Dienstag, 9. November 2021

Ist der Judenhass nur "arabisch" und nicht primär "christlich", in Deutschland, in Europa, weltweit? Noch eine Tabu-Frage, deren Beantwortung man im "christlichen Abendland" systematisch aus dem Weg geht!?

Ist der Judenhass nur "arabisch" und nicht primär "christlich", in Deutschland, in Europa, weltweit? 

Noch eine Tabu-Frage, deren Beantwortung man im "christlichen Abendland" systematisch aus dem Weg geht!?


Ist der Judenhass nur "arabisch" und nicht primär "christlich", in Deutschland, in Europa, weltweit? Noch eine Tabu-Frage, deren Beantwortung man im "christlichen Abendland" systematisch aus dem Weg geht!?

 

Diese Fragen stellte ich schon mehrfach, auch im Gespräch mit Juden, und schrieb einiges zur Thematik, auch auf diesen Blog und in Büchern, die vorliegen, doch wenig verbreitet sind. Drei Bücher zur Sache werden folgen, wenn die – nach zwei Jahren Krebsbewältigung langsam wiederkehrende- Kraft ausreicht und die Bedingungen gegeben sind.

An dieser Stelle erinnere ich - hier und heute – mit Fotos und einigen Gedanken.


 


 

 

 

Zur Thematik aus aktuellem Anlass ein Auszug aus dem Werk in Entstehung:

Carl Gibson

Spuren des Judentums im Taubertal, in Hohenlohe, in Franken und das Holocaust-Gedenken der Deutschen heute

 


Würzburg – Wenn der Mob regiert, wütet der Mob

 

Wo Katholiken mächtig sind, wo Katholiken seit eh und je über weltliche und geistliche Macht bestimmen, über freie Religionsausübung, über das Los der Minderheiten, dort haben Juden schlechte Karten.

Das trifft auf im 8. Jahrhundert als christliches Bollwerk von dem irischen Mönch Kilian gegründete Würzburg voll zu – Andersdenkende haben dort, wie ich selbst, oben an der ehemaligen Richtungsstätte, am Galgenberg, erfahren durfte, wenig zu sagen – sie werden verfolgt, diskreditiert, vertrieben, ganz im Geist früherer Jahrhunderte, wo Ketzer – wie der Pfeifer von Nicklashausen[1] – am Mainufer auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden … und nach ihm ungezählte Frauen, von der allmächtigen Kirche der Katholiken als „Hexen“ erkannt, nach dem Prediger und Trommler aus dem Taubertal, der heute vielen als „Märtyrer“ gilt.

Nach den großen Judenverfolgungen in Franken in den Jahren 1298 und zur Pestzeit im Jahr 1349 mit vielen Tausend Toten und der Auslöschung zahlreicher jüdischer Gemeinden in ganz Süddeutschland – mit der Folge, dass das Judentum in ganz Europa praktisch ausgerottet worden war und für alle Zeiten vernichtend schien – formten sich hier und dort neue Zentren jüdischen Lebens, auch in Würzburg, doch dort ohne echte Perspektive.

Während der Deutsche Orden später, nach den Bauernkriegen, ab 1525, den Juden vor Ort Schutz bot, nicht aus christlicher Nächstenliebe, sondern – nicht anders als die Mafia heute – für goldenes Geld, gleich dem Kaiser, um sich, bei ewig knappen Kassen, ein regelmäßiges Einkommen zu sichern, zogen die Geistlichen zu Würzburg, kaum der Rache der Aufständischen entronnen, es vor keine Juden in der Residenzstadt anzusiedeln, bis zu einem gewissen Grad auch konsequent, denn die Juden wurden – ganz im Einklang selbst mit Martin Luthers antijudaistischem Schrifttum – als Feinde der Christenheit und als Feinde christlicher macht vor Ort angesehen. Konkret bedeutet das: Den Juden wurde verboten, sich in der Stadt Würzburg niederzulassen und einen Beruf auszuüben, ein Zustand, der von circa 1600 bis in die Napoleonische Zeit hinein und in der Säkularisation um 1806 andauerte. Erst mit der sich ausdehnenden Judenemanzipation in den „36“ - von dem Juden Heine oft und bissig karikierten „Staaten“ deutscher Nation wurde das an das Königreich Bayern fallende geistlich-weltliche Fürstentum des Erzbischofs wieder eine Option für jüdische Ansiedlungen. Juden kamen und ließen sich nieder, gingen ihrem Gewerbe nach und beerdigten ihr Toten auf zwei Friedhöfen in den Vororten der über tausendjährigen Stadt, genauer in Höchberg und Heidingsfeld, während der neue jüdische Friedhof im Norden der Stadt, im Grombühl, etwas später entstand und, den Nationalsozialismus überdauernd, bis heute besteht.

Trotzdem: Würzburg wurde für die Juden zum Unort, zum fluchbeladenen Ort, denn von Würzburg ging die sogenannte antijudaistische „Hep Hep“-Bewegung[2] aus, die in Juden, ganz den Verschwörungen der Zeit entsprechend, Agenten Napoleons sah, also Feinde Deutschlands und der deutschen Sache.

Napoleon hatte die Juden emanzipiert[3] – aus ihnen vollwertige Bürger gemacht mit allen Rechten und Pflichten, frei, sic- den eigenen Fähigkeiten entsprechend – frei zu entfalten: eine Vision, die konkret von jedermann umgesetzt werden konnte! Wie es allerding s in der Wirklichkeit aussah, belegt das Schicksal Heinrich Heines, der als Doktor beider Rechte versuchte irgendwo in den deutschen Staaten Fuß zu fassen, in Preußen oder in Bayern, was misslang.

Würzburg und die Juden: Auch wenn der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Dr. med. Schuster, heute von Würzburg aus wirkt, bleibt das Verhältnis der Mainstadt zu der vielfach diskriminierten Minderheit problematisch, belastet, durch die Unkultur der Bevormundung, der Verfolgung, der Vertreibung und Deportation.

 


1938, während der sogenannten „Reichskristallnacht“, wurden in Würzburg, in Stuttgart und in vielen anderen deutschen Städten und Dörfern Synagogen verwüstet, geplündert und niedergebrannt. 

 

 

Grabsteine für die Ewigkeit?

Wie kurz dies Ewigkeit sein kann, konnten die wenigen nach den Pogromen noch lebenden Juden erfahren, wenn sie ihren Verwandten, Freunden, Landsleuten eine Ehre erweisen wollten, am Grab.

Das Grab, eigentlich für die Ewigkeit vorgesehen, war nicht mehr da! Ja, der ganze Friedhof war verschwunden, weil der Fürstbischof, von seiner eigenen Herrlichkeit und von der Allmacht der Christenheit erfüllt, die ewigen Ruhestätten der Hebräer zu Würzburg hatte einebnen lassen wie die Pharaonen und Cäsaren Roms die Bauten und Zeugnisse ihrer Vorgänger.

Die Grabsteine der verstorbenen Juden, alle aus stabilen Sand Steinquadern, waren für den Straßenbau geradezu prädestiniert – und dort, im Boden, konnten sie dann auch viele hundert Jahre später geborgen, ausgegraben werden. Man hatte sich kaum die Mühe, Namen und Symbole der Beerdigten zu entfernen.

Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Kranken in Würzburg, die dort immer noch von diesen Segnungen profitieren, in der Klinik und im tiefen Keller, wo schwere Fässer lagern, wurde – weil es Julius Echter so gefiel – das „Juliusspital“ gebaut, ein Krankenhaus, weniger bekannt für medizinische Hochleistungen, dafür aber für gute Tropfen aus den besten Lagen vom Stein und der Steinharfe rund um die Festung Marienberg, wo heute kaum noch einer daran denkt, woher dieser mehr irdische als göttliche Segen herrührt.

Die Gebeine von Menschen düngten den Ort, den andere später – dem Ewigkeitsanspruch zum Hohn – mir Füßen traten, pietätlos, unsensibel in der Unwissenheit, nicht anders als der Fürstbischof, der das alles ermöglicht hatte.

Die Würzburger Juden jener Tage, die in Höchberg, Heidingsfeld oder in Allersheim bestattet wurde, hatten das bessere Los gezogen – man kann die Toten heute noch besuchen und dort, am Grab, auch über die Segnungen der Christenheit nachdenken, im Umgang mit den Juden, den Zigeunern, Hexen, Zauberer, Ketzer, Andersdenkenden bis in die neueste Zeit hinein.

Oben in der Stadt, am Galgenberg, wurden sie alle Gerechtigkeit – im Geist der christlichen Nächstenliebe, von Gerechtigkeit erfüllt, und dann irgendwo vor den Toren der Stadt verscharrt wie totgeschlagene Hunde.

Wiedergutmachung geschehenen Unrechts?

Auf dem neuen kann man so etwas wie die Wiedergutmachung geschehenen Unrechts erleben. Der Friedhof[4] ist zugänglich – hier wird noch belegt. Zahlreiche wiederangesiedelte Juden aus dem Machtbereich der ehemaligen Sowjetunion habe hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Das älteste Grab der Anlage

 

 

 

 Dem unbekannten Opfer von NS-Terror und Gewalt


 

 

 

Neuer jüdischer Friedhof, Würzburg.

 




 Juden, gefallen für das Deutsche Reich im Ersten Weltkrieg

 

 




[1] Vgl. dazu den besonders lesenswerten Artikel zu einer kaum bekannten Materie in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_B%C3%B6hm_(Pauker_von_Niklashausen)

[2] Vgl dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Hep-Hep-Unruhen

„Die Hep-Hep-Unruhen oder Hepp-Hepp-Krawalle von 1819 waren eine Welle gewalttätiger Ausschreitungen gegen Juden in vielen Städten des Deutschen Bundes, die in der Stadt Würzburg begann und später auch auf Prag, Graz, Wien, Amsterdam, Kopenhagen, Helsinki, Krakau und kleinere Orten in Kongresspolen übergriff.[1] Sie gingen von Handwerkern, Händlern und Studenten aus, die sich teils spontan, teils verabredet zu antijüdischen Demonstrationen versammelten, jüdische Bürger beschimpften, bedrohten, misshandelten, ihre Synagogen, Geschäfte und Wohnungen angriffen und teilweise zerstörten.

Die Angriffe verbreiteten sich überregional und dauerten Monate an. Sie richteten sich gegen die jüdische Emanzipation, die seit der Französischen Revolution 1789 auch einige deutsche Gebiete erreicht hatte. Damit waren Juden zu gleichberechtigten Konkurrenten von Christen geworden, die vielfach ehemals privilegierte Zunft-Mitglieder waren.

Die Unruhen gelten daher als Ergebnis und Ausläufer des christlichen Antijudaismus, aber auch als Beginn des Antisemitismus im 19. Jahrhundert, noch ohne rassistische Motive. Sie zeigten die Anfälligkeit von Bevölkerungsteilen für neue Formen des Judenhasses.“

[3] Vgl. dazu den Artikel in der freien Enzyklopädie Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCdische_Emanzipation

 



 Bücher von Carl Gibson, zum Teil noch lieferbar.

Carl Gibson, Natur- und Lebensphilosoph, ethisch ausgerichteter Zeitkritiker, 

im Jahr 2020


Mehr zu Carl Gibson, Autor,  (Vita, Bibliographie) hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

https://de.zxc.wiki/wiki/Carl_Gibson_(Autor)

(Das Wikipedia-Porträt Carl Gibsons in englischer Sprache)


https://www.worldcat.org/identities/lccn-nr90-12249/



Copyright: Carl Gibson 2021.




 Vgl. auch:



Mit Bildern von der Veste Coburg, Luthers Refugium auf Zeit

 

Martin Luther, Worms

 

 

Ein Tabu? Zur Gleichsetzung der Juden mit den Zigeunern bei Martin Luther - der Reformator über den Dingen und jenseits der Kritik?

Er war überzeugt davon; und er hat es auch in seinem antijüdischen Schrifttum eingefordert: Juden sollten mit Zigeunern auf eine Stufe gestellt werden: ihre Habe sollte man den Juden wegnehmen, Haus wie Geld, Preziosen – und sie sollten in Scheunen übernachten wie die – überall in Europa de facto vogelfreien – Zigeuner.

Die Nazis, deren militanter Antisemitismus ohne Martin Luthers destruktive Vorarbeit in geistiger Zersetzung nicht denkbar ist, konnten in diesem Punkt anknüpfen, auch ohne sich auf den Reformator zu berufen, denn die Unsaat war längst in das Bewusstsein des deutschen Volkes eingedrungen, weiterhin Hass und Verfolgung stiftend – über die Religion.

Schwere Pogrome gegen Juden oder die Hostienschänder-Prozesse in Sternberg und Berlin mit zahlreichen toten Juden, der aufstrebenden Zeit zum Trotz, noch auf mittelalterlichen Scheiterhaufen zur Ergötzung des Mobs verbrannt, wurden nur möglich, weil die Vielen diese kriminellen Entwicklungen jenseits von Ethik, Moral, aber auch von Recht und Gesetz als überzeugte Christen mittrugen.

Was hinderte die Gottlosen der NS-Zeit daran, diese verbrecherische Tradition aufzugreifen und, vom Geist der Zerstörung getragen, auszubauen bis hinein in die Vernichtung menschlichen Lebens im industriellen Maßstab?

 

 

Reformatoren, Denkmal in Worms

 

Text: Auszug aus einem folgenden Werk  des Autors zur Geschichte der Religion.

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