Mittwoch, 18. August 2021

Wenn Don Giovanni mit dem Hammer philosophiert – Natur gegen Unnatur, antike Ästhetik, Erotik, Sensualismus gegen christliche Sexualmoral: Romeo Castelluccis Meta-Interpretation des Mythos von der Groteske hin zum absurden Theater - antiklerikale Nietzsche-Rezeption als Umwertung und Neuwertung auf der großen Bühne in Salzburg. Wird diese Symbol-Deutung für Fortgeschrittene dem Mythos gerecht?

 Entwurf:

Meister der Meister - Mozart

 

 


 Genius Mozart

 

Wenn Don Giovanni mit dem Hammer philosophiert – Natur gegen Unnatur, antike Ästhetik, Erotik, Sensualismus gegen christliche Sexualmoral: 

Romeo Castelluccis Meta-Interpretation des Mythos von der Groteske hin zum absurden Theater - antiklerikale Nietzsche-Rezeption als Umwertung und Neuwertung auf der großen Bühne in Salzburg.  

Wird diese Symbol-Deutung für Fortgeschrittene dem Mythos gerecht?

Oder schon am Mythos vorbei, den Kern des Don Juan-Mythos sprengend?

Von Lorenzo da Pontes Groteske in das absurde Theater des 20. Jahrhunderts? Zu viel des Guten?

Hat Romeo Castellucci mit dem, was ihm in der Neu-Ausgestaltung dieser Oper aller Opern einfiel, überzogen, in maßloser Übertreibung, indem er einen Schrottplatz der Symbole errichtete, einen geballten Symbolhaufen gleich einer Mülldeponie, wo man alles entsorgt, zusammenwirft, was man nicht mehr braucht, was seelisch wegmuss, um erleichtert weiter zu leben?

Die Groteske, die dem Sujet innewohnt, bietet eine gute Möglichkeit dazu. Jeder, der Mozarts Meisterstück bisher inszenierte, ging ein kleines Stückchen weiter in der Interpretation, wurde mutiger, brachte neue Elemente ein, Erotisches, Freigeistiges, Antiklerikales. Doch Castellucci übertreibt in der Übertreibung, wenn er jetzt alles auf den Markt wirft, was ihm durch den Kopf gehrt, es den Menschen, dem Publikum vorwirft nach dem Motto „Friss, Hund, oder stirb“, um dann doch tosenden Applaus zu ernten, weil die Effekte ihre Wirkung nicht verfehlten. Das „kunstsinnige“ Publikum klatscht, ist begeistert, stimmt zu, nimmt die geballte Symbolik Castelluccis hin, ohne einzelne Metaphern und Allegorien streng deuten zu wollen und erfreu sich der Abwechslung, ohne nach der Legitimität der Bilderflut und Bilderwut zu fragen, gar darüber zu richten.

Was ist von dem, was auf der Bühne in Salzburg zu sehen noch im Geist des Mythos? Was führt bereits an den mythischen Vorgaben vorbei? Ein Auto auf der Bühne, nein, es ist kein „Trabant“, es ist – die Silhouette verrät es - eine teure Marke: gesponsert, fragt man sich! Was soll das Auto im „Don Giovanni“? Dann fällt ein Flügel vom Himmel – und gibt noch Töne, ein wirres Geklimper, das nicht aus der Feder Mozarts stammt. Während dem Luxusfahrzeug, das - eigentlich ohne Sinn - die Kulisse bereichert und aufgesetzt wirkt, keine Funktion zukommt, ist das zertrümmerte Hammer- Klavier nur ein Element aus vielen in der langen Reihe der Destruktionen, die der Protagonist mit dem Hammer in der Hand debütierend vollzieht – als Zersetzer der Werte, als Zerstörer, ganz im Einklang mit Nietzsches Diktum, der Brecher, genauer der „Verbrecher“, sei auch der Um- und Neu-Werter aller Werte.

Ein Bilderreigen durch die europäische Historie und Geistesgeschichte zieht durch die Inszenierung, beginnend mit den Geburtstagen der attischen Tragödie, wie von Nietzsche dargelegt, geboren aus dem Geist der Musik, über die Gipsgestalten aus Pompeji, die – noch mitten in der Handlung - vom Titelhelden mit dem Baseballschläger zertrümmert werden gleich Al Capone im Film, bis hin zum Abbau der christlichen Symbolik im erzkatholischen Pfaffennest Salzburg, dessen Oberhaupt Fürstbischof Colloredo seinerzeit den Mozarts das Leben schwer machte, um den großen Sohn der Stadt, das Menschheitsgenie Wolfgang Amadeus, schließlich endgültig vom Schönen Ort mit der Burg zu vertreiben.

Nicht erst seit Colli und Montinari lieben intellektuelle Italiener die Auseinandersetzung mit dem Werk des frei und wild philosophierenden Nietzsche; und sie pflegen sie nicht minder, wie sie immer wieder den Konflikt mit der kommunistischen Weltanschauung suchen und austragen, also auch Castellucci, der den Heros der Umwertung aller Werte, den Wüstling und uneingeschränkten Amoralisten, ganz im Geist des Moralkritikers und Umwerters Nietzsche mit dem Hammer in der Hand, in der „Faust“, auftreten und agieren lässt, so lange, bis dieser alles zertrümmernde Hammer später in der Bauernszene mit der Sichel des Masetto konfrontiert wird, wobei der Hammer des Aristokraten, Wotans Hammer, gefährlicher wirkt als die Sichel des einfältigen Bauern vom Land, der sich die Verlobte ausspannen und fast verführen lässt. Nordischer Nebel gegen die eine heiße Liebe stimulierende Sonne des Südens im Land, wo die Zitronen blühen? Goethe auch hier? Wagners Wotan in sensualistischer Erscheinung?

Die Don Giovanni-Figur transportiert die gewaltige Ideenwelt, die hier immer mitschwingt, unterstützt von anderen, weniger aggressiven, ja fast konventionellem Gestalten wie Don Ottavio, der brav seine Rolle singt, äußerlich aber zum Popanz gemacht wird, zu einer Witzfigur, die mithilft, Wertewelten aufeinanderprallen zu lassen: Nordisches, Reines, Wahres, Gutes gegen Werte jenseits der Moral, gegen Werte des Südens, gegen Sünde, Verführung, ja, bis hin zu Mord und Totschlag im Affekt oder mit Kalkül. Über dem Ur-Konflikt Natur gegen Unnatur, der den Don Juan-Mythos bestimmt und der sich in der geistig-philosophischer Auseinandersetzung der Antike sowie der Renaissance mit dem Christentum wiederfindet, kann man, mit etwas Phantasie, die spätere Kollision Nietzsches mit Wagner erkennen, ein Musikanten-Problem, das über Bayreuth hinausstrahlt und eben nun in Salzburg weiterwirkt und Assoziationen wachruft, die weder bei Mozart nach bei Lorenzo da Ponte ein Thema waren. Wie genau kennt Castellucci Nietzsche? Wie gezielt rezipiert er den größten Kritiker des Christentums, den die Neuzeit hervorgebracht hat?

Während die Don Giovanni-Gestalt des Mythos den echten, den antiken Machtmenschen verkörpert, den Tyrannen, der sich alles nimmt, was ihm beliebt, ohne Rücksicht auf Recht, Gesetz oder Ethos, eben, weil er selbst das Gesetz ist und dekretiert, was gut ist und was böse, erscheint der Träger des Guten, Don Ottavio, als Witzfigur, eingehüllt in die Uniform eines modernen Diktators á la Gaddafi oder in der Ausrüstung eines nordisch-skandinavischen Schneekriegers als irdischer Rachengel der beinahe vergewaltigten Donna Anna, dieser schwörend den Tod des Komturs zu rächen und ihr, der Verlobten, als Vater und Gatte künftig Beschützer zu sein.

Dabei zersticht dieser ewig Friedfertige mit der lieblichen Tenorstimme in wilder Rage gleich vier Basket-Bälle, entschlossen, dem teuflischen Wüstling die Stirn zu bieten – im Duell des Stümpers gegen den guten Degenfechter, der, wie in Lenaus Don Juan-Fragment, sich aus Überdruss und Langeweile seinem Todfeind hingibt.

Sport und Oper! Arenen des Vergnügens, der große Zirkus der Ablenkung, weniger über die hier ausgiebig trivialisierte Moral, mehr über antike Nacktheit, Natürlichkeit, über antike Schönheit und Erotik, statt über biedere, konventionell propagierte Sexualmoral christlicher Prägung, die zwar – im Einklang mit den Vorgaben des Mythos – auch hier über das so genannte Böse triumphieren darf, aber als Form der Unnatur gebrandmarkt, entlarvt, denunziert wird. Die Nacktheit auf der Bühne – in diesem Fall auch die Entblößtheit des Helden, der kein Held mehr ist – ein Thema für sich

Die zahlreichen der Sportwelt entlehnten Elemente: es sind Mittel, um bestimmte Phänomene ad absurdum zu führen, nicht anders als die ebenfalls zur Destruktion eingesetzten Gegenstände aus der Technik, ein Scanner oder der schon erwähnte Flügel, der vom Himmel fällt, zerbricht und doch noch einige Klimpertöne ermöglicht.

Vernichtung, Zersetzung, Untergang überall. Don Giovanni waltet wie Wotan – und alle anderen folgen, fügen sich, so lange, bis der antike Machtmensch aus höheren Sphären gerichtet wird, nicht von einer strafenden Gottheit, sondern, und auch hier ganz im Einklang mit dem psychischen Zerrüttungsprozess, den der Held auf seinen nicht nur sexuellen Eskapaden in der Welt durchläuft. Kein durch die Gegend polternder „steinerner Gast“ kommt zum Dinner, um das Verführer-Scheusal zu erwürgen. Der Anti-Held der Oper scheitert letztendlich an der eigenen, krank gewordenen Gedankenwelt, im Irrationalen, also im außermoralischen Bereich, an der einer überforderten Psyche, also am Selbst, de facto natürlich – und vor allem ohne Reue. Ein modernes, ein zeitgemäßes Ende: Don Giovanni, von Dämonen hin und her geworfen, strauchelnd am Boden, nackt, nackt wie Adam, archaisch im Dreck wie der Mensch von Anfang an aus der afrikanischen Wüste nach Europa hoch krabbelnd.

Nach den Provokationen am laufenden Band nun noch eine letzte a la Benneton? Etwas Unerhörtes, noch nie Dagewesenes, ein Stein des Anstoßes, etwas, was unbedingt schockieren muss, was zum Gerede führt, zu noch mehr Aufmerksamkeit, vielleicht sogar zum Skandal?

Castellucci riskiert es! Und, wie es scheint, hat er Erfolg damit, denn das Ende in absoluter Nacktheit, irgendwo auch ein Akt der Emanzipation, ein Tabubruch, fügt sich nahtlos in die oft absurd anmutenden Provokationen des Stückes ein und markiert einen Endpunkt, der nicht aufdringlich, sondern durchaus natürlich wirkt.

Applaus! Akklamation! Die psychologische oder gar psychoanalytische Nacharbeit erfolgt daheim, in Nachtarbeit, wenn das überaus mutig neu inszenierte Stück verdaut wurde. Jeder kann sich, je nach Beschäftigungsgrad mit dem auch literarisch vielthematisierten Mythos und früheren Inszenierungen, seinem Reim darauf machen und sich noch viele Fragen stellen, etwa, ob die geniale Musik Mozarts bei dem bunten Sammelsurium und den zusätzlich eingefügten Gestalten und Tönen nicht leidet, verzerrt wird, und das, was Mozart mit da Ponte anging in dieser Oper aller Opern, gar zerstört wurde. Da man ihm freie Hand lässt, treibt Castellucci diese Freiheit auf die Spitze und liefert eine Meta-Interpretation ab, bei der einiges auf der Strecke bleibt. Von der Gemeinschaftskonzeption Morat da Ponte ist am Ende nicht mehr viel übrig, weil im forcierten Zerstörungswahn zu viel abgebaut, zersetzt, vernichtet wurde, etwa die Romantik der Serenade, die der Held hier auf einer profanen Aluminimum-Leiter absolviert, auf einer Art „Himmelsleiter“, wobei man die Angebetete nicht mehr – wie bisher – am Fenster vermuten darf, sondern irgendwo in den Intermundien, der Welt entrückt, in höheren Sphären.

Wer den „Don Giovanni“ in klassischer Inszenierung noch nicht kennt, wird ihn in dieser Fassung nicht kennenlernen! Zu viel fällt unter den Tisch, was den Kern des Mythos ausmacht!

Die Abendessen-Szene mit der Figaro-Zitation steht unter dem Zeichen des umgedrehten Kreuzes, des Kreuzes, das auf dem Kopf steht. Die Umwertung der christlichen Werte, die auch die Werte der etablieren Gesellschaft sind, ist nun, nach der Destruktion der christlichen Symbole ganz am Anfang des Operngeschehens, endgültig vollzogen.

Fakt ist: Don Giovanni, der selbstbewusste, aufgeklärte Aristokrat, der alle Mittel einsetzt, das Umgaukeln, das Betören, die Masken und Perücken zum Berücken, um zu seinem letzten Zweck zu gelangen, zum Endzweck, zur maximalen Lusterfüllung im ultimativen Liebesakt, braucht dieses real existierende, längst dekadent gewordene Christentum nicht. Er kehrt sich – in dieser Inszenierung - demonstrativ von ihm ab, nicht nur, weil er es längst überwunden hat, sondern weil er es nie hatte. Wie alle Machtmenschen, Tyrannen, Despoten der Antike, war der historisch-mythische Don Juan ein konsequenter Sensualist und Hedonist von Anfang an; einer, der den guten, alten Tropfen liebt, den aufbrausenden, dionysisches Leben stimulierenden Schaum-Wein, erlesenes Tafeln und natürlich die vielen schönen, reizendenden Frauen. Dem hedonistischen Sensualismus zugetan, der sich durch die alten Kulturen zieht und somit wesentlich älter ist als das relativ spät erscheinende Christentum, erhebt sich der Held über die bestimmende Religion seiner Zeit, die mit ihren Pädophilen, ja, Päderasten und einer durch und durch antiquierten Sexualmoral damals, noch vor Savonarola, Luther und der Reformation nicht weniger heuchlerisch war, als das Christentum auch heute immer noch ist. Das Kreuz hat ausgedient. Zwecks Visualisierung wird es umgedreht, auf den Kopf gestellt – und die für andere noch maßgebende – Weltanschauung wird ignoriert.

Dionysos gegen den Gekreuzigten? Nietzsche hat es so auf den Punkt gebracht, mit dem Don Juan des Mythos, der als antike Figur und Renaissance-Mensch das auslebt, was er fühlt, die Schönheit in allen ihren Formen genießend, dem Angenehmen zugeneigt und der echten Lebenslust, jenseits der Moral jener Christenmenschen, die zu wissen glauben, was gut ist und was böse ist, was sündhaft ist und abgestraft wird – im Irdischen und am Tag des Jüngsten Gerichts, der für den Ignoranten Don Giovanni bereits in diesem Jammertal anbrechen wird.

