform[5], als Kämpfer an der Front, der kämpfend seiner Pflicht nachkommt, ohne die politischen Hintergründe und Absichten zu bedenken, als ein Mann der konkreten Tat, der aber nicht zum Widerstandskämpfer und zum Cäsaren-Mörder werden will.
Den Tyrannenmord im Verständnis der Antike lehnt Ernst Jünger ab, nicht anders als lange Zeit General Otto von Stülpnagel und der von den Alliierten auch nach dem Krieg noch geachtete Feldmarschall Erwin Rommel, der seinerzeit nicht die Kraft fand den Führer von Angesicht zu Angesicht zu erschießen. Pflicht, Gehorsam, Loyalität, gerade nach der Vereidigung der deutschen Soldaten auf den Führer?
Also ehrt der Soldat der Wehrmacht mit deutscher Nibelungentreue die Uniform, will aber nicht zum ausführenden Tyrannenmörder werden. Auch setzt er die Kraft und Aura der Uniform des deutschen Soldaten nicht ein, um Leben zu retten, Juden auf dem Weg in die Deportation oder fast unschuldige, Jugendliche Patrioten im Lager. Jünger wird mit dem Vorwurf konfrontiert und muss die – an sich heuchlerische – Situation ertragen, irgendwo doch einsehend, dass ein deutscher Kulturmensch sich nicht einfach so jenseits von Ethik und Moral begeben kann, vor allem dann nicht, wenn es um höheres Leben geht, nicht um Insekten im biologischen Raum, nicht um Ameisen und Käfer, sondern um echte, nackte Menschenleben, wenn über Sein und Nichtsein entschieden wird.
Volker Schlöndorffs Fernsehfilm „Das Meer am Morgen“, ein humaner Streifen, der das Elementare als das Existentielle einfängt, ist eine Problematisierung vieler wunder Punkte im Ansatz, von gewichtigen Fragen im Grenzbereich zum Tabu, die auf der Leinwand nur angedeutet, aber nicht ausdiskutiert werden können: die deutsch-französische Rivalität im Kulturbereich, die aus den früheren Jahrhunderten auch noch das Jahrhundert der verheerende Weltkrieg bestimmt, mit dem Bild des korrekten, anständigen Deutschen, der, anders als „die blonde Bestie“ im weltanschaulich bestimmten Vernichtungskrieg im Osten, kultiviert erscheinen will, als Dichter eben; dann der ethische Konflikt zwischen Gehorsam und Pflicht oder, nicht zuletzt, die – nahezu traumatisch nachwirkende – „Kollaboration[6]“ in Frankreich, die dort immer noch nicht ganz bewältigt ist.
[2] Im November 2021 ausgestrahlt von „arte“. Abrufbar unter: https://www.arte.tv/de/videos/044733-000-A/das-meer-am-morgen/
Zweimal habe ich mir den preisgekrönten Film angesehen, auch, weil ich – aus dem Widerstand kommend – später viel über politische Gegenwehr ja, selbst über „Tyrannenmord“ viel nachgedacht und geschrieben habe. (Vgl. dazu den Auszug weiter unten im Blog.)
Mehr dazu unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Meer_am_Morgen
[3] Kommunisten kommen in diesem Streifen gut weg – es sind die Idealisten, die sich nach dem Hitler-Stalin-Pakt von der kommunistischen Linie der Sowjets abwandten und im Untergrund einen nationalen Widerstand im besetzten Frankreich, die „Resistance“ aufbauten.
[4] Der Nationalheld des Ersten Weltkriegs, der den Franzosen als der große Krieg gilt, wird von Schlöndorff durchaus gewürdigt – als Soldat alter Schule, bereit, als guter Patriot selbst zur Geisel zu werden. Andere sehen in Petain, der sich der Staatsraison beugt, um einem Teil Frankreichs die Freiheit zu sichern und um durch Mitwirkung letztendlich ganz Frankreich zu retten, nur den „Kollaborateur“.
[5] Ein Kommunist kann sich auf dem Weg zum Schafott des Gestus nicht verkneifen, vor einem an der Aktion mitwirkenden Gendarmen auszuspucken, demonstrativ betonend, der Blaumann des Arbeiters, der – wie der Kommunist - für das internationale Proletariat steht, sei reiner als die Uniform, die eine moralisch fragwürdige Kluft der Unterdrücker aus dem eigenen Volk ist.
[6] Während ich hier diese – lange Zeit zurückgestellte - Materie nun hier und jetzt aufarbeite, ohne alles sagen zu können, was ich gerne dazu sagen würde, nicht zuletzt, weil ich den Druck dieses Buches selbst bezahlen muss, fern von allen Sponsoren und Seilschaften mit Eigeninteressen, lief in den letzten Tagen des August 2020 auf dem deutsch-französischen Kultursender „arte“ ein einfach gemachter Spielfilm - aus dem Jahr 1971 - französischer Provenienz, deutscher Titel „Die Verfolgten“, in welchem einige wichtige Phänomene zu den – seinerzeit noch nicht aufgearbeiteten, ja, tabuisierten Themen „Kollaboration“ und „Widerstand“ treffend auf den Punkt gebracht wurden.
Geschildert wird die Deportation französischer Juden aus dem Judenviertel in Paris, durchgeführt, während der Besatzungszeit, doch ohne deutsche Mithilfe, durch französische Polizei. Deutlich wird auch ein Aspekt, der sonst, da nicht ganz politisch korrekt, unter den Tisch fällt: der stigmatisierte Jude mit gelbem Stern lässt sich nicht helfen, weil er, staatloyal und patriotisch, immer noch an die Gerechtigkeit des französischen Staates glaubt und so gutgläubig in den Tod geht, aufs Schafott; ferner die Schäbigkeit des Menschen an sich: kaum sind die Juden aus der Wohnung geholt und in den Bus zum Abtransport in ein Lager gepfercht worden – und schon stürmen die Nachbarn, die alles mitbekommen haben, die menschenleere Wohnung, um sich an Hab und Gut der Abgeholten zu bedienen.
Statt Mitgefühl zu zeigen, reagiert der „kleine Mann“ und Durchschnittsfranzose mit Gleichgültigkeit auf das Los seiner Mitmenschen, interessiert, auch noch von dem mitangeschauten Unrecht zu profitieren.
In der tiefen deutschen Provinz, in der Kleinstadt Bad Mergentheim, war es nicht anders; auch dort schauten, am Morgen in der Früh am Fenster stehend, wenige Bürger dem Abtransport ihrer Mitbürger zum Bahnhof zu, wohl ahnend, dass es in die Vernichtung geht. In der Metropole Paris erlebte die ganze Stadt die Ausgrenzung über den „gelben Stern“ und die minutiös-akribisch durchgeführte Auslieferung. Der deutsche Besatzungsoffizier und angeblich Immoralist Ernst Jünger, der die „Reichskristallnacht“ in Deutschland nicht hingenommen hatte, schämte sich nun auch in Paris für diesen Stern, ging heim und legte die Uniform ab – und mit dieser auch den – sonst stolz getragenen „Pour le Mérite“.
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,
Naturfotograf, im Jahr 2021
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2021.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen