Die Autodynamik des Lügens - wer einmal damit begonnen, kann nicht mehr aufhören
Oder
Manchmal kommen ein paar
Dinge durcheinander, wenn man sorglos so dahinschreibt, Verstaubtes,
Verschüttetes mischt, unreflektiert einfließen lässt in den entstehenden Text, den
man qualvoll ausbrütet oder der einem euphorisch zufällt wie aus der Feder eines
kleinen Gottes entsprungen. Anderes entsteht am Rande der Erschöpfung, wenn
Geist, Psyche und Körper längst übermüdet sind und ausruhen, tief schlafen
sollten, statt zu arbeiten. Fehler schleichen sich dann ein, Denkfehler,
Fehlleistungen des Gedächtnisses – vor langer Zeit Abgespeichertes wird mobilisiert,
tief überzeugt, dass es stimmig ist – Doch gelegentlich es ist falsch, an der Wirklichkeit
vorbei, die historische Wahrheit und den wahren Kern der Legende, des Mythos
entstellend.
Selbst bin ich weit davon
entfernt, über Peinlichkeiten anderer zu lachen, zu spotten wie einst Voltaire,
Heine oder Nietzsche Zeitgenossen süffisant verhöhnend, gar den ersten Stein zu
werfen, Mängel zu rügen, den Finger auf die Wunde zu legen, nur um andere
bloßzustellen.
Dinge geschehen. Und doch
gibt es Themen, in die Welt gesetzte Mythen, die richtig man stellen muss, wenn
man es besser weiß, anders erlebt hat, die man nicht widerspruchlos hinnehmen
kann, weil die Folgen in die Welt gestreuter Sichtweisen der Fantasie nackte,
echte Realitäten schlicht verfälschen.
Kürzlich verschlug es mir
fast den Atem, als ich, kontemplativ versunken, an einem Abend in einer zufällig
irgendwo mitgenommenen Biographie Carl Maria von Webers las, in einem
belletristischen, weniger streng wissenschaftlich konzipierten Buch mit
erfundenen Dialogen über „Leben und Werk“ des berühmten Tonsetzers, und dort
mit Staunen erfuhr, dass der Habsburger Landvogt und Tyrann „Gessler“
den Nationalhelden fast aller Schweizer erschossen haben soll – und das in einer
Monographie welche, der Feder eines Fritz Grüninger entstammend – wohl
vorbei am strengen Argusauge des Lektors – in einem namhaften Freiburger Verlag
im Jahr 1954 ans Licht der Welt kam und sogar ein paar Auflagen erlebte.
Der Autor beschreibt eine
Schweiz-Reise Carl Maria von Webers und vermerkt:
Dreimal musste ich
hinsehen und – nachhaltig irritiert - schlucken. Es war wieder ein kleines
„Kulturschock-Erlebnis“ wie damals, vor vierzig Jahren, zufällig vor den Toren
Freiburgs, im Glottertal, als ich mich – noch Student – bei einem Grillabend in
der Glut scharrend im Gespräch mit einer jungen Französin als „Prometheus“ zu
erkennen gab, um darauf mit der Frage konfrontiert zu werden:
„Was hat Prometheus mit dem Feuer zu tun?“
Wer ist der
Freiheitsheld und wer der Tyrann? Wenn es Ambivalenzen gibt, etwa bei der
Figur des – von Beethoven musikalisch wachgerufenen - Volkstribuns „Coriolan“,
dann kann man darüber kontrovers diskutieren. Nicht aber bei Tell und Gessler.
Wer Freiheitshelden mit
Tyrannen verwechselt, aus bloßer Dummheit oder mit Absicht und besonderer
Niedertracht wie im Fall der konstruierten Vita Herta Müllers, der bringt die
Gegenwart durcheinander, verwirrt, schafft Obskurität und Nebel, statt
aufzuklären und verändert durch die Verfälschung den Lauf der Geschichte. und Geschichte. Das haben Herta Müllers
Helfershelfer aus dem kommunistischen Lager des Diktators Ceausescu getan – und
die teils naive, teils ethisch rücksichtslose „Literatin“ hat es mit sich
geschehen lassen.
Es war wie in jenem
Märchen der Gebrüder Grimm, dessen Un-Botschaft ich als Kind am meisten
verachtete: Der aufrechte Kämpfer und Held erschlägt den Drachen, stürzt den
Tyrannen – und andere sichern sich die Zungen der Bestie, um sich dann, wenn
der echte Heros schweigt, selbst als Drachentöter auszugeben.
Heute, aus der Sicht
des Schwerkranken, eine triste Bilanz in der Welt der Freiheit!
Ich drang nicht durch, weil
ich nicht durchdringen durfte, weil meine Fakten, weil exakte, überprüfbare
Wahrheiten nicht gefragt waren, nicht gehört werden sollten, weil man schon
eine Wahrheit zu den Abläufen der antikommunistischen Opposition im Osten
Europas hatte, konstruierte Mythen mit einer Ikone, die durch und durch falsch
war, aber gewollt.
Es ist nicht ohne Tragik,
wenn der Heros zum Schurken gemacht und der Feigling zum Tyrannenmörder erhoben
wird. Gerade deshalb berührte mich der Satz, dass Gessler den Tell erschoss in
besonderer Weise.
In Bern - ein paar Stunden Zeit für Kultur und Geschichte ... lange nach Einstein
Brücken, Brunnen, Uhren
Copyright: Carl Gibson (Bilder und Text)
Carl Gibson,
Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker,
Naturfotograf, im August 2021
Mehr zu Carl Gibson, Autor, (Vita, Bibliographie) hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)
(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)
https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/
Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.
Copyright: Carl Gibson 2021.
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