Er, der selbstherrliche Machtmensch, der den gesamten Hokuspokus der christlichen Religion ablehnt, also schon deshalb als Perfider, als Schuft, eingestuft wird, soll so sterben, wie er gelebt hat, verrucht, in Höllenqualen – das ist die Botschaft des Mythos, den der Librettist da Ponte ebenso beibehält wie der Schöpfer der jüngsten Inszenierung in Salzburg. Der Dissident, der Denker und Handelnde gegen seine Zeit, der eigenwillige Freigeist geht unter, damit das Biedere und Konventionelle, die Don Ottavio-Existenz, triumphieren kann.

Castellucci weitet die letzte Botschaft dieser Oper, der Schuft stirbt so, wie er gelebt hat, mit einem Vergleich aus, der nicht ganz stimmig ist, indem er die in Gips gegossenen Hüllen der menschlichen Gestalten einfügt, die beim Ausbruch des Vesuv in Pompeji den Tod fanden und die Überlebenden Hauptakteure der Oper in der finalen Szene hinzulegt. Wie andere etwas aufgesetzt wirkende Metaphern, wie der Pferdefuß oder die angehefteten Arme, entzieht sich das Bild der exakten Deutung und lässt Räume offen für freie Interpretationen aller Art.

Die Ambivalenz ist überhaupt ein Charakteristikum dieser – manchmal auch etwas forciert erscheinenden - Inszenierung. Der Hauptprotagonist und sein Diener, Leporello – zwei Italiener mit Vollbart, fast gleich groß, beide erscheinen im weißen Anzug mit Weste. Man kann sie verwechseln und man wird sie auch gelegentlich verwechseln – das ist wohl intendiert, um das Spiel von Sein und Schein auf einen einsamen Gipfel zu treiben. Und doch erschwert das auch die Rezeption, weil auch hier einiges untergeht, etwa wenn die Identitäten vertauscht werden, aber kein Kontrast da ist, um das Possenspiel zu durchschauen. Wer ist wer? Ein der, der die Oper in konventioneller Interpretation noch nicht kennt, wird rätseln und dabei nicht schlau werden. Wie in anderen Opern auch, lässt sich ein nicht ganz straffes Libretto auch nicht streng philosophisch umsetzen. Vieles kann nur angedeutet werden, auch hier, der freien Interpretation des Rezipierenden überlassen.

Mit seiner Bestrebung, Massen auf die Bühne bringen, ganze Heerscharen von Verführten, die zu Erynnien werden, zu Totengeistern und Dämonen, die den Helden in die Paranoia treiben und ins Scheitern an sich selbst, verlegt Castellucci Verona nach Salzburg, die Arena der Kampfstiere und der Gladiatoren in die deutsche Stadt an der Salzach, wobei ein stilles Spektakel abrollt.

165 Frauen treten angeblich auf, Jungfrauen, reife Damen, Mädchen, Menschen mit Behinderung, wo man sich fragt, ob Einzelne aus dieser Gruppe bewusst mitspielen oder nur instrumentalisiert werde, alles Statisten, die sich mehr oder weniger redlich bemühen, ihre Rolle gut zu absolvieren, die aber trotzdem, studiert man die Mimik einzelner Akteure, oft mechanisch wirken, ohne echte Begeisterung für die großartige Musik Mozarts in der Oper aller Opern, in der sie mitwirken. Apropos Musik: immer dann, wenn die moderne Inseznierung sich zu weit von den historisch-mythischen Vorgaben entfernt - nur noch der Effekthascherei verpflichtet - eigenwillig wird, wenn die Botschaft des Libretto-Textes und die Bilder der Inszenierung auseinanderdriften, wenn also auch die Stimmig zerstört wird, leidet die Musik, die nicht mehr verstanden wird. Ergo arbeitet der selbstherrliche Regisseur gegen die Schöpfer dieser besonderen Oper, gegen Mozart, aber auch gegen Lorenzo da Ponte, der das Groteske mit dem Ethos konfrontiert. Nun fragt man sich: ist inzwischen eine klassische Vorlage nur noch dazu da, um Bühnenschaffenden der Neuzeit eine Möglichkeit zur Selbstinszenierung zu bieten? Die Kunstbanausen von heute, die in die Oper gehen, um sich bestaunen zu lassen, nehmen das hin, wollen sie doch nur unterhalten werden und bestenfalls noch oberflächlich mitreden, wenn es um neue Spektakel geht, Provokationen, Skandale, Klatsch und Tratsch.

Lenau, der große österreichische Lyriker, hat in seinen originellen, sowohl lyrischen wie auch dramatischen Don Juan-Fragment, in einer Dichtung, die noch nicht endgültig abgeschlossen war, als der Poet im Jahr 1844 in Umnachtung fiel, dieses eine Detail herausgearbeitet: die Verführten treten mit ihrer Kinderschar auf und konfrontieren den mittelalterlichen Übermenschen mit seiner leiblichen Hinterlassenschaft, mit Menschen, die unversorgt in die Existenz entlassen wurden.

Wie reagiert der „Schuft“, der Zyniker der Macht, der über der Moral steht und sich alles nimmt, was er begehrt? Die Antwort von Lenaus Don Juan-Gestalt fällt ethisch aus: Obwohl er in vollen Zügen gelebt und an nichts gespart hat, ist noch genug da, um seine leibliche Nachkommenschaft zu versorgen. Sie sollen ihr Erbteil bekommen, bevor er, inzwischen alt und schwach geworden, sich seinem Todfeind hingibt, sich erstechen lässt.

Hat nun Castellucci hier angeknüpft? Hat er – neben Nietzsche – auch Lenaus Don Juan rezipiert und publikumswirksam umgesetzt?

 

 

(Dieser erste Entwurf, aus Aktualistätsgründen hier publiziert, wird noch überarbeitet und ergänzt.)


 


 

Carl Gibson, 

Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,

Naturfotograf, im August 2021





Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/



Copyright: Carl Gibson 2021.

 

 Vgl. auch:

 Der Meister, das Genie und der Dichter -

 

 

Noch ein Meister aus Salzburg





Herbert von Karajan







Mozart-Stadt Salzburg - 

 

und 

Nikolaus Lenaus Gedicht 

 

"Der Salzburger Kirchhof"

 

Bilder einer Kurzvisite

 

 

 

 

 

 


Der Göttliche




 Genius Mozart

Meister der Meister

Das Mozarteum



 Gedenken und Geschäft








Stadt und Burg











        

 Lenau

         

 

 Der Salzburger Kirchhof


O schöner Ort, den Toten auserkoren
Zur Ruhestätte für die müden Glieder!
Hier singt der Frühling Auferstehungslieder,
Vom treuen Sonnenblick zurückbeschworen.



Wenn alle Schmerzen auch ein Herz durchbohren,
Dem man sein Liebstes senkt zur Grube nieder,
Doch glaubt es leichter hier: wir sehn uns wieder,
Es sind die Toten uns nicht ganz verloren. 



Der fremde Wandrer, kommend aus der Ferne,
Dem hier kein Glück vermodert, weilt doch gerne
Hier, wo die Schönheit Hüterin der Toten.


Sie schlafen tief und sanft in ihren Armen,
Worin zu neuem Leben sie erwarmen;
Die Blumen winkens, ihre stillen Boten.






Copyright Bilder und Text: Carl Gibson


 Mehr zum Thema Mozart in meinen kommenden Werk:


Musik in Versen –

Lenaus

„Schilflieder“, „Bitte“, „Die drei Zigeuner“, „Husarenlieder“, „Der traurige Mönch“,

Natur- und Liebeslyrik

sowie Szenen aus

„Faust“ und „Don Juan“

als poetische Vorlagen zur Vertonung und Komposition bei R. Schumann, F. Liszt, F. Mendelssohn-Bartholdy, F. Hensel, H. Wolf, R. Strauss und O. Schoeck

Freie Interpretationen – mit der Ungarn-Motivik

des dionysischen Melancholikers

Nikolaus Niembsch, Edler von Strehlenau

als Schwerpunkt

 





 

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